„Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen“Sechs deutsche Spiele für die Ewigkeit

Rahn-Tor

Ein Moment deutscher Fußballgeschichte – Gyula Grosics im Tor der Ungarn kann Rahns Schuss nicht halten. Deutschland ist zum ersten Mal Fußball-Weltmeister.

von Eric Karteusch (kart)

Köln – Im Fußball gibt es Spiele, von denen man noch Jahrzehnte später schwärmt. Bei denen man jetzt noch genau weiß, wo man sie damals verfolgt hat. Der erdrutschartige 8:2-Sieg des FC Bayern gegen den FC Barcelona gehört zweifelsohne dazu, nicht nur weil er unter besonderen Corona-Bedingungen entstanden ist. Wir blicken zurück auf sechs Momente der deutschen Fußball-Historie, die auch heute noch unvergessen sind.

1954: Das Wunder von Bern

Der Sieg der WM 1954 war für viele Deutsche mehr als nur eine gewonnene Weltmeisterschaft. Neun Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs gab er großen Teilen der Bevölkerung Mut und Hoffnung. Durch einen fulminanten 6:1-Sieg im Halbfinale gegen die favorisierten Österreicher, traf die westdeutsche Auswahl im Finale auf den großen Favoriten Ungarn.

In der Gruppenphase hatten die Ungarn die deutsche Nationalmannschaft bereits mit 8:2 geschlagen und auch im Finale führten sie schon nach neun Minuten mit 2:0. Max Morlock (69✝) und Helmut Rahn (73✝) glichen aber noch vor der Pause aus.

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WM 1954

Die Weltmeister von 1954 nach dem Finale gegen Ungarn.

In der 2. Halbzeit drehte die deutsche Auswahl im Regen von Bern dann endgültig das Spiel. Durch einen Distanzschuss von Rahn ging die DFB-Auswahl zum ersten Mal in Führung und verteidigte diese bis zum Ende. Bis heute ist die Radio-Aufnahme von Herbert Zimmermann (49✝) legendär: „Schäfer nach innen geflankt – Kopfball – abgewehrt – aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Toooooor! Tooooor! Toooor! Tor für Deutschland.“

1971: Büchsenwurf auf dem Bökelberg

Am 20. Oktober 1971 empfing Borussia Mönchengladbach auf dem Bökelberg Inter Mailand. Die Fohlen spielten sich an diesem Abend in einen Rausch. 5:1 zur Pause, am Ende des Spiels stand sogar ein 7:1 auf der Anzeigetafel. Zweimal traf Günter Netzer (75), zweimal Jupp Heynckes (75), zweimal Ulrik Le Fevre (74) und auch Klaus-Dieter Sieloff (69✝) trug sich in die Torschützenliste ein.

Es hätte das vielleicht beste Spiel in der Europapokal-Geschichte der Borussia sein können, wäre es in der 29. Minute nicht zu einem Zwischenfall gekommen. Eine Cola-Dose, die aus dem Gladbacher-Fanblock geworfen wurde, soll Roberto Boninsegna (76) getroffen haben. Der Italiener lag minutenlang auf dem Boden und musste am Ende abtransportiert werden.

Büchsenwurf

Die legendäre Cola-Dose aus der Europapokal-Nacht gegen Inter Mailand ist mittlerweile in der „Fohlenwelt“ ausgestellt.

Inter legte Beschwerde gegen das Spiel ein. Die von Italienern dominierten Gremien der UEFA stimmten dem Protest schließlich zu. Da Inter das Rückspiel mit 4:3 im eigenen Stadion gewinnen konnte, reichte ihnen ein 0:0 im Nachholspiel, um in die nächste Runde einzuziehen. Das „Wurfgeschoss“ steht heute im Vereinsmuseum von Borussia Mönchengladbach.

1978: Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln im Fernduell um die Meisterschaft

Am letzten Spieltag der Saison 1977/78 lagen der 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach punktgleich an der Tabellenspitze. Nur das bessere Torverhältnis trennte die Kölner von den Fohlen. An diesem Tag sorgte der VfL für ein Novum im deutschen Fußball. Mit 12:0 besiegte er die Dortmunder Borussia. Feiern durfte am Ende dennoch nur der FC, da er selbst mit 5:0 gegen St. Pauli gewonnen hatte.

Udo Lattek

Mönchengladbachs Trainer Udo Lattek verzweifelt. Obwohl seine Mannschaft zwölf Tore schießt, hat sie im Meisterkampf das Nachsehen.

