Luca Waldschmidt im InterviewMeine Probleme mit Streich, meine Stärken für Löw

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Luca Waldschmidt feiert sein Tor gegen Tschechien mit Philipp Max.

Leipzig – Seine ersten Gehversuche in der deutschen Nationalmannschaft endeten schmerzhaft. Am 16. November 2019 krachte Luca Waldschmidt (24) kurz nach seiner Einwechslung in Mönchengladbach böse mit Belarus-Torhüter Aleksandr Gutor (31) zusammen. Neben einer Mittelgesichtsfraktur zog sich der Stürmer auch einen Außenbandriss im rechten Knie und einen Muskelfaserriss in der Wadenmuskulatur zu. Auch das Innenband und die vordere Syndesmose im Sprunggelenk waren angerissen. Ein „Totalschaden“ – im erst dritten Länderspiel.

Luca Waldschmidt: Horror-Verletzung im dritten Länderspiel

Doch Waldschmidt hat den Rückschlag gut verdaut. Gegen Tschechien erzielte er schon seinen zweiten Treffer im fünften Länderspiel. „Luca hat eine große Torgefahr, eine klasse Technik im Abschluss. Er hat klar einen Schritt nach vorne gemacht bei uns“, sagte Joachim Löw (60), der den Angreifer schätzt. Denn im Gegensatz zu Timo Werner (24), Serge Gnabry (25), Leroy Sané (24), Marco Reus (31), Kai Havertz (21), Julian Draxler (27) oder Julian Brandt (24) ist Waldschmidt ein klassischer Strafraumstürmer. Das macht ihn für die DFB-Elf interessant.

Luca Waldschmidts Ausstiegsklausel beträgt 88 Millionen

Für 15 Millionen Euro wechselte der gebürtige Siegener im Sommer vom SC Freiburg zu Benfica Lissabon. Die Portugiesen gaben ihm die Rückennummer 10 und einen Vertrag bis 2025. Der beinhaltet eine stolze Klausel: Wer Waldschmidt haben will, muss 88 Millionen Euro Ablöse zahlen. Der Start lief gut im neuen Land. Nach zehn Pflichtspielen hat der Linksfuß bereits fünf Treffer und drei Assists auf dem Konto. EXPRESS sprach mit Waldschmidt über sein neues Leben.

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Fühlen Sie sich schon angekommen in Lissabon?

Mir gefällt’s in Lissabon wirklich gut, trotz der ganzen Einschränkungen durch Corona. Sportlich bin ich direkt erfolgreich reingekommen. Von daher passt alles. Es ist ein neues Land, eine neue Sprache, die ist nicht ganz so einfach. Ich versuche gerade die Sprache zu lernen. Die Aussprache ist nicht ganz so einfach. Da muss ich schon manchmal schlucken, weil ich nicht so ganz weiß, wie man was sagt. Verstehen wird immer besser, beim Sprechen hapert es noch etwas.

Wer hilft Ihnen denn bei der Integration?

Mit meinen Mitspielern Julian Weigl, Odysseas Vlachodimos und Haris Seferovic kann ich mich auf Deutsch unterhalten. Das macht‘s auf jeden Fall einfacher.

Waldschmidt_Lüttich

Auch im Trikot von Benfica Lissabon läuft es für Luca Waldschmidt, wie hier beim Europa-League-Spiel gegen Standard Lüttich.

Liegt das Leben in Lissabon denn durch Corona sehr lahm?

Es ist ähnlich wie in Deutschland. Ich bin aber nicht jeden Tag in der Stadt, daher bekomme ich von den Einschränkungen nicht so viel mit. Das wichtigste ist, dass sportlich alles gut ist. Ich wünsche mir natürlich, dass bei Benfica wieder das Stadion voll wäre. Das muss eine überragende Atmosphäre sein.

Ein Wechsel aus der Bundesliga in die portugiesische Liga ist für viele verwunderlich. Was entgegnen Sie den Zweiflern?

Benfica ist ein Schritt nach vorne für mich – und nicht einer zurück. Ich habe diese Entscheidung bewusst getroffen. Wir haben die klaren Ambitionen, um Titel zu spielen. Wir spielen europäisch und ich kann mich international zeigen. Das war mir wichtig. Außerdem war der Schritt ins Ausland auch für meine Persönlichkeit wichtig. Ich kann mich hier in einem neuen Land entwickeln. Das alles ist auf keinen Fall ein Rückschritt für mich – im Gegenteil.

Sie sind als Profi des SC Freiburg Nationalspieler geworden. Haben Sie das Ihrem früheren Trainer Christian Streich zu verdanken?

Die zwei Jahre in Freiburg waren schon sehr wichtig für mich. Ich konnte regelmäßig in der Bundesliga spielen. Es war aber nicht immer einfach. Der Trainer und ich waren nicht immer der gleichen Meinung, ich saß ja auch ab und zu auf der Bank. Da musste ich mich immer wieder herankämpfen, weil ihm Sachen an mir nicht so gepasst haben. Er hat sich aber mit mir beschäftigt und mir das Gefühl gegeben, dass er mich weiterbringen will.

Was genau hat Streich an Ihnen kritisiert?

Das defensive Arbeiten war ihm wichtig. Er meinte, dass ich als Stürmer besser verteidigen müsste. Ich habe eher den offensiven Gedanken in mir. Das musste ich lernen und ein Stück weit umdenken.

Joachim Löw schätzt hingegen vor allem Ihre Qualität als „Neuner“ im Strafraum. Was können Sie der Nationalmannschaft geben?

Ich bin stolz, für Deutschland spielen zu können und will immer zeigen, dass ich da bin und helfen kann. Die Spiele sind da, um sich anzubieten. Ich will meine Qualitäten in die Mannschaft einbringen. Wir haben offensiv viele gute Spieler im Kader, die alle ihre Akzente setzen können. Die Spieler, die dann am besten zum Gegner passen und am besten harmonieren, sollen dann natürlich spielen. Ich bin da, wenn man mich braucht.

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Joachim Löw tröstete Luca Waldschmidt nach dessen schwerer Verletzung im Spiel gegen Belarus in Mönchengladbach im November 2019.

Rechnen Sie mit einem Platz im EM-Kader 2021?

Ich kann helfen, wenn ich meine Stärken einbringe. Natürlich ist es mein Ziel, bei der EM dabei zu sein. Wir haben allerdings viele offensive Spieler dabei.

Was sagen Sie zu den Diskussionen über den aktuellen Stellenwert der Nationalmannschaft?

Natürlich nehmen auch wir die Stimmung von außen wahr. Es kam zuletzt viel Kritik auf. Oliver Bierhoff hat es aber, wie ich finde, richtig formuliert. Wir befinden uns in einem Umbruch und haben viele neue Spieler. Wir geben jedenfalls alles. Wir sind positiv gestimmt und hoffen, dass wir mit guten Leistungen die Menschen in unserem Land auch wieder mitreißen können. Es bringt nur was, wenn wir alle zusammen an einem Strang ziehen und offen für Neues sind. Wir müssen uns gegenseitig helfen.