Zweiter Abschied 2009Blöder Glowacz-Witz – darum kündigte Daum beim 1. FC Köln

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Christoph Daum trainierte von 2006 bis 2009 zum zweiten Mal den 1. FC Köln. Hier ein Bild vom Oktober 2008 aus dem Spiel in Leverkusen.

Köln – Während der WM 1990 wurde Christoph Daum (66) vom damaligen Präsidenten Dietmar Artzinger-Bolten (80) entlassen. Doch der Trainer kehrte 16 Jahre später noch einmal zurück ans Geißbockheim. Am 27. November 2006 wurde Daum zum zweiten Mal FC-Trainer, nachdem ihn Manager Michael Meier (70) dazu überredet hatte.

Warum er seinen Vertrag, der bis 2010 lief, vorzeitig kündigte, beschreibt er in seiner Autobiographie „Immer am Limit“.

Am 33. Spieltag mussten wir abliefern. Ein Sieg würde uns zum Aufstieg reichen. Wir waren Tabellenzweiter und empfingen den FSV Mainz 05, der als Vierter ebenfalls aussichtsreich im Aufstiegsrennen lag. Trainer der Mainzer war Jürgen Klopp, und es war klar, dass er den Verein verlassen würde, sollte es mit dem Aufstieg nicht klappen. Ich bereitete für das Spiel keine große Rede vor, ich entwarf auch keine besondere Taktik. Ich ließ die Mannschaft so gut es ging in Frieden. Die Kulisse dürfte sie genug motiviert haben.

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Am 11. Mai 2008 fühlte ich, dass wir gewinnen, egal was passiert. Ich wusste es einfach. Da konnte Jürgen Klopp ein paar Meter neben mir so viel brüllen, wie er wollte. Angetrieben von unseren tobenden Fans erdrückten wir die Mainzer, sie wirkten völlig überfordert.

Ich flüchtete direkt nach dem Abpfiff in die Trainerkabine. Während etliche Fans draußen Stücke aus dem Rasen schnitten und sich glücklich in den Armen lagen, fühlte ich mich leer und erleichtert. Dieser Aufstieg hatte mich mehr Kraft gekostet als der Gewinn mancher Meisterschaft. Ich wehrte mich nicht mal, als meine Spieler mich ins Entmüdungsbecken schmissen, ich ließ es einfach über mich ergehen. Ich war zu platt, um die überschäumende Stimmung zu genießen. Für mich fühlte es sich so an, als hätte der Christoph seine Schuldigkeit getan.

Wie in Trance bewegte ich mich die Treppen hinauf in den großen VIP-Raum auf der Haupttribüne. Dort fand die Aufstiegsparty statt. Einer der ersten Gratulanten war unser Vizepräsident Jürgen Glowacz, ein ehemaliger Spieler des FC. Glowacz ist ein geselliger Typ, der immer einen lustigen Spruch parat hat. Er grinste, als er den Arm um mich legte. Offenbar hatte er auch schon ein paar Kölsch getrunken. „Christoph, da staunste, wat?“, fragte er und blickte auf die feiernden Anzugträger hinter sich. Aus den Lautsprechern dröhnte Karnevalsmusik. Die Stimmung war bestens, ich fragte mich: Worauf will er hinaus? Glowacz merkte, wie verblüfft ich war. „Et es noch mal jot jejange mit dir!“ Es war noch mal gut gegangen mit mir? Wollte er damit andeuten, dass man vorgehabt hatte, mich zu entlassen?

Christoph Daum: Ein Spruch von Jürgen Glowacz war einfach unpassend

Es sollte wohl witzig sein, ein kleiner Scherz, jedenfalls lachte er hemmungslos. Ich fand es einfach nur unpassend. Wir feierten den Aufstieg, was wollte er also von mir? Seine Worte stimmten mich nachdenklich, ich erinnerte mich an die zähe Saison. Offenbar schien es ernsthafte Zweifel an mir im Vorstand zu geben. So was ist Gift. Wenn der Trainer nicht das hundertprozentige Vertrauen der Verantwortlichen genießt, ist das der Anfang vom Ende.

Ich zerbrach mir den Kopf darüber, wie es hier weitergehen würde. Die Vorbehalte belasteten mich, Glowacz hätte für seinen blöden Witz keinen unpassenderen Zeitpunkt wählen können. Der FC war endlich wieder erstklassig, aber es blieb mir ein Rätsel, wie wir die vor uns liegenden Herausforderungen ohne entsprechenden Zusammenhalt im Verein bewältigen sollten.

Am Ende hielten wir relativ entspannt die Klasse. Trotzdem herrschte ein rauer Ton, es blieb turbulent.

Ich hatte der Vereinsführung eine Liste mit drei, vier Spielern vorgelegt, die ich für die nächste Saison haben wollte. Einer von ihnen war Lukas Podolski, bei dem sich die Chance ergab, ihn von den Bayern zurück nach Köln zu holen. Mir war klar, dass Podolski für uns eine absolute Verstärkung sein würde. Ich rief ihn an und erzählte ihm von meinem Vorhaben, den Verein auf einen einstelligen Tabellenplatz zu führen. Podolski war begeistert, wir kamen schnell zusammen.

