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Star-Schauspieler Lohmeyer„Rummenigge und Infantino muss man mal auseinandernehmen!“

Lohmeyer Benefizkick

Peter Lohmeyer beim Benefizspiel „Kicken mit Herz“ in Hamburg. (Das Foto entstand im August .2013)

von Arno Schmitz (schmi)

Köln – Grünes Licht für die Bundesliga? Die meisten Insider rechnen damit, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (65) und die Ministerpräsidenten der Länder am Mittwoch den Weg freigeben für Geisterspiele, womit die Liga ihre Saison halbwegs regulär beenden und einen finanziellen Großbrand verhindern könnte. Für und Wider werden seit Wochen heftig diskutiert. Star-Schauspieler Peter Lohmeyer (58), Fußballfans aus „Das Wunder von Bern“ bekannt, ist erklärter Gegner der Geistersaison. Bei „Maischberger“ geriet er deshalb in einer denkwürdigen Ausgabe mit dem selbsterklärten „Fußballbekloppten“ Reiner Calmund (71) aneinander, der höchst emotional für die Aufnahme des Spielbetriebs debattierte und Sandra Maischberger (53) kaum abmoderieren ließ.

EXPRESS sprach mit Lohmeyer und Fußballfunktionär Andreas Rettig (57), der sich schon bei seiner bislang letzten Station auf St. Pauli und erst recht danach auch mal systemkritisch positioniert. Der frühere DFL-Geschäftsführer erklärt, warum er nicht mehr mit den Wölfen heulen möchte. Und Ex-Schalke-Mitglied Lohmeyer, wie er gerne gemeinsam mit Hans Sarpei mal S04 -Boss Clemens Tönnies, aber auch andere Fußball-Granden, in die Mangel und auseinandernehmen würde.

Herr Lohmeyer, als die Kamera dann tatsächlich aus war bei „Maischberger“, wie ging es weiter?

Alles zum Thema Sandra Maischberger

Lohmeyer: Calli ist halt jemand, der selten von alleine aufhört zu reden, kommt gerne von Hölzchen auf Stöckchen. Wir standen dann noch etwas beieinander, redeten aber eher über andere Themen. Ich hatte auch kein Bedürfnis mehr, weiter über Fußball zu reden. Die Hauptakteure leben halt unter einer Blase, das hat wenig mit uns Fans zu tun. Calmund hat mir dann noch wie in der Sendung angekündigt den Geschäftsbericht der DFL in die Hand gedrückt mit den Worten, „Steck den bloß ein“. Ich habe ihn mitgenommen, habe aber gar kein Bedürfnis da reinzuschauen.

Sie haben sich klar gegen Geisterspiele positioniert. Haben sie denn ein gewisses Verständnis dafür, dass die Liga halt versucht, ihr Geschäftsmodell irgendwie zu retten?

Lohmeyer: Natürlich, grundsätzlich habe ich das, wie für jeden Schreiner und jeden Frisör, der seinen Betrieb retten will. Aber wenn jemand sein eigenes Süppchen kocht, frage ich mich immer: Wer leidet? Tun die jemandem weh? Hans-Joachim Watzke sagte bei Lanz, das Konzept sei quasi sicher. Aber wenn ich das Wort quasi schön höre! Wenn ich mein eigenes Süppchen koche, muss ich auch über den Tellerrand dieses Süppchens hinausschauen. Für das Millionen- und Milliarden-Geschäft Fußball heißt das, dass er von dem Geld, das er mit diesem Süppchen erwirtschaftet, auch etwas für die Gesellschaft tut, gerade jetzt im Kampf gegen das Virus. Das wäre meine Bedingung.

Herr Rettig, sie waren mittendrin in diesem Geschäft. Stimmen sie zu?

Rettig: Durchaus, Peter und ich haben da eine große Schnittmenge. Ich nehme mal den Schreiner und den Frisör auf: Wenn die ihren Betrieb versuchen zu retten, dann denkt der Meister auch an seine Gesellen und seine Mitarbeiter. Das machen DFL und Klubs ebenso und versuchen circa 55.000 Arbeitsplätze zu retten. Dass es positive Fälle gab, hat mich nicht überrascht. Das Virus nimmt halt keine Rücksicht auf medizinische Konzepte.

Aber es heißt, diese Fälle zeigten, dass das System funktioniert.

