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Weltmeister 199030 Jahre danach: WM-Helden erzählen ihre irrsten Geschichten

Völler Rijkaard Butter

Rudi Völler und der Niederländer Frank Rijkaard frühstücken auf der Terrasse des Schloßhotels Lehrbach in Bergisch-Gladbach. Das werbeträchtige Versöhnungsfoto entstand im April 1996.

von Alexander Haubrichs (ach)Jürgen Kemper (kem)Arno Schmitz (schmi)

Köln – Deutschland, ein Sommermärchen. Nein, nicht 2006, sondern 1990. Die Mauer war gefallen, das Land stand vor der Wiedervereinigung. Und die Nationalmannschaft der BRD spielte in Italien ein berauschendes WM-Turnier, das vom 4:1 im ersten Gruppenspiel gegen Jugoslawien bis zum 1:0-Finalsieg gegen Titelverteidiger Argentinien mehr oder weniger wie am Schnürchen lief.

In Deutschland gab es Autokorsos, in Italien feierten unsere WM-Helden am 8. Juli 1990 eine wilde Nacht und am Tag darauf mit den Fans in Frankfurt. Für EXPRESS erinnern sich die Protagonisten einer legendären deutschen Nationalmannschaft.

Lothar Matthäus: Der gebrochene Schuh führte zu meiner besten Entscheidung

Es war DAS Turnier des Lothar Matthäus (59). In Italien löste Deutschlands Rekordnationalspieler (150 DFB-Spiele) die argentinische Skandal-Nudel Diego Maradona (59) – im Finale an die Kette gelegt von Guido „Diego“ Buchwald (59) – als besten Mittelfeldspieler der Welt ab. Als Kapitän durfte Matthäus (59) den WM-Pokal als erster Spieler in Empfang nehmen. Obwohl er ein überragendes Turnier spielte, musste er sich im Nachhinein immer wieder Fragen anhören, warum er im Finale als etatmäßiger Elfmeterschütze in der 85. Minute nicht antrat.

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„Ich hätte gerne geschossen, so wie im Viertelfinale und im Halbfinale. Aber mit den neuen Schuhen, die ich in der Halbzeit angezogen habe, fühlte ich mich nicht sicher“, erklärt Matthäus. „Für mich war es eine der besten und cleversten Entscheidungen, dass ich die Verantwortung an Andy Brehme weitergegeben habe. Ich habe mich nicht gedrückt.“ In der 35. Minute hatte Matthäus festgestellt, dass die Sohle seines Schuhs gebrochen war. „In der Halbzeitpause bin ich zu unserem Zeugwart gegangen, weil ich kein zweites Paar Schuhe dabeihatte. Der hat in seiner Kiste gekramt, aber nur eins in Größe 7,5 statt 7 gefunden.“ Anderes Modell, andere Größe, deshalb die Entscheidung. Sie war goldrichtig.

„Diese sechs Wochen möchte ich nicht missen. Es hat alles gepasst, Franz hat die richtige Balance gefunden“, sagt Matthäus. „Am Ende war ich ehrfürchtig, diesen Pokal entgegenzunehmen. Aber dann war es pure Freude und Bestätigung für ein tolles Turnier. Das war unser Sommermärchen.“

Rudi Völler: Mein Rom! Aber alle sprechen nur über die Spucke von Mailand

Auch für Rudi Völler (60). Und für den war die Nacht von Rom noch magischer als für seine Mitspieler. Seit 1987 stürmte er für AS Rom, gewann nun das Finale in seinem Stadion, feierte in seiner neuen Heimatstadt. Wo er frisch liiert war mit Sabrina, der er bis heute treu bleibt. „Weltmeister zu werden, in Rom, in meinem Stadion den Pokal in den Händen zu halten, das war für mich ein Traum“, betont Völler stets.

Doch wenn er auf den Triumph angesprochen wird, geht es trotz all dem fast nie um Rom – sondern eigentlich immer um Mailand. Stadion Giuseppe Meazza. Hier kam es im Achtelfinale gegen „Holland“ zum Skandal der WM. Frank Rijkaard (57) spuckte Völler in die Locken, zog ihn auch noch am Ohr.

Schiri Juan Carlos Loustau (72) zeigte Rot – stellte aber zum Entsetzen aller auch Völler vom Feld. Warum, weiß bis heute keiner. „Das war eine furchtbare Ungerechtigkeit. Wenn du etwas angestellt hast, okay. Aber da war von meiner Seite nichts, gar nichts“, sagt Völler. Auf dem Weg vom Spielfeld gab es eine zweite Spuckattacke durch Rijkaard, zu sehen im TV. Im Kabinengang sollen sogar die Fäuste geflogen sein.

Noch am Abend entschuldigte sich Rijkaard bei Völler. Völler ist nicht nachtragend: „Es ist halt passiert, fertig, vorbei.“ 1996 kam es zur werbeträchtigen Versöhnung.

Im weißen Bademantel saßen die Ex-Streithähne am reich gedeckten Tisch und lächelten für eine Molkerei in die Kamera. „Mit echter Butter bekommen sie jeden an die gemeinsame Tafel“, lautete der Slogan. Na dann: Alles in Butter…

Bodo Illgner: Drei italienische Jungs, drei Gurken-Mopeds und der Franz

Zu einer legendären WM gehört aus deutscher Sicht natürlich auch ein englisches Scheitern im Elfmeterschießen. 1990 wurde dieser Mythos im Halbfinale begründet. „Mein gehaltener Elfer gegen Stuart Pearce war natürlich einer meiner Höhepunkte im Turnier“, erinnert sich Bodo Illgner (53), der sich mit damals 23 Jahren als jüngster Weltmeister-Torwart in der Historie verewigte. Als Chris Waddle dann die Kugel in den Turiner Nachthimmel jagte, stand Deutschland im Finale.

