Geister-Pokalfinale in BerlinFans üben scharfe Kritik am DFB: „Blanker Hohn“

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Gespenstige Atmosphäre: Die Teams von Bayer Leverkusen und des FC Bayern München hielten vor dem Anpfiff des DFB-Pokalfinales im gähnend leeren Olympiastadion von Berlin eine Schweigeminute für die Opfer der Corona-Pandemie ab.

Berlin – Das Pokal-Finale in Berlin ist jährlich ein absolutes Highlight. Fast noch schöner als das Spiel ist dabei immer die begeisternde Atmosphäre in der Hauptstadt. Tausende Fans in ihren Trikots, die tagsüber am Alexanderplatz oder am Breitscheidplatz feiern – das macht dieses Endspiel so speziell. Gern hätten die Fans des FC Bayern nach dem 4:2 gegen Bayer Leverkusen den 20. Pokal-Gewinn der Vereinsgeschichte im Stadion zu Tausenden gefeiert. Doch in diesem Jahr fiel alles ins Wasser.

In Berlins Straßen war in den Stunden vor der Partie kaum ein Fan im Trikot zu sehen. Es gab keine Feiern, keine Partys am Abend zuvor. Der Rahmen beim Geister-Finale war wirklich gruselig. Die Mannschaften hockten mit ihren Ehrengästen tagsüber in ihren Hotels am Potsdamer Platz, am Stadion übten Motorradfahrschüler auf den verwaisten Parkplätzen. Ein Grüppchen Rammstein-Fans hockte auch vor der Arena, hörte Musik und trank Bier. Denn eigentlich wären die Rocker an diesem Samstag aufgetreten.

Tristesse pur beim DFB-Pokalfinale in Berlin

In der Schüssel Tristesse pur: kein Vorprogramm, kein spektakulärer Einmarsch der Teams, kein Auftritt von Helene Fischer, kein Goldregen vom Stadiondach, lediglich eine LED-Lichtshow. Auch die VIPs mussten permanent einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Statt Buffets in den Logen gab es Lunchpakete mit Brezeln und Muffins für die knapp 700 Besucher. Immerhin applaudierten die Offiziellen lautstark und sorgte so für ein wenig Atmosphäre – und natürlich fiel der Torjubel nach David Alabas frühem Treffer zum 1:0 für die Bayern ebenfalls denkbar mau aus.

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Andreas „Paffi“ Paffrath (52) drehte ein paar Runden um das Olympiastadion, auf seiner Jacke stand „Fanbetreuung“. Nur Fans, um die er sich normalerweise kümmert, waren bis auf wenige Unentwegte nicht in Berlin. „Es blutet das Herz“, sagt er enttäuscht. „Die ganze Szene fühlt sich komisch und falsch an. Als ob man auf eine Party geht und der DJ seine Musik vergessen hat.“ Statt der Fans von Bayer waren auf den Sitzen am Marathontor Tausende rote und schwarze T-Shirts ausgelegt. „So sind unsere Herzen zumindest dabei“, sagt Paffrath. „Aber irgendwie ist es wieder typisch Bayer. Endlich können wir mal wieder was holen und dürfen nicht dabei sein. Irgendwie steckt da immer der Wurm drin.“

Fans forderten Verlegung des DFB-Pokalfinales

Die Dachverbände beider aktiven Fanszenen hatten im Vorfeld eine Verlegung der Partie gefordert, bis wieder Zuschauer zugelassen sind. In einem Schreiben meldeten sich beide Fanlager nochmals zu Wort und bemängelten, dass den Wünschen der Fans nicht nachgekommen wurde. „Während in den anderen großen europäischen Ligen doch noch ein paar mehr Spiele zu absolvieren sind, soll bei uns kein Platz sein, um ein Spiel zu einem späteren Zeitpunkt unterzubringen. Blanker Hohn. Wo ein Wille, da ein Weg. Sehr schade fanden wir darüber hinaus leider auch, dass sich von der FCB AG niemand zu einer unterstützenden Äußerung genötigt fühlte“, hieß es.

Einige Anhänger machten dann sogar vor Ort ihrem Ärger lautstark Luft. Ein paar „Scheiß DFB“-Gesänge waren deutlich im Stadion zu hören.

DFB-Präsident Fritz Keller (63) kann den Frust verstehen. „Das Wichtigste, die Seele, fehlt“, sagte er. „Wir müssen alles dafür tun, aber auch wirklich alles, dass wir wieder irgendwann mal – unter Berücksichtigung gesundheitlicher Aspekte – unsere Fans wieder in die Stadien bekommen. Hoffentlich erleben wir im kommenden Jahr wieder eine volle Bude“.

Auch der Ur-Münchner Thomas Müller (30) schlug inmitten des Pokal-Jubels durchaus nachdenkliche Töne an. Er sagte bei der ARD: „Es ist auch ein bisschen ein trauriger Moment. Die Liga ist unser Daily Business, die wollten wir auf jeden Fall zu Ende spielen. Aber wenn bei so einem Pokalfinale die Fans fehlen, da hatte ich eben bei der Siegerehrung schon eine nachdenkliche Minute. Das ist nicht das Gleiche. Es tut auch ein bisschen weh.“