Der Kölner Trainer, Hennes Weisweiler (63✝), wollte nach dem Spiel allerdings nichts von der Meisterschaft wissen. „Kein Kommentar“ stänkerte er den wartenden Journalisten entgegen. Die Geschehnisse im Düsseldorfer Rheinstadion, in dem Borussia aufgrund eines Umbaus im Bökelberg spielte, hatten seine Nerven stark strapaziert.

Das Spiel hatte auch für die Dortmunder Konsequenzen. Jeder Akteur bekam vom Verein eine Strafe in Höhe von 2000 D-Mark aufgebrummt. Zusätzlich mussten alle Spieler persönlich beim DFB antanzen, da es den Verdacht der Manipulation gab.

1997: Schalker Eurofighter und Lars Rickens Lupfer

Es ist das bisher einzige Mal, dass zwei deutsche Mannschaften in derselben Saison die beiden europäischen Wettbewerbe gewannen. Borussia Dortmund spielte 1997 im Finale der Champions League gegen Juventus Turin. In der ersten Halbzeit traf Karl-Heinz Riedle (54) doppelt für den BVB. Auf der anderen Seite verkürzte Alessandro Del Piero (45). Schließlich war es Lars Ricken (44), der für die Entscheidung sorgte: In der 71. Minute traf er einige Sekunden nach seiner Einwechslung sehenswert per Lupfer. Für Dortmund war es der erste und bis heute einzige Champions-League-Titel.

Dortmund Champions League

Die Dortmunder Spieler feiern den Sieg der Champions League.

Im Finale des UEFA-Cups traf der FC Schalke auf Inter Mailand. Im Hinspiel setzen sich die „Knappen“ dank eines Tores von Marc Wilmots (51) mit 1:0 durch. Im Rückspiel glich Inter in der 84. Minute aus. Schalke behielt im Elfmeterschießen aber die Nerven und sorgte für den bislang letzten Sieg einer deutschen Mannschaft in diesem Wettbewerb.

2001: Schalkes Vier-Minuten-Meisterschaft

„Meister der Herzen“, ein Spruch, den jeder Schalker schon zu genüge gehört hat. Bitterer als im Jahr 2001 wurde aber noch keine Mannschaft um den Titel gebracht. Am letzten Spieltag der Saison lag der FC Bayern auf dem 1. Platz. Der FC Schalke war mit drei Punkten Abstand hinter den Bayern positioniert. Dafür hatten sie das bessere Torverhältnis. Schalke gewann sein Heimspiel gegen die SpVgg Unterhaching mit 5:3, war aber darauf angewiesen, dass der Hamburger SV gegen Bayern gewinnt. Tatsächlich traf Sergej Barbarez (48) in der 90. Minute zur Hamburger Führung.

Geschichte schrieb schließlich Rolf Fuhrmann (71). Seine Falschmeldung löste damals die kürzeste Meisterfeier der Geschichte aus. Denn im Gegensatz zu Fuhrmanns Aussage war das Spiel in Hamburg noch nicht abgepfiffen. Stattdessen bekamen die Bayern kurz vor Ende einen umstrittenen indirekten Freistoß im Hamburger Strafraum zugesprochen. Patrik Andersson (48) erzielte schließlich den Ausgleich – mit seinem ersten Saisontor. Während in Hamburg die Bayern in Ekstase verfielen, flossen auf Schalke bittere Tränen.

2014: Deutschland - Brasilien 

Im Halbfinale der WM 2014 demütigte die Deutsche Nationalmannschaft die Brasilianer in ihrem eigenen Land. Mit 7:1 schossen Mirsolav Klose (42), Thomas Müller (30) und Co. die Südamerikaner aus dem Estadio Mineirao in Belo Horizonte. Dabei spielte sich die Mannschaft von Trainer Jogi Löw (60) in der 1. Halbzeit in einen regelrechten Rausch. Müller erzielte nach einem Eckball unbedrängt das 1:0. Zwölf Minuten später krönte sich Klose mit dem zweiten Treffer des Tages zum alleinigen Rekordtorschützen der WM-Geschichte. Es folgten drei weitere Tor im Minutentakt durch Toni Kroos (30) und Sami Khedira (33).

Zu Beginn der 2. Halbzeit zeigten sich die Brasilianer noch einmal angriffslustig, scheiterten aber immer wieder am herausragenden Manuel Neuer (34). Der eingewechselte Andre Schürrle (29) schraubte das Ergebnis mit zwei weiteren Toren nach oben. Erst in der Nachspielzeit gelang den Brasilianern durch Oscar (28) noch der Ehrentreffer.

Das 7:1 gegen Brasilien war das höchste jemals erzielte Ergebnis in einem WM-Halbfinale. Fünf Tage später besiegte die Deutsche Nationalmannschaft im WM-Finale Argentinien und gewann zum vierten Mal eine Weltmeisterschaft.