Fußballhistorie im UnterrichtSchulen nehmen Vertuschung von Stadion-Katastrophe in Lehrplan auf

Im englischen Liverpool wird das Thema Fußball künftig nicht nur eine praktisch ausgeübte Sportart im Sportunterricht sein, sondern ebenfalls Teil des gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichts.

von Julian Meiser (jm)

Für Schülerinnen und Schüler rund um den Globus ist Fußballspielen nicht nur eine hervorragende Pausenbeschäftigung, sondern vielerorts auch Teil des Sportunterrichts. Dass jedoch auch über die Fußballhistorie im Unterricht gesprochen wird, ist hingegen eher ungewöhnlich. In England soll ein bestimmtes fußballhistorisches Ereignis nun allerdings Einzug in den Lehrplan erhalten.

Denn wie das Liverpooler Radio „CapitalFM“ berichtet, wird im Lehrplan des Großraums Liverpool die unterrichtliche Auseinandersetzung mit der englischen Fußballhistorie verankert. Dabei soll es allerdings nicht um den spektakulären Sieg des lokalen FC Liverpool gegen die AC Mailand im Champions-League-Finale 2005 gehen, sondern um die Hillsborough-Katastrophe und die daraus entstandenen Konsequenzen.

Das ereignete sich wirklich bei der Hillsborough-Katastrophe

Die Katastrophe ereignete sich im Jahr 1989 im Hillsborough-Stadion im englischen Sheffield, wo am 15. April der FC Liverpool im Halbfinale des FA Cups auf Nottingham Forest traf: Bei einer Massenpanik wurden Hunderte Zuschauer auf den Unterrängen der überfüllten Tribünen verletzt, 96 Menschen starben. Eine weitere Person erlag im Juli 2021 den Folgen ihrer damals erlittenen Verletzungen. Bis heute gedenken die Liverpool-Fans regelmäßig der Opfer des Unglücks.

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Geplant werde in den Schulen ein jährlicher Tag des Gedenkens. Außerdem heißt es, der Unterricht solle sich mit der anschließenden Vertuschung der wahren Ereignisse an diesem Tag und dem langen Kampf für Gerechtigkeit durch die Familien der 97 verstorbenen Liverpool-Fans befassen.

Bei der Aufarbeitung des schrecklichen Dramas wurde zunächst vermutet, dass das Fehlverhalten von Fans und Hooligans dazu geführt habe, dass die Massenpanik auf der Tribüne ausgebrochen wäre. Spätestens 2016 wurde aber klar: Die Panik entstand aufgrund eines Versagens der Polizeikräfte, die einen überfüllten Block im Stadion nicht bemerkt und dennoch ein zusätzliches Einlasstor geöffnet hatten, um das Gedränge vor den Stadiontoren zu entlasten. Das gab der damalige Einsatzleiter der Polizei David Duckenfield zu. 

Dennoch wurden die Zuschauerinnen und Zuschauer des englischen Fußballs in den Jahrzehnten danach kollektiv für die Fehlentscheidungen der Polizei bestraft.

Die Folgen der Hillsborough-Katastrophe

Direkt nach dem Drama wurde eine Analyse der Stadionsicherheit durchgeführt, die das Stadionerlebnis in England nachhaltig verändern sollte. Der als „Taylor Report“ bekannte Bericht empfahl nämlich den Schritt, die Stehplatztribünen abzuschaffen und diese in reine Sitzplatzbereiche umzuwandeln. Hinzu kam die Forderung einer Beschränkung des Alkoholausschanks, einer Personalisierung der Tickets für Gästefans sowie einer Erhöhung der Eintrittpreise.

Die britische Regierung kam diesen Vorschlägen nach und beschloss dementsprechend eine konsequente Beseitigung der Stehplätze und der Zäune aus den Fußballstadien. Erst im Januar 2022, also 30 Jahre nach der Katastrophe, wurde in der englischen Premier League ein Pilot-Projekt gestartet, das einigen Vereinen erlaubt, Stehplätze im Stadion anzubieten. Im Stadion des schottischen Erstligisten Celtic Glasgow sind bereits seit der Saison 2016/2017 wieder Stehplätze erlaubt.