Viktoria-Trainer Dotchev im Interview„Risse führt unsere Mannschaft schon jetzt“

Dotchev Freude

Pavel Dotchev will mit Viktoria Köln den nächsten Schritt machen. Er glaubt daran, dass seine Mannschaft in der neuen Saison eine gute Rolle spielen wird.

von Eric Karteusch (kart)

Köln – Viktoria Köln-Trainer Pavel Dotchev (54) ist mit 248 Spielen der erfahrenste Trainer der 3. Liga. Eine Spielzeit wie die vergangene war aber auch für ihn noch einmal eine besondere Situation. Im EXPRESS-Interview spricht er über die letzte Saison, Corona, den aktuellen Stand der Vorbereitung auf die kommende Spielzeit, weitere mögliche Neuzugänge und die bereits getätigten Transfers.

Wo steht die Viktoria eine Woche vor dem Start?

Stand heute sind wir noch nicht bei 100 Prozent. Wir haben im Kopf immer nur das erste Spiel. Das bedeutet, dass die Spieler noch nicht heute oder morgen auf dem Top-Level sein müssen. Wir werden vor der Meisterschaft noch an einigen Schrauben drehen müssen. Genau meine ich damit die Schnelligkeit und das taktische Verhalten als Verbund und auch individuell.

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Sie haben in der Vorbereitung auch schon einige Testspiele absolviert. Wie zufrieden sind Sie mit diesen bisher?

Bisher ist es sehr gut gelaufen. In den Testspielen spielen wir aber auch nicht ergebnisorientiert. Mein Ziel war es, allen Spielern möglichst viel Spielzeit zu geben. Oft war es so, dass die Mannschaft ein wenig zusammengeworfen wurde. Jetzt fangen wir an, an Details zu arbeiten.

Sehen wir am 12. September im letzten Testspiel gegen Ligakonkurrent Uerdingen dann schon die Mannschaft für das erste Saisonspiel?

Es ist für uns ein Spiel, in dem wir sehen wollen, was so bleiben kann und was wir unter Vorbehalt verändern müssen. Am Anfang der Saison werden auch einige schwierige Entscheidungen dabei sein, bis sich die Mannschaft gefunden hat. Wir haben einen sehr ausgeglichenen Kader und das wird für den einen oder anderen Spieler dann sehr hart am Anfang werden. Unser Ziel war es, dass wir von Anfang an auf jeder Position top und doppelt besetzt sein wollen, um konkurrenzfähig zu sein. In der letzten Saison war schon zu sehen, wie wichtig es ist, eine gewisse Breite zu haben und die haben wir momentan. Wir haben sechs englische Wochen und auch einige Pokalspiele, also werden wir alle Mann brauchen.

Eines der neuen Gesichter der Viktoria ist Marcel Risse. Wie hat er sich bisher eingelebt?

Für mich ist Marcel nicht nur ein guter Spieler, sondern auch ein Sympathieträger – eine Persönlichkeit. Er führt die Mannschaft nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Ich bin wirklich sehr froh, dass wir ihn bei uns haben. Momentan muss aber auch gesagt werden, dass wir keine Wunder von ihm erwarten können. Er braucht noch Zeit und muss wieder mehr Vertrauen in seinen Körper kriegen. Das sind Sachen, die gehen nicht von heute auf morgen. Bisher bin ich aber sehr zufrieden, wie er sich in der Gruppe verhält. Ich bin mir sicher, dass er für uns ein absoluter Leistungsträger wird, wie es auch Mike Wunderlich oder Albert Bunjaku sind.

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Viktoria Kölns Neuzugang Marcel Risse (l.) im Gespräch mit dem Sportlichen Leiter Marcus Steegmann.

Wunderlich, Bunjaku und Risse sind alle über 30 Jahre alt. Sprechen Sie von der Erfahrung der drei Spieler, wenn sie diese als Führungspersonen miteinander vergleichen?

Wir haben auch viele jüngere Spieler mit Eigenschaften zur Führung. Die Persönlichkeit hat nichts mit dem Alter zu tun. Wir haben zum Beispiel einen Alexander Höck in der Verteidigung, der erst 18 Jahre alt ist. Er hat eine tolle Persönlichkeit und ist ein hervorragender Fußballer, der sich leider mit einem Kreuzbandriss schwer verletzt hat. Das ist für uns in der Vorbereitung eine bittere Pille, weil er für uns auch ein wichtiger Spieler war. Es geht nicht nur um die Erfahrung, sondern generell um die Persönlichkeit.

