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Calmund über seinen schwersten GangEigentor Ballack: Als Leverkusen Vizekusen wurde

Calmund Unterhaching Schale Victoria

Hatte er am 20. Mai 2000 eine böse Vorahnung? Reiner Calmund würdigte Victoria und Meisterschale vor dem Spiel keines Blickes.

Köln/Saarlouis – Der Blick geht starr geradeaus. Jetzt bloß nicht nach rechts blinzeln. Reiner Calmund (heute 71) will das nicht sehen. Da steht sie, die Meisterschale. Die echte. Daneben die wunderschöne Victoria, die von 1903 bis 1944 und im modernen Fußball von 1992 bis 2014 mit der Schale an den Deutschen Meister überreicht wurde. An diesem 20. Mai im Jahr 2000 gibt es keine Zweifel: Beide gehören nach dem Spiel Bayer Leverkusen. Ein Punkt in Unterhaching? Kein Thema. Doch Calli schaut nicht hin. Ahnt er was? Das Ergebnis ist bekannt: Bayers Traum wird zum Trauma. Die Meister-Sause steigt mal wieder im Olympiastadion. Leverkusen wird zu Vizekusen. „In der Kabine war eine Stimmung wie auf dem Zentralfriedhof in Chicago“, sagt Christoph Daum (66) später mit leerem Gesichtsausdruck. 20 Jahre später erinnert sich Reiner Calmund für EXPRESS an seinen schwersten Gang.

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Von Reiner Calmund

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Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass der Name „Unterhaching“ bei mir nichts auslöst. Es sind zweierlei Gefühle, die mich überkommen, immer wenn ich den Namen des Münchener Vorortes höre. Auf der einen Seite ein bisschen Trauer über die verpasste Chance und den Gedanken an die leeren Gesichter der Spieler, Trainer und Fans damals. Auf der anderen Seite denke ich an diese große unerfüllte Sehnsucht meines Lebens – die Deutsche Meisterschaft.

Die Gedanken an diesen Samstag im Mai 2000 schmerzen heute, nach 20 Jahren, nicht mehr so sehr. Doch das Geschehen bleibt unvergesslich. Ein Unentschieden hätte gereicht, die Meisterschale stand poliert vor meinen Augen. DFB-Präsident Egidius Braun war zur Siegerehrung angereist. Die Bayer-Fans erwarteten und erhofften unseren ersten Meister-Titel.

Der Rest ist bekannt. Christoph Daum hatte uns mit seinem Team eine Saison lang begeistert. Ob Jens Nowotny, Carsten Ramelow, Michael Ballack, unser „weißen Brasilianer“ Bernd Schneider, Stefan Beinlich, Ulf Kirsten, Emerson oder Zé Roberto – diese Mannschaft stand für technisch starken Offensiv-Fußball, für fußballerisches Spektakel auf höchstem Niveau. In 33 Spielen holte sie 73 Punkte, schoss 74 Tore und hatte nur zweimal verloren.

Reiner Calmund: „Mich kannst Du ins Weltall schießen“

Und dann Unterhaching. Ich erinnere mich genau an den Tag. Mein Umfang täuschte damals schon, ich bin gesundheitlich fit wie ein 18-Jähriger, auch heute noch – mich kannst du ins Weltall schießen. Aber an diesem Morgen war alles anders. Ich war wie ein Gummiball, ganz eigenartig. Ich hatte irrsinnig Herzklopfen. Unsere Mediziner sagten: „Wir checken dich mal durch!“ Alle Werte waren in Ordnung.

Trotzdem war ich bis 13 Uhr total nervös, hatte hohen Puls. Aber dann: Schnarchzapfen-Modus. Ich fuhr völlig runter, sagte auf der Tribüne zu unserem Sportchef Rudi Völler: „Ich bin so ruhig, als hätte ich Valium genommen.“ Komischerweise ging es den Spielern auf dem Platz dann so ähnlich.

Kein Glanz, keine Eleganz, kein Tempofußball. Wie gelähmt stolperten die Jungs durch den Sportpark. Und dann das: Ballack, der beste Spieler der Saison, macht nach 20 Minuten das Eigentor!

Reiner Calmund: „DJ Ötzi klingt noch heute in meinen Ohren“

DJ Ötzi mit seinem „Anton aus Tirol“ klingt noch heute in meinen Ohren. Die Scheibe haben sie in Haching bei jedem Tor voll aufgedreht. Natürlich auch nach dem 2:0 durch Markus Oberleitner. In meiner Erinnerung muss man das bis ins Olympiastadion gehört haben. Mir konnte man danach jahrelang wegbleiben mit dem Anton...

Nach dem Schlusspfiff waren wir punktgleich hinter den Bayern Vizemeister. Unsere Mannschaft hatte in der Saison ganz klar den schöneren Fußball gespielt und auch mehr Tore geschossen. Der Spielverderber war nicht nur Münchens Weltklasse-Torwart Oliver Kahn, der weniger Tore kassiert hatte als unsere Abwehr, sondern auch unser eigenes Nervenkostüm.

Der Albtraum war Realität geworden an diesem Tag im Mai 2000. Statt Champagner flossen die Tränen. Unterhaching hat sich an diesem Nachmittag auf ewig im Nervenkostüm, ja, in der DNA von Bayer 04 festgesetzt. Jeder Fan braucht bis heute nur dieses Wort in den Mund zu nehmen – und jeder weiß, was gemeint ist: Es bleibt hart!