Löw wehrt sich gegen KritikPolitiker greifen DFB für Spiel-Austragung an

Löw-Ukraine-Schal

Joachim Löw musste sich kritischen Fragen zur Durchführung des Länderspiels stellen. 

Leipzig – Erst vier Stunden vor dem Anstoß fiel am Samstag die Entscheidung, dass das Nations-League-Duell zwischen Deutschland und der Ukraine doch wie geplant über die Bühne gehen kann.

Trotz fünf positiver Corona-Tests bei Spielern und Betreuern der Gäste bestand die UEFA auf einer Durchführung der Partie.

Karl Lauterbach: „Ein völlig falsches Beispiel in der derzeitigen Pandemie“

Gegen diese Entscheidung regte sich heftige Kritik. Zunächst wurden der DFB und die Nationalmannschaft vor allem in den sozialen Medien massiv angegriffen. Am Sonntag meldete sich auch die Politik zu Wort.

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„Ich halte die Entscheidung, das Spiel gegen die Ukraine stattfinden zu lassen, für mindestens problematisch“, sagte die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (67). Auch ihr SPD-Parteikollege, der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (57), kritisierte das Spiel als „ein völlig falsches Beispiel im Rahmen der derzeitigen Pandemie-Bekämpfung“.

Dagmar Freitag: Der UEFA geht es um die TV-Verträge

„Ganz offensichtlich zieht die UEFA ihr erklärtes Ziel, alle Spiele austragen zu lassen, wenn wenigstens zwölf Feldspieler sowie ein Torwart zur Verfügung stehen, durch. Die Reißleine müssen andere ziehen. Und dass man auch anders entscheiden kann, hat Norwegen gezeigt“, sagte Freitag. Die norwegische Regierung hatte nach einem Coronafall ein Ausreiseverbot verhängt, das Spiel in Rumänien wurde abgesagt.

Für Freitag liege es auf der Hand, „dass es der UEFA vor allem um die Erfüllung der höchst lukrativen TV-Verträge geht“. Die Gesundheit der Spieler dürften bei den Verantwortlichen der UEFA eher eine nachrangige Rolle spielen, so Freitag: „Während Dienst- und Urlaubsreisen praktisch auf null sinken, reisen die Nationalmannschaften weiter durch Europa. Ohne zu wissen, welche Folgen das Spiel gegen die Ukraine aufgrund der mehrtägigen Inkubationszeit möglicherweise hat.“

Nationalmannschaft gewinnt TV-Duell gegen Supertalent deutlich

Immerhin zeigte sich, dass das Interesse vorhanden ist. 8,16 Millionen Zuschauer schalteten die ZDF-Übertragung ein. Das im Vorfeld diskutierte Quotenduell mit der RTL-Supertalent-Show (2,6 Millionen) ging also klar an die DFB-Elf.

Trotzdem war auch im Nachgang des deutschen Spiels die Debatte um die Durchführung das bestimmende Thema. EXPRESS fragte Joachim Löw (60), ob er denn Verständnis für die harte Kritik der Bürger habe. „Grundsätzlich kann ich die Sorgen der Menschen und die Gedanken nachvollziehen. Absolut, das betrifft uns alle“, sagte der Bundestrainer. „Ich bin allerdings Trainer und habe nicht die Entscheidungsgewalt. Das ist Sache der UEFA. Wir müssen uns darauf einstellen, in der Bundesliga wird gespielt, in anderen Ligen auch. Ich kann als Trainer ja nicht das Spiel absagen. Wir halten uns an die Vorgaben.“

Joachim Löw hat Verständnis für Sorgen der Menschen

Löw ist durchaus ein reflektierter Mensch, der auch Dinge hinter der Glitzerfassade des Profi-Fußballs betrachtet. In diesem Fall fühlte er sich aber auch ein Stück machtlos, wie er uns sagte. „Dass es viele Probleme gibt, sich die Menschen darüber unterhalten und dass das allen ihnen Sorgen bereitet, kann ich schon nachvollziehen. Aber wenn Spiele angesetzt sind, können wir nicht einfach im Hotel bleiben und sagen, wir reisen nicht ins Stadion. Das ist unsere Aufgabe, das zu tun.“

DFB-Arzt Tim Meyer beruhigte Löw und Spieler

Der Bundestrainer gab zudem einen Einblick ins Innenleben der Mannschaft, nachdem diese am Freitagabend von den positiven Tests der Ukrainer erfahren habe.

„Natürlich ist diskutiert worden. Wir haben mit der Mannschaft in einer Sitzung gesprochen und die Spieler angehalten, dass wir uns konzentriert vorbereiten, egal, was am Ende passiert. Wir haben uns in dem Spiel nicht unsicher gefühlt. Unser Arzt Tim Meyer hat mir noch mal versichert, dass wenn die Tests der beteiligten Ukrainer an zwei Tagen hintereinander negativ sind, keine unmittelbare Ansteckungsgefahr besteht. Es ist eine Zeit, in der viele Unwägbarkeiten passieren, man viele negative Nachrichten bekommt. Für mich als Trainer war es natürlich gut, dass wir gespielt haben. Wir vom DFB haben ja nicht die Möglichkeit, ein Spiel abzusagen. Das liegt nicht in unserer Gewalt und in unserer Entscheidung.“

Nationalmannschaft reist Montag ins Risikogebiet Spanien

Die nächste knifflige Aufgabe wartet bereits am Montag auf die deutsche Auswahl. Um 9.30 Uhr startet der Charterflieger von Leipzig nach Sevilla – mitten ins spanische Krisengebiet. Virologe Martin Stürmer von der Universitätsklinik Frankfurt hält das für einen Fehler, „gerade weil Spanien ein nicht unerhebliches Infektionsgeschehen hat“.

Löw geht aber auch diesen Trip zuversichtlich an. „Wir sehen die Lage und tun alles, was wir können. Alle Spieler sind sehr diszipliniert und wir hoffen, dass es bei uns weiterhin keine positiven Fälle geben wird. Wir sind auch schon in die Ukraine gereist, das war auch ein Risikogebiet. Jetzt geht’s nach Spanien. Wir müssen die Dinge so annehmen, wie sie sind.“

Angesichts der massiven Kritik, die auf den Verband einprasselte, meldete sich auch DFB-Pressesprecher Jens Grittner (50) auf EXPRESS-Nachfrage zu Wort. „Die Testkapazitäten sind langfristig bei den entsprechenden Laboren reserviert und geblockt worden. Das gilt für alle UEFA-Wettbewerbe wie Champions, Europa oder Nations League. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir in einer privilegierten Situation sind. Das weiß der Fußball, das wissen wir als DFB. Wir gehen sehr verantwortungsvoll und demütig mit dieser Situation um“, sagte er.

DFB-Pressesprecher Grittner verteidigt Ansetzung der Partie

Auch den Vorwurf, dass in Zeiten knapper Testkapazitäten noch einmal 35 Schnelltests angewendet wurden, um die Ukrainer abermals zu überprüfen, widerlegte Grittner. „Die Tests am Samstag hatten ja genau den Zweck, um eine Sicherheit für alle beteiligten Spieler sicherzustellen. Wir haben großes Vertrauen in die Behörden. So lange das Gesundheitsamt Leipzig die Mannschaft nicht in eine komplette Quarantäne versetzt, bedeutet das nach UEFA-Regularien, dass der Wettbewerb stattzufinden hat. Aber noch mal: Wie Joachim Löw es schon gesagt hat, können wir die Sorgen der Menschen und die Kritik nachvollziehen.“