Interview mit einem Borussia-SchreckStruber: Traue Gladbach Königsklasse zu!

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Wolfsbergs Ex-Trainer Gerhard Struber (l.) und Marcel Ritzmaier konnten im vergangenen Jahr gegen Borussia Mönchengladbach jubeln.

Mönchengladbach – Die Bundesliga soll am Samstag aus der Coronavirus-Starre erwachen. Die Gladbacher Borussia ist im sogenannten Topspiel bei Eintracht Frankfurt (18.30 Uhr) zu Gast. Ohne Zuschauer, versteht sich.

Und lenken wir bewusst den Blick auf das Sportliche. Es steht gerade für die Fohlen gleich einiges wieder auf dem Spiel. Im Kampf um die Champions-League-Plätze sitzt dem VfL Verfolger Leverkusen im Nacken. Frankfurt gegen Gladbach, das ist auch das Duell zweier Trainer mit RB Salzburg-DNA: Adi Hütter (50) und Marco Rose (43).

Struber verpasste Borussia eine Rekordpleite

Unsere Redaktion hat sich vorab mit einem weiteren Trainer aus der RB-Akademie in Verbindung gesetzt: Gerhard Struber. Der 43-Jährige gilt als Vertrauter von Ralf Rangnick (61). Dem Mastermind hinter dem Projekt RB also. Und Struber ist der Trainer, der im vergangenen Jahr mit einem No-Name-Kollektiv Borussia die bis dato höchste Europapokal-Heim-Klatsche in der Historie des VfL verpassen konnte. Das exklusive Interview.

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Wie lebt es sich als derzeit größter Borussen-Schreck?

Was meinen Sie damit?

Nun, Sie sind der Trainer, der Gladbach die höchste Europapokal-Heimpleite in der Klubgeschichte zugefügt hat. Zudem ist dieses 0:4 bis dato die höchste Saison-Niederlage für die Borussia.

Darauf spielen Sie also an. Das ist schon ein sehr spezieller Moment gewesen.

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Spezieller Moment – das klingt recht zurückhaltend. Sie sind danach mit dem Wolfsberger AC in aller Munde gewesen. Zumal Sie ja auch noch Klubs wie die AS Rom ärgern konnten.

Es ist schon ein ganz spezielles, ein großes Spiel gewesen. Es ist das erste Spiel der Wolfsberger in der Europa League überhaupt gewesen, auswärts bei einem Verein wie Gladbach. Dann gegen einen Trainerkollegen, mit dem man in Salzburg gemeinsam gearbeitet hat, gegen einen Stefan Lainer, den man selber noch trainiert hat. Das war eine spezielle Situation, die mir sehr in Erinnerung bleiben wird. Mit dem magischen Moment, so einen Gegner besiegt zu haben. Das hatte in Österreich ein mittleres Erdbeben ausgelöst.

Große Wertschätzung für Underdog

In welcher Art und Weise?

Der Verein und auch meine Person haben nach den Europacupspielen eine große Wertschätzung erlebt. Wie kann man als kleiner WAC einen so großen Verein international so ärgern und im taktischen Bereich vor solche Probleme stellen? Es wurden auch Anfragen aus Deutschland an mich herangetragen, was mich als jungen Trainer sehr geehrt hatte.

Sie haben sich dann für ein Angebot aus Nord-England entschieden, sind im vergangenen November zum FC Barnsley gegangen. Warum der plötzliche Wechsel zum Tabellenletzten der zweiten englischen Liga?

Der Abschied vom WAC ist mir überhaupt nicht leichtgefallen. Ich wollte mir die Chance aber nicht entgehen lassen, dass ich als österreichischer Trainer nach England gehen und mich auf internationaler Ebene entwickeln kann. Im Wissen, dass das eine Herausforderung, eine absolute Mammut-Aufgabe ist, die ich da in Barnsley angenommen habe. Mir war bewusst, dass die Aufgabe schwer werden würde. Als ich dort angefangen habe, hatte Barnsley einen Sieg und sechs Unentschieden. Die restlichen Spiele hatten sie alle verloren.