Rettig: Kann man so sehen. Aber ich sehe hier – ich bin kein Mediziner – trotzdem ein Problem. Diese Spieler, die da positiv getestet werden, die haben möglicherweise schon mehrere Tage mit dem Virus trainiert. Hat das Auswirkungen auf den Organismus? Wir sprechen hier nach wie vor von einem unerforschten Virus! Hinzu kommt die Frage nach der Integrität des Wettbewerbs im Hinblick auf die wichtigsten Spiele der Saison, der Relegation. Eine faire Relegation setzt ein in etwa synchrones Ende der Saison von Liga eins bis drei voraus. Außerdem stelle ich mir die Frage, was wohl passiert wäre wenn die drei positiven Fälle allesamt Torhüter gewesen wären…? Dass der Trainer im Übrigen erst am Spieltag die letzten Testergebnisse vom Labor erhält, hat möglicherweise auch Einfluss auf die Mannschaftsaufstellung des Tages.

Bei so vielen Fragezeichen müsste man demnach sagen: Leute, lasst es sein…?

Rettig: Nein. Wenn es gelingt, eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz zu schaffen, indem man auch den Breitensport wieder ein Stück weit öffnet, und die Liga klare Signale sendet, Verantwortung zu übernehmen, und die Öffnung parallel mit anderen Bereichen einhergeht, sieht es für mich schon wieder anders aus.

Lohmeyer: Aber das tut sie doch nicht, sie trägt keine Verantwortung. Nehmen wir die Bayern als Branchenführer, da spielt ein Thomas Müller, der beim TSV Pähl Kicken gelernt hat und als junger Bursche zum Klub kam. Aber was tun sie jetzt inmitten der Krise? Sie sprechen wieder von Transferoffensive, aber mit keinem Wort von den Fans. Sie machen sich komplett angreifbar. Ich sage ihnen eins: Fans, das ist ein Wort mit vier Buchstaben, und das mag jetzt ein bisschen billig klingen – aber ohne Fans ist das Konstrukt Profifußball tot!

Rettig: Da erinnere ich mich gerne an die Entscheidung aller Zweitligisten. Da haben wir uns ganz klar gegen Montagsspiele positioniert und wurden von vielen dafür kritisiert, wie naiv wir sind, weil wir so auf größere Einnahmen verzichten. Wir haben klar gesagt: Wenn es so ist, dann gibt es halt weniger Geld. Wir wollen volle Stadien und den Fans nicht zumuten, montags durch die Republik zu reisen und im Zweifelsfall auch noch Dienstag frei nehmen zu müssen. Wie wichtig diese sind, erfahren wir ja in diesen Tagen.

Was ist mit den Spielern auf dem Platz?

Lohmeyer: Guter Punkt! Wo sind die mündigen Spieler? In Köln haben wir jetzt gesehen, wie jemand zurechtgewiesen wird, der sich Gedanken macht (Birger Verstraete/d.Red). Es gibt wenige Spitzenspieler, bei denen das toleriert wird, mir fallen gerade Antonio Rüdiger oder Sergio Agüero ein. Es soll Umfragen geben, wo sich 56% der Spieler unter der Hand gegen eine Fortsetzung der Saison aussprechen.

Und dann wäre da aber auch Salomon Kalou von Hertha BSC, der nach seinem Kabinen-Video wohl zurecht suspendiert wurde, oder?

Rettig: Natürlich. Ich war erschüttert. Da sehen wir leider, dass einige immer noch in einer Parallelwelt leben. Das wussten wir aber auch schon zu Zeiten des goldenen Steaks. Was da passiert ist, das geht gar nicht.

Hier lesen Sie mehr: Kommentar zum skandalösen Kalou-Video bei Hertha BSC: „Viel dämlicher geht's nicht“

Klingt alles, als gebe es kaum einen vernünftigen Weg für Geisterspiele.

Rettig: Doch - wenn es gelingt, eine Vorreiterrolle im Sinne der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung zu übernehmen. Und da geht es nicht nur um die kleinen Fußballklubs, da geht es um den gesamten Sport. Profifußball hat möglicherweise eine Gefühlsrelevanz, ist aber nicht systemrelevant. Der Sport als Ganzes hingegen ist meines Erachtens äußerst relevant für unsere Gesellschaft und verdient eine solidarische Unterstützung.

Also bis in den Schulsport?

Rettig: Ja, nehmen wir den Schulsport. Früher gab es vier Pflichtstunden pro Woche, heute sind es nur noch zwei. Ist dann der Sportlehrer krank, wirft der Musiklehrer einen Ball in die Mitte. Der Profifußball kann und muss Lokomotive sein für den Sport in der Gesellschaft, das ist Gesundheitsprophylaxe, gut für die Psyche und Integration.