Wie ist Ihre Meinung zu den anderen Neuzugängen der Viktoria?

Jeremias Lorch ist leider auch ausgefallen. Er hat sich das Innenband angerissen. Er wird damit für drei bis vier Wochen ausfallen. Jeremias hatte sich bis dato hervorragend präsentiert. Er ist eine gute Ergänzung für uns. Wir haben auch noch Klingenburg und Rossmann für die Defensive. Bei diesen beiden Spielern muss ich leider sagen, dass sie aufgrund ihrer Vorgeschichte Defizite haben. Rossmann hat sein letztes offizielles Meisterschaftsspiel im März absolviert und jetzt haben wir September. Er braucht also auch noch Zeit, um seinen Spielrhythmus zu bekommen. Bei den beiden wird es noch ein bisschen dauern, bis die Mechanismen greifen. Wir haben neun neue Spieler und vielleicht kommen noch zwei weitere mit dazu. Wir können in einem Monat nicht alles unter einen Hut kriegen. Wir werden Zeit brauchen, um als Mannschaft zu wachsen. Das meine ich nicht nur fußballerisch, sondern auch als Einheit.

Also sind Sie noch auf dem Transfermarkt aktiv?

Ja, es ist möglich, dass noch ein Spieler kommen kann. Wir haben nichts zwangsläufig, aber wir sind immer vorbereitet und haben die Antenne oben und gucken, was der Markt anbietet. Wir brauchen aber auf jeden Fall noch einen U23-Torhüter. Durch den Ausfall von Alexander Höck werden wir noch einen weiteren U23-Spieler holen, da auch Verteidiger Dario De Vita ausgefallen ist. Alleine um die Regeln des DFB zu erfüllen, werden wir noch mindestens zwei Spieler unter 23 Jahren verpflichten. Ob es noch weitere Leistungsträger gibt, die zu uns kommen, kann ich jetzt noch nicht sagen, aber das Ziel liegt gerade bei U23-Spielern.

Das Auftaktprogramm lautet Mannheim, Wiesbaden und Magdeburg. Was ist Ihre Meinung zu den ersten Spielen?

Es ist ein schwieriger Auftakt. Aber es sind nicht nur die ersten Spiele – die komplette Saison wird hart. Ich kann keinen Gegner aussuchen und sagen, dass wir gegen die sicher gewinnen. Es gibt in der Liga keinen Favoriten. Letzte Saison hat bereits gezeigt, dass jeder jeden schlagen kann und das ist jetzt wieder der Fall. Es ist eigentlich nicht entscheidend, wie die Gegner heißen, sondern, welche Leistung auf dem Platz gebracht wird. Zu Beginn haben wir ein Auswärtsspiel, dann Zweitliga-Absteiger Wiesbaden. Es gibt in der 3. Liga keine Favoriten und keine Außenseiter.

Neulich haben Sie in einer Umfrage aber noch Ingolstadt, Magdeburg und Hansa Rostock als Favoriten für den Aufstieg gewählt.

Ich durfte nur drei Mannschaften nennen, sonst hätte ich bestimmt noch fünf bis sechs andere genannt. Duisburg sehe ich auch weit oben. Letzte Saison hätten zehn Mannschaften aufsteigen und genauso viele absteigen können. Ich glaube, dass es mehr als genug Mannschaften gibt, die das Potenzial dazu haben aufzusteigen. Rostock hat lange um den Aufstieg gekämpft, Ingolstadt ist erst in der Relegation gescheitert. Um noch einen anderen Verein zu nennen: Dynamo Dresden hat sich fast die komplette Liga eingekauft und ich kann mir kaum vorstellen, dass Dresden andere Ambitionen hat, als den direkten Wiederaufstieg. Dazu haben sie noch die Fans im Hintergrund. In der Corona-Krise profitieren sie davon zwar nicht so sehr wie sonst, aber die haben so viel Wucht – die ganze Region steht hinter Dynamo. Bei Hansa ist es noch extremer. In ganz Mecklenburg-Vorpommern gibt es nichts anderes außer Hansa Rostock. Die beiden Vereine gehören normalerweise in die 2. Bundesliga.

Wo sehen Sie denn die Viktoria zur kommenden Saison?

