Nach BauchschussCharr: Wieso ich dem Schützen und Bushido vergebe

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Manuell Charr im Gespräch mit Reporter Arno Schmitz.

von Arno Schmitz (schmi)

Köln – In der Nacht zum 2. September war Manuel Charr in einem Essener Imbiss niedergeschossen worden.

Nach einer Not-OP war der Boxer außer Lebensgefahr. Mit uns sprach der 31-Jährige über den Angriff, den Täter und sein Verhältnis zu Bushido.

Herr Charr, fangen wir vorne an: Wie fühlt sich ein Bauchschuss an?

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Charr:  Also, die Kugel ist eingeschlagen, und ich habe erst mal keinen Schmerz empfunden. Es war ein Schockzustand, das Adrenalin in meinem Körper war so hoch, dass ich daran fast gestorben wäre. Das Blut floss aus meinem Bauch und ich habe gemerkt, dass meine Beine zittern. Mein Körper hat verrückt gespielt.

Als Youssef H. die Dönerbude betreten hat – haben Sie ihn da erkannt? Wussten Sie, was im nächsten Moment passiert?

Ich habe nur gesehen, wie er mit der Pistole kam und geschossen hat. Das ging schnell. Er hat nichts gesagt. Ich bin weggeknickt, und er ist weggerannt.

Nun haben Sie dem Mann, der sie töten wollte, vergeben – warum?

Ich habe ihm schon vorher vergeben – bereits nach der Tat, als ich noch auf der Intensivstation lag und um mein Leben kämpfte. Ich wollte nicht dieses Karma vor mir sehen: Ich hatte schlechte Gedanken, Rachegefühle - das wollte ich verhindern und deshalb habe ich ihm verziehen. Anders hätte ich nicht genesen können.

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Manuel Charr zeigt seine Narbe.

Ist ihr Herz größer als ihre Narbe?

Auf jeden Fall. Schmerz vergeht, Stolz bleibt.

Haben sie ihm vor Gericht in die Augen geschaut?

Natürlich habe ich ihn angeschaut. Er hat die ganze Zeit auf den Boden geschaut, hat sich nicht getraut, mich anzuschauen. Als er sich bei mir entschuldigt hat und Reue gezeigt hat, bin ich aufgestanden wie ein Mann und habe ihm die Hand gegeben.

Und dabei hat er sie auch nicht angeschaut?

Er hat geschaut und wusste nicht, was jetzt kommt.

Sie haben ihm vergeben, trotzdem muss ein Urteil gefällt werden. Welche Strafe wünschen Sie sich?

Ich bin nicht Gott. Ich bin auch nicht der Richter. Er hat gestanden, er bereut die Tat. Es gab einen Täter-Opfer-Austausch mit einer Entschuldigung, die ich gerne angenommen habe. Wir sind hier in Deutschland. So etwas ist ein absolutes No Go. Ich denke, der Staat wird die richtige Entscheidung treffen.

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Sie haben gesagt: Wenn du den Weltfrieden willst, musst du bei dir selber anfangen. Der Weltboxverband WBC hat Sie zum Friedensbotschafter ernannt, Sie haben sich mit Bushido versöhnt. Wieviel Frieden kann ein Boxer stiften?

Es war ein Zeichen von Gott, dass ich dieses hinterhältige Attentat überlebt habe. Gott hat mir den Weg gezeigt: Ich kann mich entweder rächen oder versuchen, den guten Weg zu gehen und ein Vorbild zu sein.  Ich habe mich für das Gute entschieden.

Ich habe ein Gelübde gemacht, möchte mit meiner Vergangenheit abschließen, das Schlechte ablegen. Mit Menschen, die ich verletzt oder beleidigt habe, möchte ich Frieden schließen, für meine Seele. Deshalb habe ich dem Schützen gesagt, ich vergebe ihm, er soll das mit seinem Gott klären.

Auch mit Bushido wollte ich mich versöhnen, deshalb bin ich nach Berlin gefahren, in den Laden seines Managers, ganz alleine – sie waren erst mal schockiert, dass der Koloss von Köln in Berlin steht, ganz alleine. Sie haben mich mit eiskalten Blicken angeschaut.

Ich habe ihnen gesagt: Beruhigt euch, ich will mit euch reden. Ich habe euch beleidigt, ihr habt mich beleidigt – wir müssen das beenden, wir sind erwachsene Menschen, müssen Vorbild sein für unsere Kinder, wir haben genug Unheil auf der Welt. Sie haben angenommen und sich sehr gefreut, das sich ohne Verstärkung wie ein Mann nach Berlin gekommen bin und mich auf einen Burger eingeladen.