Lohmeyer: Exakt. Wir müssen diese Krise nutzen, um ein neues Bewusstsein zu entwickeln für unsere Gesellschaft. Da geht es nicht nur um den Fußball, aber jetzt sind wir beim Fußball – und da müssen die Herren endlich mal von ihren Rössern runter kommen. Da wird eine WM nach Katar vergeben oder eine Klub-WM installiert. Völlig daneben, aber haben sie mal einen gehört, der das hinterfragt? Das wird nicht wirklich diskutiert. Ob ein Rummenigge und seine Kollegen in der European Club Association oder ein Infantino als FIFA-Präsident – die Herren muss man mal auseinander nehmen! Da wünsche ich mir auch mehr Feuer von den Medien, ich will im Sportstudio keine netten Interviews mehr sehen.

Es gab zuletzt viele Versprechen, das System zu hinterfragen und zu überdenken, von Rummenigge, oder auch DFL-Boss Christian Seifert. Glaubhaft?

Rettig: Demut darf keine Eintagsfliege sein. Der Fußball darf sich nicht über den Rest der Gesellschaft stellen, es ist nämlich genau anders rum: Gesellschaftliche Verantwortung hat Vorrang vor vermeintlicher internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Nehmen wir diese Klub-WM, was für ein Irrsinnswettbewerb! Jeder Teilnehmer erhält 45 Millionen Euro? Da würde ich mir mal ein solidarisches Handeln der europäischen Top-Klubs wünschen, indem sie sagen: Wisst ihr was, brauchen wir nicht, da fahren wir nicht hin.

Klingt romantisch, Herr Rettig. Müssen Sie sich wegen ihrer häufig kritischen Haltung auch schon mal als Nestbeschmutzer beschimpfen lassen? Und ist für Sie vom jetzigen Standpunkt aus eine Rückkehr ins System denkbar? Oder gefällt es ihnen besser, von außen „draufzuhauen“?

Rettig: Mal ganz klar: Ich will kein Besserwisser sein, und es geht hier auch nicht um Besserwisserei. Aber wir brauchen für die „Task Force Zukunft“ Menschen mit einer gewissen Distanz und trotzdem reichlich Liebe zum Fußball und zum Sport. Meine Frau und ich haben St. Pauli mit vier weinenden Augen verlassen. Toller Klub, tolle Stadt, aber wir haben uns für die Familie und meine 86-jährige Schwiegermutter entschieden. Das schließt eine Rückkehr in den Fußball nicht aus. Aber ich muss nicht mehr mit den Wölfen heulen – das ist ein hohes Gut.

Herr Lohmeyer, abschließend: Nehmen wir an, die Geisterliga findet statt – glauben sie an einen Boykott der Fans? Viele haben sich bereits kritisch geäußert.

Lohmeyer: Viele haben ja auch gar kein Pay-TV. Ich habe meine laufenden Abos auch schon gekündigt. Aber ganz ehrlich? Wenn das Derby in Dortmund gespielt wird, werde ich wohl als Schalke-Fan doch mal fünf Minuten reinschauen. Obwohl ich mir längst etwas ganz anderes wünsche. Unsere großen Fußballfans, Frau Merkel oder Herr Steinmeier, müssten sich mal hinstellen und sagen: So Leute, wir machen das jetzt so, Samstag, 15.30 Uhr, ist Bundesliga, Sonntag spielt die Zweite Liga, Feierabend! Dann hätten viele Familien auch wieder etwas mehr Zeit füreinander, wenn Vatter nicht das ganze Wochenende vor der Glotze hängt.

Auch romantisch. Apropos Schalke: Sie sind nach Clemens Tönnies’ rassistischen Afrika-Äußerungen aus dem Verein ausgetreten. Gibt es einen Weg zurück?

Lohmeyer: Natürlich! Schalke bleibt mein Verein. Wenn Hans Sarpei es wirklich in den Aufsichtsrat schafft, werde ich wieder eintreten und bei der folgenden Jahreshauptversammlung auch kandidieren – dann werden wir den Tönnies mal so richtig in die Zange nehmen!

Rettig: Genau das meine ich mit Distanz und Liebe – Peter hat damals trotz seiner Vereinsliebe nicht den Blick fürs Wesentliche verloren. Genau darum geht es jetzt im gesamten Fußball!