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EXPRESS-SerieEx-FC-Trainer Wolfgang Jerat: „Ich bin Sportdirektor – in der 8. Liga“

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Grau ist er geworden: Beim EXPRESS-Gespräch ließ Wolfgang Jerat in der Shisha-Bar „Rauchfieber“ Dampf ab.

Köln – Es blubbert. Und qualmt. Eine Shisha-Bar in Ehrenfeld. Wolfgang Jerat (61) ist buchstäblich im „Rauchfieber“. „Ich helfe hier ab und an aus“, sagt der ehemalige FC-Trainer. Und nimmt auf seinen Geburtstag erst mal einen Zug.

Einmal Bundesliga-Trainer sein. Der Kalker konnte sich diesen Traum erfüllen. Auch wenn er nur kurzzeitig war.

Im Februar 1993 löste der damalige Amateurcoach Jörg Berger ab. „Wir hatten mit der U23 eine Riesen-Halbserie gespielt, Jörg Berger hatte sich verschlissen. Als ich die Mannschaft von ihm übernommen hatte, war es das schlechteste Ergebnis der Bundesligageschichte.“

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Wolfgang und die Star-Ansammlung

Die Mannschaft: eine Ansammlung von Stars (Illgner, Rudy, Ordenewitz) außer Form. Dazu hatte sich Berger mit Kapitän Pierre Littbarski überworfen.

Das Aus im Europapokal bei Celtic Glasgow, das letzte internationale FC-Spiel bis heute, war ein Schlüsselmoment. „Berger war misstrauisch. Er hatte immer Verschwörungen vermutet, er war nicht locker. Beim letzten Europapokal-Spiel bin ich im Auftrag vom Verein hin und hab´ die Spielbeobachtung gemacht. Ich hab´ einen entsprechenden Bericht für die Mannschaft gemacht. Aber den bekam nie einer zu lesen: Berger hat mich gar nicht empfangen. Das hat mich verletzt. Und als sie dann verloren haben, habe ich gesagt: Seid ihr selber schuld. Da war ich sauer und habe das dann geäußert.“

Jerats Märchen beim FC währt nur neun Spiele

Wenige Monate später ist Berger weg. Jerat bekommt die Chance seines Lebens. Aber das Märchen vom Amateurcoach, der zum Chef wird, erfüllt sich für ihn nicht. Es währt nur acht Wochen und neun Spiele.

Zwar schafft es Jerat, Uwe Fuchs und vor allem Litti den Spaß am Spiel in dessen Abschiedsjahr zurückzugeben. Auch das wichtige Spiel bei Konkurrent Saarbrücken gewinnt er dank überraschender Offensiv-Taktik 3:0. Doch als er Ende April an Morten Olsen übergibt und dessen Assistent wird, hat der FC immer noch drei Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz.

„Die Zeit habe ich nicht genossen. Ich war zu jung und ehrgeizig. Mir war oft egal, was mit anderen Leuten ist. Zum Beispiel mit Jörg Berger. Ich hab’ die Chance gesehen, und alles andere war mir scheißegal. Ich steckte in einem Tunnel“, sagt Jerat brutal ehrlich.

So tickt Jerat heute

So war er stets. Keiner weiß das besser als sein türkischer Kumpel Göksel Bilgin. Mit dem Inhaber der „Rauchfieber“-Bar hat Jerat ein Projekt ins Leben gerufen: Galatasaray Köln.

Als Sportdirektor in der 8. Liga will Jerat mit seiner Erfahrung und seinen Kontakten helfen, einen neuen Verein etablieren, und vor allem auf die Jugend setzen. Seit einem Jahr laufen die Gespräche mit der Stadt, Galatasaray würde seine Zelte gerne in Bocklemünd aufschlagen. Jerat: „Das Interesse ist riesig. Sogar Lukas Podolski hat schon bei mir angerufen und sich erkundigt, was hier läuft.“

„Ich habe in meinem Leben häufig Scheiße gebaut“

Ab der Saison 2016/17 ist die Senioren-Mannschaft gemeldet. Man merkt Jerat an, dass er Feuer und Flamme für das Projekt ist. Heute geht es ihm gesundheitlich wieder gut – das war mal anders. „Ich habe in meinem Leben häufig Scheiße gebaut, dazu muss man auch stehen. Das ist überstanden, mir geht es wieder gut.“

Er erzählt, wie er in Schwierigkeiten geriet. „Im Fußball gibt es für mich keine Schattenseiten oder Druck. Druck hat man nur, wenn man finanziell und gesundheitlich Probleme hat. Wenn man die Familie nicht ernähren kann, weil man Schulden hat. Das habe ich auch erlebt“, erzählt er.

„Mein Partner hat mich betrogen“

„Ende der 90er hatte ich versucht, mich als Finanzdienstleister selbstständig zu machen. Aber mein Partner hat mich betrogen. Er ging in den Knast, und ich musste die Finger heben. Ich saß in der Schuldenfalle. Das war der Genickbruch. Ich habe jahrelang gekämpft, um die Insolvenz abzuwenden, meine ganze Lebensversicherung, meine Immobilien habe ich reingesteckt, teilweise habe ich 8000 verdient und es reichte nicht aus. Gutmütigkeit und Dummheit waren der Grund für das Dilemma.“

Die Folgen sind bitter: Jerat flieht in die Sucht. Eine Therapie und seine Freundin helfen ihm schließlich glücklicherweise zurück auf die richtige Bahn – und der Fußball.

Überall und nirgendwo

Ob beim Bonner SC, Viktoria Köln oder im Ausland – immer wieder tauchte Jerat als Trainer auf. Seit seinem letzten Engagement in Tschechien lebt das Stehaufmännchen wieder in Köln: „Ich kriege Arbeitslosengeld, will mir mit Galatasaray aber ein neues Standbein aufbauen“, sagt er.

„Meine Tochter lebt in Leipzig, die gibt mir immer wieder Mut. Mein Sohn Tim unterstützt mich auch. Es macht Spaß, selbst in der Kreisliga D. Im Grunde ist es so: Wenn du auf dem Platz bist, willst du gewinnen. Egal ob in der Bundesliga gegen Schalke oder in der Kreisliga D. Es geht mir nicht mehr drum, reich zu werden, es geht darum, dass man vernünftig leben kann. Man muss jetzt keine 10.000 mehr verdienen. Ich hab alles erlebt, ob man ein Haus hat oder Apartment. Am Ende schläft man eh in einem Bett.“

Jerat hadert nicht. Er ist mit sich im Reinen - und denkt nur an Fußball. Am Ende unseres Gesprächs fragt er nach der Handynummer seines alten Freundes Morten Olsen. Sofort ruft er an. Fünf Jahre haben die beiden alten Freunde sich nicht gehört. Aber es klingt, als hätten sie erst gestern zuletzt telefoniert. Am Ende verabreden sie sich, demnächst mal ein FC-Spiel zu besuchen.

So sieht Wolfgang Jerats Trainer-Statistik aus

• 1992-1993: 1. FC Köln (9 Spiele, am Ende 12. Platz)

• 1996-1997: Wuppertaler SV (Regionalliga West/Südwest, 34 Spiele, 6. Platz)

• 2006-2007: FC Junkersdorf (Oberliga Nordrhein, 16.)

• 2008-2010: Wuppertaler SV (Regionalliga Nord, 5.)

• 2008-2010: Bonner SC (NRW-Liga, Meister)

2011-2012: KF Pristina (Kosovo)

2012-2013: Viktoria Köln (Regionalliga West, 6.)

2014-2015: FK Most (Tschechien, 15.)