Kommentar zum Aus der Williams-FamilieAbsehbares Ende der letzten Formel-1-Romantik

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Claire und Sir Frank Williams besetzen in Monza das letzte Mal verantwortliche Positionen am Streckenrand. Hier sind beide am 30. Juli 2016 in Hockenheim zu sehen.

Monza – Am Sonntag fiebern Claire (44) und ihr Vater, Sir Frank Williams (78), das letzte Mal als Teamchefin und Gründer von Williams dem Formel-1-Start entgegen. Symbolisch für den Niedergang: Während früher Legenden wie Ayrton Senna (|†34) und Nigel Mansell (67) für den britischen Rennstall um Titel kämpften, starten in Monza die Williams-Boliden von Startplatz 19 und 20. Der Abgang von den seit Jahren überforderten Teambesitzern ist ein trauriger, aber längst überfälliger Schritt. Ein Kommentar.

Die letzten Kilometer für Sir Frank und Claire Williams

Wenn um 15:10 Uhr in Monza die Startampel ausgeht, beginnen die letzten 53 Runden Formel 1 für Sir Frank und Tochter Claire Williams – unvorstellbar für Motorsportfans. Die Familie Williams betrieb leidenschaftlich den letzten familiengeführten Rennstall in der Königsklasse des Motorsports, gewann sieben Fahrer-Weltmeisterschaften. In den vergangenen Jahren fuhr das Team jedoch seinen Mitstreitern hinterher und mit Anlauf gegen die Wand.

Besonders schockierend: Nicht einmal Claire Williams weiß, warum das Team der Konkurrenz hinterherhechelt. In einem Interview mit der „Sunday Times“ sprach die Co-Besitzerin offen über ihre Verzweiflung. Trotz aller Mühen stand am Ende der Verkauf des Rennstalls. Mit dem Abgang der Williams` stirbt die letzte Formel-1-Romantik. Eine rennbegeisterte Familie, die im heimischen Werk mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln an den Boliden tüftelt und die Formel-1-Welt auf den Kopf stellt. Tochter Claire verbrachte schon ihre Kindheit spielend zwischen den PS-Monstern, Werkzeugkästen und Reifenstapeln.

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Williams hat keine größeren Finanzprobleme als vor 30 Jahren

40 Jahre später ist die Diskrepanz zwischen Williams und den restlichen Teams nicht mehr wegzudiskutieren. Eine Frage des Budgets? Dieses Argument sollte eigentlich keine Entschuldigung sein. Selbstredend investieren Teams wie Mercedes und Red Bull über 300 Millionen Euro pro Saison, während Williams mit circa 150 Millionen Euro kalkulieren muss. Jedoch: Als 1992 Nigel Mansell im Williams den Titel holte, hatte der britische Rennstall ein Budget von 30 Millionen Pfund, Ferrari über 100 Millionen. Die Team-Budgets sind demzufolge relativ gleichmäßig gestiegen, während die Leistungen von Williams sanken.

Das Ende der verrückten Schrauber in der Formel 1

Was Williams mittlerweile unterscheidet: Trotz der geringen Mittel bauen die Briten ihre Flitzer fast ausschließlich selber. Vergleichbar finanzschwache Teams wie Haas oder Racing Point kaufen den Großteil der Autos bei Ferrari und Mercedes ein – und waren damit erfolgreicher. Claire Williams erklärte hingegen der „Sunday Times“, „sehr stolz darauf“ zu sein, „dass wir unser Rennauto komplett inhouse designen, bauen und entwickeln.“

Williams ist wie aus der Zeit gefallen. Die Formel 1 ist endgültig keine Schrauber-Liga mehr, in der mit Herzblut getüftelt wird. Ihren Platz haben Getränkehersteller und Klamottenfirmen für Marketingzwecke übernommen. So hart diese Tatsache auch sein mag: Das Ende hat Williams durch das starre Festhalten an veralteten Strukturen tatsächlich selbst zu verantworten.

Immerhin: US-Investor Dorillton Capital, der den Rennstall für eine Summe von 152 Millionen Dollar übernommen hat, will das Team weiter unter dem Namen Williams antreten lassen. Das Erbe der Autoschrauber wird weiter getragen, wenn in Monza die letzte Runde gefahren ist.