King KloppEin deutscher Glücklichmacher ist stärker als englische Corona-Angst

Klopp Header Kommentar

Jürgen Klopp umarmt seinen Torwart Alisson nach dem 4:0-Sieg des FC Liverpool gegen Crystal Palace.

von Arno Schmitz (schmi)

Köln – Jürgen Klopp (53) schreibt Fußballgeschichte. Nach 30 Jahren Wartezeit gewinnt der FC Liverpool mit dem deutschen Teammanager die 19. Meisterschaft der Vereinsgeschichte. In der englischen Hafenstadt reißen alle (Corona-)Dämme (hier lesen Sie mehr). Ein Kommentar.

Sie haben nicht auf ihn gehört!

„Ich hoffe, dass ihr zu Hause bleibt. Geht vor euer Haus und feiert, wenn ihr wollt, aber mehr nicht“, sagte Jürgen Klopp unter Freudentränen in seine Laptop-Kamera. Möglicherweise hat er das durchaus ernst gemeint in Corona-Zeiten. Aber wirklich daran geglaubt haben kann er nicht.

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Tausende Fans gingen vor ihre Häuser, aber sie zogen natürlich weiter. Nach Anfield. Vor ihr eigentliches Wohnzimmer, die legendäre Tribüne „The Kop“. Dort zündeten die Anhänger der „Reds“ ein feuerrotes Pyro-Spektakel in den Liverpooler Nachthimmel.

Jürgen Klopp lebt den FC Liverpool

Dass dies passieren würde, wusste auch Klopp. Schließlich lebt er diesen Klub, wie man ihn leben muss, wenn man mit ihm erfolgreich sein will.

So wie ihn einst Bill Shankly (†68/1981) lebte. Der Trainer führte den Klub 1962 in die First Division, holte schon zwei Jahre später den ersten von insgesamt drei Meister-Titeln, gewann zweimal den FA-Cup und einmal den UEFA-Pokal. Wer von Shankly nie gehört hat, kennt vielleicht trotzdem sein berühmtestes Zitat: „Es gibt Leute, die denken, Fußball sei eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist.“

Eine lebensgroße Bronzestatue Shanklys steht vor „The Kop“. Die Inschrift lautet: „He made the people happy“ (Er machte die Menschen glücklich). Sollten sie Klopps Statue daneben stellen, könnten sie draufschreiben: „He made the people happy again“.

Schotten und Deutsche machen Liverpool happy

Shankly war übrigens Schotte. Nun also Klopp – der deutsche Glücklichmacher in England. Torwart Bert Trautmann (†89/2013) war der erste Deutsche, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Insel beweisen durfte. Als er 1949 einen Vertrag bei Manchester City unterschrieb, demonstrierten 20.000 Engländer gegen „Traut The Kraut“. Trautmann überzeugte mit Leistung und Haltung. „Trautmanns Weg. Vom Hitlerjungen zur englischen Fußball-Legende“, heißt eines der Bücher über das bewegte Leben des Goalies.

Klopp musste keine Widerstände bekämpfen. „The Normal One“ wurde vor viereinhalb Jahren mit offenen Armen empfangen, sie liebten ihn von Beginn an. „Trust in Klopp“ (Vertrauen in Klopp), lautete das Motto. Doch Klopp musste ein Trauma besiegen – 30 Jahre ohne Meisterschaft. Drei Dekaden, in denen der „Erzfeind“ Manchester United 13 Titel holte und die „Reds“ als Rekordmeister ablöste.

Nun ist das Werk, ein Jahr nach dem Triumph in der Champions League, vollbracht. „Es ist einfach für mich das Team zu motivieren aufgrund unserer großartigen Historie“, fand Klopp auch im größten Moment die richtigen Worte.

Der FC Liverpool zwischen Triumph und Tragik

Eine Historie zwischen Triumph und Tragik. FC Liverpool, das ist – in Nicht-Corona-Zeiten – Fußball-Spektakel mit Atmosphäre und einem unvergleichlichen Beat auf der Tribüne. Das ist aber auch Heysel 1985 mit 39 toten Juventus-Fans bei der Massenpanik in Brüssel. Und das ist Hillsborough 1989 mit 96 toten Anhängern des LFC in Folge von schweren Fehlern von Polizei und Ordnungskräften bei der Katastrophe in Sheffield.

2020 geht als Jahr der Freude in diese Historie. Trotz Corona. Und das ist das Werk des deutschen Glücklichmachers. Den sie lieben. Auf den sie im Moment des größten Glücks nicht gehört haben. Doch wer will ihnen das verübeln?

Bill Shanklys Asche wurde übrigens nach seinem Tod auf dem Rasen von Anfield verstreut. Aber so weit wollen wir hier nicht gehen. Jürgen Klopp ist 53. Und möchte wohl noch etwas länger Menschen glücklich machen.