Die knallharte XXL-Saison-PrognoseCalli grillt die Bundesliga

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Reiner Calmund bei einer Talkrunde Anfang September in Illingen.

Köln – Reiner Calmund (71) ist noch immer ein Schwergewicht der Liga, auch wenn er sich inzwischen immer weiter dünne macht. Aktuell bringt der frühere XXL-Manager „nur“ noch 112 Kilogramm auf die Waage. Vor seiner Magen-OP waren es einmal 172 Kilo. „Calli“ hat aber trotzdem immer noch reichlich Appetit, wie er als Jury-Mitglied der Vox-Show „Grill den Henssler“ immer wieder unter Beweis stellt.

Für EXPRESS grillt Calmund nun aber sein Lieblings-Produkt: die Bundesliga. Das denkt der frühere Liga-Zampano vor dem Start in die 58. Saison.

Werden die Triple-Bayern noch Hunger haben oder sind sie schon satt?

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Von wegen. Wäre das Triple zu erwarten gewesen, hätte ich mir Gedanken gemacht. Aber diese Mannschaft ist noch nicht am Limit. Und mit der Verpflichtung von Leroy Sané ist die Richtung klar vorgezeichnet – es geht nach vorne. Allerdings sollten sie schnell eine Einigung mit David Alaba hinkriegen. Unruhe kann Hansi Flick im Kader nicht gebrauchen.

Borussia Dortmund darf nicht mehr Punkte verschenken

Regiert beim BVB wieder nur das Prinzip Hoffnung in Haaland oder wird Favre ein Titel-Trainer?

Favorit sind immer die Bayern, in jedem Wettbewerb. Sie haben zurzeit weltweit die beste Mannschaft. Der BVB hat diesmal ganz bewusst kein Saisonziel ausgegeben. Aber der Kader ist eine Wucht, ganz sicher der stärkste hinter dem der Bayern. Sancho, Bellingham, Reynolds, Reyna, Haaland, Moukoko – das sind entwicklungsfähige Top-Spieler, die in Favre einen Trainer haben, der ihnen auch Vaterfigur sein kann. Wichtig ist, in der Defensive effektiver zu sein und mehr Spiele zu gewinnen. Wer leichtfertig Punkte gegen Mainz, Paderborn und Union Berlin verschenkt, der muss sich nicht wundern, wenn er keinen Titel holt.

Ist Leipzig ohne Timo Werner überhaupt noch ein Spitzenteam oder werden Julian Nagelsmanns Outfits das einzig Schillernde in der Saison?

Es ist ja nicht nur Werner, auch Schick ist weg. Das sind fast 40 Tore, die von anderen geschossen werden müssen. Leipzig bleibt auf Champions-League Kurs, aber ganz vorne werden sie auf Strecke nicht rein rutschen. Bei Nagelsmann gefällt mir sein Ehrgeiz besser als seine Klamotten. Wenn alles glatt läuft, wird Julian Nagelsmann auch Mitglied im Kreis der außergewöhnlich guten deutschen Trainer auf dem internationalen Parkett.

Der 1. FC Köln hat erst kurz vor Saisonstart auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Bleibt die Truppe beim Auftakt deshalb in den Startblöcken hängen?

Nein, das glaube ich nicht. Weil der Trainer nie gejammert hat und den Spielern Vertrauen schenkte, die da waren. Das hat Markus Gisdol klug gemanagt. Ob allerdings jetzt die Qualität reicht? Bei der Situation im Sturm kommen mir schon etwas die Schweißperlen auf die Stirn. Ohne Cordoda, Terodde und Uth, dem Schalke die Freigabe für den FC verweigerte, ist die Qualität im Angriff schon etwas dünn. Dazu kommt die Verletzung von Kainz, und auch bei Modeste ist ein großes Fragezeichen zu setzen, es fehlen damit rund 30 bis 35 Tore der Vorsaison. Das ist viel für eine Mannschaft, die die Klasse halten will.

Reiner Calmund: Schluss mit dem Jahrmarkt der Eitelkeiten beim 1. FC Köln

Wie kann man die permanente Unruhe im Verein abstellen?

Schluss mit dem Jahrmarkt der Eitelkeiten! Der 1. FC Köln braucht - gerade jetzt in der schwierigen Zeit - Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe. Hier ist Präsident Werner Wolf gefordert, der als große Integrationsfigur auftreten und der Vereins-Führung den Rücken gegen alle internen Kritiker freihalten muss. Der Verein wird nur dann Erfolg haben, wenn alle Beteiligten – Gremien, Profis, Mitarbeiter, Mitglieder, Traditions-Spieler und Fans – an einem Strang und in die gleiche Richtung ziehen. Querschüsse können in dieser Situation verheerende Folgen haben. Der wichtigste Faktor in dieser Saison wird beim FC die Stimmung im Verein sein. Wichtig ist, der Geschäftsführung Vertrauen zu schenken. Horst Heldt und Alexander Wehrle haben bewiesen, dass sie ihren Job können. Sie und auch Trainer Gisdol brauchen die volle Rückendeckung und keine Nebenkriegsschauplätze. Und da sage ich in Richtung Stefan Müller-Römer vom Mitgliederrat: Wer so ein wichtiges Gremium anführt, muss es ausschließlich im Sinne des Vereins leiten.