Doch Illgner hat auch ganz private Erinnerungen an „eine Zeit mit toller Atmosphäre und einem ganz starken Führungsstil vom Franz“. Diesen erklärt er anhand „unserer kleinen Moped- Geschichte“. Und die ging so:

„Litti, Paul (Steiner/d.Red) und ich wollten mal raus aus dem Lager und etwas sehen. Vor dem Hotel trafen wir drei italienische Jungs mit ihren Mopeds. Sie wollten Autogramme, wir haben uns unterhalten und gesagt: Leiht uns mal eure Dinger da, dann fahren wir mal runter zum Comer See.“ Das FC-Trio bekam die Mopeds. „Aber das waren wirklich drei Gurken“, lacht Illgner. „Alles andere als im besten Zustand. Es hat alles gut geklappt, und wir sind heil wieder zurückgekommen.“

Natürlich bekam Beckenbauer Wind von der Geschichte. „Und was macht er?“, fragt Illgner: „Er hat dafür gesorgt, dass da plötzlich drei relativ neue Mopeds standen. Ich weiß bis heute nicht, wie der DFB das organisiert hat. Aber sie standen da, Litti und ich konnten dann mit unseren Frauen mal zum See fahren und Eis essen – und das etwas sicherer als vorher.“

Jürgen Kohler: Das war die beste WM aller Zeiten

Jürgen Kohler (54) war bis 1989 Illgners Mitspieler beim 1. FC Köln. Auch er schwärmt noch heute vom Turnier in Italien, wo er dann ab 1991 für Juventus spielte: „Das war eine geile Zeit! Ich glaube, das war die beste WM aller Zeiten – nicht weil wir Deutsche sie gewonnen haben, sondern wegen des ganzen Ambiente. Diese Herzlichkeit der Italiener. So viele Deutsche in Italien, am Ende spielten 15, 16 Deutsche in der Serie A, der damals besten Liga der Welt. Und wenn du nach Mailand gekommen bist, hast du sofort gespürt: Das ist eine Weltmetropole. Nur hübsche Menschen, auf der Tribüne saßen nur Top-Models. Der Titel hat das Ganze gekrönt, aber auch unabhängig davon bin ich glücklich, dass ich das miterleben durfte. Diese Erinnerungen sind nicht bezahlbar.“

Am Ende stand eine wilde Party-Nacht. „Die schönste Geschichte war für mich, als wir unseren Physio Adi Katzenmeier (†78) in voller Montur in den Pool geworfen haben“, erinnert sich Kohler. „Adi war ein toller Mensch, ein ganz honoriger Typ mit gutem Humor. Als er sagte, ich fahre nach Hause, haben die Jungs das natürlich nicht akzeptiert – Adi war dann patschnass.“

Pierre Littbarski sorgte für den Weltmeister-Sound und nasse Betten

Auch Pierre Littbarski (60) – der nicht nur auf dem Platz, sondern auch als Kabinen-DJ eine tragende Rolle spielte – erinnert sich an ein rauschendes und nasses Fest: „Wir haben mein Tape gehört und die ganze Nacht getanzt, gesungen und gebrüllt. Wir waren gar nicht im Bett. Morgens bin ich dann ins Zimmer von Thomas Berthold und Uwe Bein und habe die Jungs mit einem Eimer Wasser geweckt. Die haben sich tatsächlich erdreistet zu schlafen. Ich werde diese Nacht nie vergessen.“

Der Weg ins Finale

Die DFB-Elf startete in der Gruppe D mit einem 4:1 gegen Jugoslawien ins Turnier. Anschließend wurden die Vereinigten Arabischen Emirate mit 5:1 abgefertigt. Ein 1:1 gegen Kolumbien brachte den Gruppensieg. Im legendären Achtelfinale wurden die Niederlande um „Spuck-Sünder“ Frank Rijkaard 2:1 bezwungen, im Viertelfinale die Tschechoslowakei mit 1:0. Nach einem 5:4 nach Elfmeterschießen im Halbfinale gegen England stand Deutschland schließlich im Endspiel von Rom.

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Der deutsche Weltmeister-Kader

Tor: Bodo Illgner (1. FC Köln), Raimond Aumann (Bayern München), Andreas Köpke (1. FC Nürnberg)

Abwehr: Klaus Augenthaler (Bayern München), Thomas Berthold (AS Rom), Andreas Brehme (Inter Mailand), Guido Buchwald (VfB Stuttgart), Jürgen Kohler (Bayern München), Hans Pflügler (Bayern München), Stefan Reuter (Bayern München), Paul Steiner (1. FC Köln)

Mittelfeld: Uwe Bein (Eintracht Frankfurt), Thomas Häßler (Juventus Turin), Günter Hermann (Werder Bremen), Pierre Littbarski (1. FC Köln), Lothar Matthäus (Inter Mailand), Andreas Möller (Eintracht Frankfurt), Olaf Thon (Bayern München)

Sturm: Jürgen Klinsmann (Inter Mailand), Frank Mill (Borussia Dortmund), Karl-Heinz Riedle (Lazio Rom), Rudi Völler (AS Rom)

Trainer: Franz Beckenbauer; Co-Trainer: Holger Osieck; Torwart-Trainer: Sepp Maier.