„An eigene Nase fassen“Timo Werner will nicht mehr länger Chancentod sein

Löw-Werner

Bundestrainer Joachim Löw will seinem Stürmer Timo Werner auch wieder neues Selbstvertrauen vermitteln.

von Marcel Schwamborn (msw)

Seefeld – Timo Werner (25) hat bewegte Wochen hinter sich. Mit dem FC Chelsea holte er den Champions-League-Pokal. Im Trikot der Nationalmannschaft vergab er gegen Nordmazedonien eine Mega-Chance und wurde als Chancentod verspottet. Wie der Stürmer mit diesen Situationen umgeht, verriet er im EXPRESS-Interview am 6. Juni.

Haben Sie noch genug Energie für eine möglichst lange EM in diesem Sommer?

Mein erstes Jahr bei Chelsea hat sehr, sehr gut begonnen, dazwischen war sehr schleppend. Mit dem Champions-League-Erfolg in der Tasche kann es einem nun natürlich nicht schlecht gehen. Wir hatten eine lange Saison, um die 60 Spiele habe ich gemacht, das war hinten raus schon zäh. Dass wir eine Woche später erst ins Trainingslager eingestiegen sind, hat uns vielleicht ein wenig zurückgeworfen. Aber die Trainer sind bemüht, uns langsam wieder aufzubauen, damit wir topfit für die ersten EM-Spiele sind.

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Müller-Werner

Timo Werner umdribbelt im Training Thomas Müller.

Viele Verantwortliche kritisieren die immer größere Belastung der Spieler, die immer mehr werdenden Begegnungen. Wie sehen Sie das als Betroffener?

Die Spiele werden immer intensiver, sind viel körperlicher, gerade in der Premier League. Der Fußball wird immer schneller, man muss immer wachsam sein. Ich habe vor zwei Jahren rund 40 Spiele in einem Jahr bestritten, jetzt sind es noch mal 20 mehr. Das zehrt an den Kräften. Ich würde es mir aber zu leicht machen, wenn ich es darauf schiebe, wenn ich die Torchancen vergebe. Ich muss mich an die eigene Nase fassen, um das besser zu machen. Aber natürlich gebe ich vielen Leuten Recht, dass es langsam zu viel wird mit den Spielen.

Sie sprechen es an: Wie sehr hat Sie beispielsweise die vergebene Chance gegen Nordmazedonien geärgert?

Man muss sich damit beschäftigen. Das kann ich nicht von der Hand weisen, das war eine Riesen-Chance. Ich glaube aber, dass diese Saison insgesamt für mich etwas unglücklich war. Es sind viele Sachen zusammengekommen. Natürlich hätte ich viele Chancen reinmachen müssen, auch bei Chelsea. Ich hatte auch dort nicht so die Kaltschnäuzigkeit wie in den Jahren davor. Da muss ich ehrlich sein. Dazu kamen noch ein paar unglückliche Schiedsrichter- oder VAR-Entscheidungen, die das Selbstvertrauen schwächer haben werden lassen. Vielleicht denke ich daher vor dem Tor zu viel nach.

Timo Werner: Als Stürmer darf man vor dem Tor nicht nachdenken

Wie soll das Selbstvertrauen vor dem Tor zurückkommen?

Als Stürmer ist es nicht gut, wenn man zu viel denkt vor dem Tor, dann ist das kontraproduktiv. Ich muss wieder dahin kommen zu sagen: Dein Instinkt hat dich dahin gebracht, Nationalspieler zu sein, dass du bei Chelsea spielen darfst, dass du Champions-League-Sieger geworden bist. Der Instinkt wird mich vor dem Tor nicht im Stich lassen. Der erste Ansatz ist daher, nicht so viel nachzudenken vor dem Tor.

Und wie gehen Sie mit der Häme und der Kritik um?

In den letzten Jahren ist schon so viel auf mich eingeprasselt, dass ich schon sehr gut gelernt habe, mit so etwas umzugehen. Mit eigenen Fehlern oder Versäumnissen kann ich gut umgehen. Wenn man sich zu sehr verrückt machen lässt, dann verkrampft man zu sehr und kommt immer öfter in solche Situationen, in denen man die Chancen vergibt, wie es bei mir in dieser Saison ein wenig der Fall war. Ich muss die Lockerheit behalten.