Nun sind es acht Siege und zehn Unentschieden. Der Rückstand auf das rettende Ufer beträgt sieben Punkte. Allerdings ruht wegen der Coronakrise in England der Spielbetrieb. Hat das Virus Sie bei Ihrer Aufholjagd ausgebremst?

Ja – die Mannschaft hat mittlerweile gelernt, effizienten Fußball zu spielen und auch zu gewinnen. Das junge Team zeigt sich sehr lernwillig und ist bereit, gemeinsam die Grenzen auszuloten. Das Virus hat uns alle ausgebremst. Es liegt ans uns, mit viel Eigenmotivation und einem schlauen Plan, schneller und agiler wieder ins Handeln zu kommen als die anderen.

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Wie nehmen Sie als Trainer, Familienvater und Mensch diesen momentanen Ausnahmezustand wahr? Können Sie aktuell mit Ihrer Mannschaft in England überhaupt trainieren?

Wir haben bis auf weiteres kein gemeinsames Training. Der 16. Mai sollte aus heutiger Sicht der ,Kick off' für Gruppentraining sein. Individuell absolvieren die Jungs sehr professionell ihr Heimprogramm. Ich bin im Moment noch in Salzburg, bei meiner Familie und genieße die Zeit mit Garten- und Waldarbeit. Gleichzeitig mache ich mir viele Gedanken, wie Österreich und ganz Europa wieder die gewohnte Stabilität bekommt, die uns Orientierung gibt und uns hoffen lässt.

Befürchten Sie, dass die Championship abgebrochen wird und Sie mit Barnsley absteigen müssen?

Ja, auch diesen Gedanken gab es schon… Jedoch gehe ich davon aus, dass wir die Chance bekommen, es noch sportlich zu regeln.Ich habe damals bewusst einen längerfristigen Vertrag abgeschlossen. Meine Konzentration gilt jetzt aber den letzten neun Spielen in dieser Saison. Danach wird man alles reflektieren und gute Entscheidungen treffen.

Gehen Sie davon aus, dass die Coronakrise den internationalen Profifußball nachhaltig verändern wird?

Das liegt ganz stark an den Spitzenfunktionären in Europa. Dieses Thema sollte Priorität auf der Agenda der UEFA haben. In den letzten Jahren ging es gefühlt immer öfter darum, noch höher und steiler nach oben zu streben. Sei es bei der Schaffung neuer Turnierformate oder in der Vermarktung. Vielleicht ist dabei die Demut etwas verloren gegangen. Jetzt sind wir alle ausgebremst worden und einige Funktionäre mussten lernen, dass sich im Leben nicht alles um Fußball dreht.

Wie wird in England eigentlich das Thema „Geisterspiele“ thematisiert? Wie erleben Sie das in Barnsley, das für seine treuen und hochemotionalen Fans bekannt ist?

Ich denke, dass mittlerweile viele Fans Verständnis dafür aufbringen, die Spiele durchzubringen. Es geht ganz einfach um das Überleben vieler Klubs. Dass es kein emotionaler Leckerbissen ist, vor leeren Rängen zu spielen, ist doch ganz klar. Und doch ist es die Chance, wieder zu arbeiten – und für viele Fans Abwechslung ins Wochenende zu bringen.

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In Deutschland geht es trotz Coronakrise am Wochenende in der Bundesliga mit Geisterspielen weiter. Was trauen Sie Ihrem ehemaligen Salzburger Kollegen Marco Rose und Gladbach zu? Schafft Borussia, die Samstag in Frankfurt vor leeren Rängen aufläuft, den Einzug in die Champions League?

Ich traue Gladbach unter Trainer Marco Rose richtig viel zu. Wenn Gladbach gut aus den Startlöchern kommt, der Kader von schwereren Verletzungen verschont bleibt, halte ich es für möglich, dass sie die Qualifikation zur Champions League schaffen können. Und vielleicht in Zukunft auch eine Mannschaft sind, die möglicherweise um den Titel mitspielt.