Wildwuchs auf dem Kopf bei einem Großteil der Bevölkerung, schnittige Frisuren bei Fußballstars. „Du hast die Haare schön“, gilt derzeit nur für ausgewählte Berufsgruppen, schließlich sind die Friseursalons seit dem 16. Dezember 2020 geschlossen. Was auf den ersten Blick wie eine lustige Debatte in ansonsten trostlosen Zeiten aussieht, hat einen überaus ernsten Hintergrund.
Viele Friseurbetriebe sind in ihrer Existenz bedroht, Beschäftigte müssen mit Kurzarbeitergeld oder ganz ohne Einkommen zurechtkommen. Und dann sehen sie am TV die Millionäre mit akkurat rasierten Scheiteln. Den Einwurf des Friseurhandwerks nutzen eifrige Kritiker des Business‘ Bundesliga, um gleich wieder die Fortsetzung des Spielbetriebs in Frage zu stellen und die Bundesliga als großes Privileg darzustellen.
Fußballer beim Friseur: Auch Politiker, TV-Moderatoren und Schauspieler sind täglich perfekt gestylt
Dabei treten auch Tag für Tag Politiker, TV-Moderatoren und Schauspieler perfekt gestylt, geschminkt und manikürt vor die Kamera. Eine Einstellung des Profi-Fußballs in Zeiten des Lockdowns käme einem Berufsverbot gleich. Es käme schließlich auch keiner auf die Idee, Architekten, Bankangestellte oder Finanzbeamte an der Ausübung ihres Berufs zu hindern. Systemrelevant sind diese aber auch keineswegs.
Was den Ärger auf die Fußballer richtet, ist das ewige Problem, dass die Stars kein Gefühl mehr für die Situation haben, in der sich das Land befindet und auch deutlich zeigen, dass nicht alle Menschen gleich schlimm unter der Pandemie leiden. Dass Vereine Monat für Monat neu mit ihren kickenden Angestellten verhandeln müssen, ob sie statt 200.000 „nur“ noch 180.000 Euro Gehalt bekommen, zeigt, wie weit die Spieler von den allgemeinen Sorgen ihrer Fans entfernt sind.
Fußballer beim Friseur: Gruppen-Umarmungen bei Toren sind auch an der Tagesordnung
Auffällig frisierte Haare, Gruppenumarmungen nach Toren, Unterhaltungen der Trainer an der Seitenlinie ohne Mundschutz sind nur die Fortsetzung von Friseurbesuchen im Teamhotel Stunden vor wichtigen Spielen, Konsum von goldenen Steaks oder die Zurschaustellung von Reichtum mit protzigen Autos. Leider sind vielen Stars der perfekte Look, das x-te Tattoo und die Hightech-Schuhe inzwischen wichtiger als der eigene Laktatwert.
Gerade in schwierigen Zeiten wie den aktuellen, wo Unternehmer auf versprochene Corona-Hilfen warten und die Insolvenz fürchten, wo Schüler im Homeschooling improvisieren müssen, wo die Impfungen nur schleppend beginnen und das Schreckensszenario vom Lockdown bis Ostern umherschwirrt, da könnten auch Vorbilder wie Fußballstars Zeichen setzen. Es muss ja nicht jeder gleich wie Paul Breitner in seinen wildesten Jahren herumlaufen.