Wir haben letzte Saison erfolgreich gespielt. Am Ende sind wir 12. geworden. Magdeburg war zum Beispiel hinter uns. Wir haben genug Vereine hinter uns gelassen. Diese Saison wollen wir aber den nächsten Schritt machen und uns weiter verbessern. Wir werden eine gute Rolle in der Liga spielen. Aber gute Spieler alleine bedeuten nicht, dass wir auch eine gute Mannschaft haben. Wir müssen gucken, wie die Mannschaft sich findet und da kann ich heute noch keine Prognose zu abgeben. Ich muss selbst erst sehen, wie die Mannschaft startet, wie sie mit Erfolgen umgeht, wie sie mit Druck umgeht. Für mich als Trainer ist es wichtig, eine Siegermentalität zu entwickeln und dann kann ich sehen, in welche Richtung es geht.

Sie haben in der vergangenen Saison sehr gerne vom Corona-Cup gesprochen, wenn sie über den engen Zeitplan geredet haben. Passt der Name auch zur kommenden Spielzeit oder ist die Situation nicht mehr ganz vergleichbar?

Nein, es ist nicht mehr vergleichbar. Die Formulierung war damals für mich und meine Mannschaft gedacht. Wir hatten in 30 Tagen elf Spiele. Für mich war es wichtig, dass die Mannschaft ein Ziel vor Augen hat. Es war dann der Corona-Cup – es war wie eine Meisterschaft, wie ein Turnier. Das Ziel war es, dieses Turnier zu gewinnen. Entscheidend war dafür die Belastungssteuerung. Innerhalb von kürzester Zeit mussten alle an einem Strang ziehen und ein Ziel verfolgen. Die Mannschaft sollte dadurch gepusht werden, aber jetzt ist es anders. Wir fangen wieder bei null an. Diese Meisterschaft ist für mich eher ein Marathonlauf. Wir werden gute und schlechte Phasen haben, aber bei diesem Corona-Cup konnten wir nicht korrigieren, wir hatten keine Zeit dafür. Wir hatten mehr Spiele als Trainingseinheiten. In diesem langen Marathon wird die Mannschaft oben bleiben, die auf lange Zeit konstant ist.

Sie waren bestimmt auch erleichtert, als die Saison erfolgreich beendet wurde.

Natürlich, das können Sie mir glauben. Ich war unfassbar erleichtert und glücklich, als wir es am Ende souverän geschafft haben. Obendrauf kam noch das Spiel gegen Würzburg, das wir mit 5:1 gewonnen haben. Es war einfach sensationell, wie seriös sich die Mannschaft präsentiert hat. Wir haben trotz Klassenerhalt nicht gefeiert, sondern bis zum Ende durchgezogen. Dafür möchte ich der Mannschaft auch noch einmal meinen Respekt aussprechen.

In den Spielen nach der Corona-Pause durften keine Fans ins Stadion. Wie ist Ihre Meinung zum Thema Fan-Rückkehr?

Fußball ohne Fans ist wie Suppe ohne Salz. Fußballer leben von den Fans. Wir brauchen die Dynamik, die durch die Fans entsteht. Ich hoffe, dass wir bald wieder mit Zuschauern spielen können. Es gibt aber auch Sachen, die ich nicht nachvollziehen kann. Wir spielen unter strengen Hygieneregeln, wir werden getestet, was auch gut und richtig ist. Aber wenn ich sehe, dass im Park tausende Menschen Partys feiern oder in Berlin zu Demos gehen, kann ich es nicht nachvollziehen, dass ins Stadion kein einziger Mensch rein darf. Das ist etwas, was ich einfach unlogisch finde.

Hatten Sie selbst auch zu einem Zeitpunkt Angst sich mit Covid-19 zu infizieren?

Angst hatte ich keine, aber sehr großen Respekt. Es geht nicht nur um einen selbst, sondern man muss auch in Bezug auf andere achtsam sein. Deswegen war es mir auch so wichtig, dass sich meine Spieler an die Hygieneregeln halten. Wir müssen es uns selbst vorleben. Wir waren im Gegensatz zu allen anderen Menschen aber auch isoliert. Es gab immer nur Stadion und Training.

In der Corona-Krise ist auch wieder die Spanne zwischen den reicheren und ärmeren Vereinen deutlich geworden. Diese Spanne gibt es natürlich auch in der 3. Liga. Sehen Sie in dieser Spanne eine Gefahr für die 3. Liga?

Nein, das sehe ich nicht so. Mittlerweile geben die Vereine in der Liga nicht mehr so kopflos Geld aus. Jetzt fangen die Vereine an nachzudenken, was vorher nicht immer der Fall war. Es wurde unheimlich viel Geld investiert, um die 3. Liga verlassen zu können. Ich denke, dass die Situation jetzt eher so ist, dass die Vereine normaler und gesünder wirtschaften.