„Der 1. FC Köln sollte seine Alt-Internationalen einbinden“

Braucht der 1. FC Köln mehr Kompetenz durch Ex-Spieler im Vorstand?

Neben den Bayern hat der FC sicher die meisten Ex-Nationalspieler. Viele von ihnen haben nach ihrer Laufbahn auch in anderen Funktionen gearbeitet. Die Alt-Internationalen müssen den Klub ja nicht führen, aber der FC sollte sie nicht an die Seite schieben, sondern muss sie einbinden und sich ihre Gedanken und Ideen zumindest anhören.

Reiner Calmund: Borussia Mönchengladbachs Bosse verkörpern Königsklasse

Mönchengladbach gibt sich gerne das Image des kleinen Underdogs. Aber ist die Borussia mit den Europa-League- und Champions-League-Einsätzen nicht inzwischen eine feste Größe?

Natürlich. Die Borussia ist in Sachen Infrastruktur und Philosophie längst ein Klub auf Champions-League-Niveau. Jetzt muss die Mannschaft den nächsten Schritt machen und international zu der Stabilität finden, die sie national schon besitzt. Die Borussia holte zehn Punkte mehr als in der vorvergangenen Saison, das ist ein Pfund. Marco Rose besitzt mit seinem mutigen Fußball großen Anteil daran. Wichtig ist für ihn und den Klub die Unterstützung der Vereinsführung mit Rolf Königs, Rainer Bonhof, Stephan Schippers und Max Eberl. Dieses Quartett verkörpert Königsklasse.

Bayer Leverkusen sitzt auf der ganzen Havertz-Kohle. Wohin damit?

Da die Infrastruktur unterm Bayer-Kreuz weitgehend optimal ist und der Kader nach der Verpflichtung von Patrick Schick maximal nur noch zwei oder drei internationale Leistungsträger als Verstärkung braucht, können sich Vereins-Chef Fernando Carro, Sport-Vorstand Rudi Völler und Sportdirektor Simon Rolfes auf den Rest der Transferperiode konzentrieren. Mit den Transfer-Einnahmen von Havertz, Volland – und ggf. von Alario und Bailey – ist genug Kohle in der Bayer Kasse, um die Verpflichtung von zwei Außenverteidigern und evtl. einem Stoß-Stürmer zu realisieren. Cheftrainer Peter Bosz muss sich entscheiden, ob er Lucas Alario das Vertrauen schenkt oder eben einen neuen Stoßstürmer an Land ziehen will. Ein großer Hoffnungsträger ist für mich in dieser Saison schon Florian Wirtz, man darf ihn nicht mit Havertz vergleichen, aber er hat andere erstklassige Qualitäten. Wirtz wird sich auch schon als 18-Jähriger zum Leistungsträger entwickeln.

Reiner Calmund: „Hertha BSC hatte zuletzt viel Pech“

Ist Hertha BSC mit den Windhorst-Millionen auf dem Weg in die Liga-Spitze oder bleibt der Verein so chaotisch wie der Berliner Flughafen-Bau?

Es reicht nicht, Geld zu haben. Man muss es auch sinnvoll anlegen. Da hatte die Hertha zuletzt Pech. Wunschspieler sprangen ab, Verstärkungen wurden nur schwer gefunden. Trotzdem ist der Einstieg von Windhorst ein Glücksfall für die Hertha und ganz Berlin. Ich erwarte keinen großen kurzfristigen Erfolg, wobei die Qualifikation für die Europa League möglich ist.

Findet David Wagner auf Schalke den Fallschirm oder rasen die Königsblauen ungebremst in Liga zwei?

Da bin ich sehr gespalten. Die Ansprüche werden herunter geschraubt, der komplette Verein kocht auf Sparflamme – wenn der ganze Klub so eine Art Korpsgeist entwickelt, dann kann Schalke überraschen. Wenn nicht, dann brennt der Baum...

Wer wird die positive Überraschung der neuen Saison? Kann sich ein Aufsteiger in der Liga halten?

Ich glaube, Werder Bremen wird sich deutlich besser präsentieren als zuletzt. Die Aufsteiger Stuttgart und Bielefeld müssen sich schnell akklimatisieren und mit Mainz, Köln, Augsburg oder Union Berlin „ihre“ Gegner finden, an denen sie sich orientieren. Wenn das gelingt, wird es unten mit 7 bis 8 Teams richtig spannend.

Worauf freuen Sie sich speziell in der neuen Saison?

Dass wieder Fans in die Stadien dürfen. Auch wenn ich von den Hygiene- und Sicherheitskonzepten zuletzt total überzeugt war, ist es gut, dass ab Freitag wieder etwas Leben in die Bude kommt.