Rund um Lukas Podolski sollte der neue 1. FC Köln entstehen

Das Problem war nur, dass Podolski alleine mit Ablösesumme und Gehalt unser ganzes Transferbudget sprengte. Ich wollte die Mannschaft aber auch noch auf anderen Positionen verstärken. Overath überließ die Entscheidung mir. Wenn sich durch Podolski die anderen Transfers nicht realisieren ließen, dann müsste ich entscheiden, ob ich ihn tatsächlich zurück zum FC holen wollte. Natürlich wollte ich das! „Wer den Podolski nicht will, der springt auch vom Dom und glaubt, dass er lebend unten ankommt!“, antwortete ich.

Am Ende setzte sich meine Emotionalität gegen seine Stringenz durch. Overath nickte meine Wünsche ab. Ich sollte Podolski bekommen. Und zwei, drei weitere hochkarätige Zugänge. Das könnte jetzt wirklich der Beginn von etwas Großem werden, dachte ich. Es fühlte sich wie ein erster Sieg an.

Michael Meier besuchte mich auf Mallorca, um über den Stand der Transferplanungen zu sprechen. Ich traute meinen Augen kaum, als er mir seine Liste vorlegte. Von meinen Wunschspielern stand nur noch Podolski drauf. Von den anderen Profis hatte ich teilweise noch nie etwas gehört. Sie waren eher Ergänzungen als die dringend benötigten Verstärkungen. „Wir kriegen deine Transferwünsche finanziell nicht gestemmt“, sagte Micha. Ich war ziemlich enttäuscht, als er wieder abreiste. Ich fühlte mich nicht ernst genommen.

Natürlich wusste ich, dass es nicht Michas Schuld war, er war gezwungen, in den finanziellen Grenzen des Vereins zu planen. Wobei: War meine Liste nicht nach zähen Auseinandersetzungen und viel harter Arbeit abgesegnet worden? Ich mag es nicht, wenn Absprachen gebrochen werden. Verlässlichkeit ist für mich ein hohes Gut. So habe ich es von meinen Eltern gelernt. Ich weiß, dass ich selbst schon gegen dieses Prinzip verstoßen habe, und es gibt nichts, was ich mehr bereue. Aber darum ging es jetzt nicht. Ich fühlte mich vom FC getäuscht. Das ständige Misstrauen in den Vorstandssitzungen stand ebenfalls im Raum. Einmal war es mir vor Wut sogar herausgeplatzt: „Der Feind sitzt nicht hier am Tisch, sondern in Leverkusen oder Gladbach!“

Plötzlich meldete sich Fenerbahce Istanbul bei Christoph Daum

In genau dieser Phase bekam ich einen Anruf von Ali Yildirim, dem Bruder von Fenerbahçe-Präsident Aziz Yildirim. „Wir wollen dich zurück“, sagte er. Fener hatte nicht gerade den schlechtesten Zeitpunkt für eine Anfrage erwischt. In Köln erwartete mich wieder der Überlebenskampf, in der Türkei die Europa League und die Aussicht auf Titel. Andererseits bin ich nicht der Typ, der sich still und heimlich vom Acker schleicht. Der FC plante mit mir, mein Abschied würde sie kalt erwischen. Auf der anderen Seite hatten sie ihre Zusagen nicht eingehalten. Ich war hin- und hergerissen.

Mit diesem Kader, den Micha mir skizziert hatte, stünde mir ein Drahtseilakt bevor, Podolski hin oder her. Der FC kam mir wie eine Langzeitbaustelle vor, hier würden Improvisationsgabe und Durchhalteparolen auf der Tagesordnung stehen. Ich grübelte stundenlang und geriet in eine Art Sog. Denn die Zeit wurde äußerst knapp.

Es war Ende Mai, und ich hatte eine Klausel im Vertrag, die mir eine Kündigung zum 30. Juni oder 31. Dezember gestattete. Die Formulierung des Kündigungsschreibens bereitete mir Bauchschmerzen, doch die bessere sportliche Perspektive gab den Ausschlag für Fener. Ich schickte meinen Sohn Marcel mit dem erstbesten Flieger von Palma nach Köln, da die Kündigung persönlich in Empfang genommen werden musste. Das Problem war nur, dass über Pfingsten die Geschäftsstelle des Vereins geschlossen war. Marcel fuhr weiter nach Dortmund, wo Micha wohnte, der jedoch nicht zu Hause war.

Christoph Daum: Der Platzwart nahm seine Kündigung entgegen

Ich suchte fieberhaft nach einer Lösung, und mir fiel der Platzwart vom FC ein, Hansi Dentinger. Wohnte Hansi nicht in einer Bude direkt am Geißbockheim und war rund um die Uhr erreichbar? Marcel kehrte umgehend von Dortmund nach Köln zurück, und tatsächlich, Hansi war zu Hause. Er war nicht der Typ, der großartig nachfragte, er erledigte seine Arbeit ohne viel Gequatsche. Er quittierte den Empfang und legte die Kündigung auf Michas Schreibtisch. Anschließend rief ich Micha auf seinem Handy an. Er war außer sich, und natürlich konnte ich das gut verstehen. Ich nannte ihm kurz und knapp meine Beweggründe. Trotzdem fühlte ich mich nicht gut, als wir auflegten. (msc)