Beben auf SchalkeRatlos, planlos, hilflos – doch es könnte noch viel schlimmer kommen

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Für Trainer Christian Gross ist nach elf Spielen beim FC Schalke 04 Schluss. Auch Sportboss Jochen Schneider musste am Sonntag seinen Hut nehmen.

von Anton Kostudis (kos)

Gelsenkirchen/Köln – Am Sonntagmorgen hat es beim krisengeschüttelten FC Schalke 04 das nächste Beben gegeben. Trainer Christian Gross (66), Athletik-Coach Werner Leuthard (59), Sportboss Jochen Schneider (50), Co-Trainer Rainer Widmayer (53) und Team-Koordinator Sascha Riether (37) wurden nach dem 1:5-Debakel bei Aufsteiger VfB Stuttgart allesamt entlassen. Der Verein liegt nach jahrelanger Misswirtschaft völlig in Trümmern. Doch es könnte noch viel schlimmer kommen, findet unser Autor. Ein Kommentar.

Beben beim FC Schalke 04: Verein zieht die Reißleine

Seit Monaten erntet der FC Schalke 04 für seine stümperhaften Auftritte nur noch Hohn und Spott – selbst große Teile der eigenen Anhängerschaft flüchten sich schon längst in Galgenhumor. Und spätestens seit der deftigen 1:5-Packung am Samstag (27. Februar) beim VfB Stuttgart glaubt wirklich niemand in Fußball-Deutschland noch daran, dass die Königsblauen den vierten Abstieg der Klubgeschichte noch irgendwie verhindern können. Und während sich die überforderte Mannschaft sportlich von Debakel zu Debakel quält, liegen auch die Nerven in der Führungsetage gänzlich blank. Jüngste Konsequenz: die Entlassungswelle am Sonntag.

Gross? Als vierter Trainer der laufenden Saison gescheitert – ebenso wie sein Co-Trainer Widmayer. Athletik-Coach Leuthard? Hat die Krisen-Kicker nicht fit bekommen. Sportboss Schneider? Hatte aufgrund heftiger Kritik bereits seinen Abschied zum Saisonende angekündigt, muss nun aber sofort seine Koffer packen. Team-Manager Riether? Darf sich ebenfalls einen neuen Job suchen.

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Beben beim FC Schalke 04: Entlassungswelle am Sonntag

Es ist der nächste Akt einer an Peinlichkeiten und Verfehlungen reichen Saison, deren „Krönung“ die Schalker nur verpassten, weil ein Anfang Januar desolat auftretendes Hoffenheim dem Allzeit-Negativrekord von Tasmania Berlin im Wege stand.

Sportlich liegt der einst so stolze Arbeiterklub dennoch am Boden – der jüngste Kahlschlag offenbart zudem, dass auch im Aufsichtsrat um Klub-Legende Huub Stevens (67) die absolute Hilfslosigkeit ausgebrochen ist. Wer nach nicht einmal sechs Monaten einen fünften Cheftrainer sowie einen neuen Sportboss installieren muss, der hat beim Abnicken vorangegangener Personalien einfach viel zu oft danebengelegen.

Allerdings: Wenn weder Gross, noch Ex-Hoffnungsträger David Wagner (49), noch Manuel Baum (41) sowie „Jahrhunderttrainer“ Stevens  dem Team Beine machen konnten, dann kann es wohl auch kein anderer Trainer. „Eurofighter“ Mike Büskens (52) hat wohl schon abgewunken, er will offenbar nicht als nächster Coach auf dem Gelsenkirchener Schleudersitz Platz nehmen.

FC Schalke 04 steckt in historischer Krise

Die historische Krise kam dabei nicht über Nacht – sondern ist das Resultat jahrelanger Misswirtschaft und unzähliger Fehltritte. Sage und schreibe 14-mal wechselten die Gelsenkirchener in den vergangenen elf Jahren den Trainer. Eine sportliche Entwicklung war dadurch langfristig schlicht unmöglich. Gleichzeitig wurde in vielen weiteren Bereichen fleißig Personal verschlissen.

Rund um den Klub sorgte derweil vor allem Ex-Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies (64) zuverlässig für Wirbel – zuletzt mit einer rassistischen Entgleisung, dann mit einem Corona-Ausbruch in seinem Schlachtbetrieb, dann mit seinem Rücktritt.

Hinzu kommen unzählige Fehler bei der Kaderplanung. Während das Potenzial heutiger Nationalspieler wie Kaan Ayhan (26) oder Ivan Rakitic (32) auf Schalke einst nicht erkannt wurde, sollte zuletzt dafür Skandal-Profi Nabil Bentaleb (26, sechsmal suspendiert) die Kohlen aus dem Feuer holen. Schneiders Verzweiflungstaten im Winter-Transferfenster zündeten ebenfalls nicht: Weltmeister Shkodran Mustafi (28) patzt regelmäßig, Sturm-Oldie Klaas-Jan Huntelaar (37) spielte erst zehn Minuten – und Sead Kolasinac (27) kann es eben nicht alleine richten.

Dass die Spieler jüngst noch eine Revolte gegen Gross starteten, zeigte zudem: Auch den Charakter der Truppe gilt es zu hinterfragen.

FC Schalke 04 droht historischer Absturz

Nun liegt Schalke in Trümmern. Doch es könnte noch viel schlimmer kommen: Denn den Klub drücken mittlerweile Verbindlichkeiten von mehr als 200 Millionen Euro – auch in dieser Kategorie sind die Königsblauen ligaweit trauriger Spitzenreiter. Der Abstieg wird den Verein finanziell nochmals belasten, Schalke wird sich ein rigoroses Sparprogramm auferlegen und unzählige Leistungsträger verkaufen müssen. Und wie schnell sich ein Traditionsklub am Rande der Viertklassigkeit wiederfinden kann, zeigt der jüngste Absturz des insolvent gegangenen Ex-Meisters 1. FC Kaiserslautern. Wann und ob sich Schalke die Bundesliga überhaupt wieder leisten kann, ist völlig unklar.

Hilflos, ratlos, planlos – der FC Schalke 04 hat sich selbst zugrunde gerichtet. Das Allerschlimmste: Auch emotional hat der Niedergang bei vielen Anhängern Spuren hinterlassen, viele Fans haben sich längst abgewendet. Und damit verliert Schalke auch noch sein höchstes Gut.