Missverständnis statt MärchenGründe und Hintergründe von Modestes FC-Flucht

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Anthony Modeste, hier beim FC-Spiel in Freiburg am 9. Januar, hat einen Blitz-Abgang hingelegt.

Köln – Als Anthony Modeste (32) im November 2018 zum zweiten Mal einen Vertrag beim 1. FC Köln unterschrieb, hatte er fest vor, seinen Herzensklub nie wieder zu verlassen. Nicht mal zweieinhalb Jahre später flüchtete der Franzose am Montag (1. Februar) in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zur AS Saint-Étienne. EXPRESS beantwortet die wichtigsten Fragen zu Tonys Blitz-Abgang!

  • Anthony Modeste hat den 1. FC Köln am letzten Tag der Winter-Transferphase verlassen
  • Der Stürmer spielt bis Saisonende beim französischen Erstligisten AS Saint-Étienne
  • EXPRESS erklärt Gründe und Hintergründe

Die wichtigsten Fragen zu Anthony Modestes Abschied vom 1. FC Köln

Gerade mal in 18 Pflichtspielen stand Modeste nach seiner umjubelten FC-Rückkehr in der Startelf. Insgesamt gelangen ihm elf Treffer in 48 Partien. Das erhoffte Märchen wurde zum teuren Missverständnis!

Wie kam es zu Anthony Modestes plötzlichem Frankreich-Abschied?

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Tonys Winter-Abgang kam für alle überraschend. Noch am Sonntag, beim 3:1-Sieg gegen Arminia Bielefeld, ging beim FC keiner von einem Modeste-Wechsel aus.

Selbst für die Bosse kam das Interesse aus Frankreich aus heiterem Himmel. Erst am Montag, dem letzten Tag der Transferphase, nahmen die Verhandlungen so richtig Fahrt auf. Schnell war allen Parteien klar, dass sie den Deal machen wollen.

Wie viel Geld spart der FC?

Rund 1,5 Millionen Euro Grundgehalt hätte Modeste bis Saisonende beim FC noch verdient. Davon spart Köln nach EXPRESS-Informationen eine hohe sechsstellige Summe – also nicht ganz die zunächst erhoffte eine Million Euro.

Warum hatte es Anthony Modeste nach seiner Rückkehr zum 1. FC Köln so schwer?

Die Gründe sind vielschichtig. Als Modeste am 15. Februar 2019, bei der 2:3-Pleite in Paderborn, sein Köln-Comeback feierte, lag sein bis dato letztes Pflichtspiel (für China-Klub Tianjin Quanjian) mehr als ein halbes Jahr zurück. Ihm fehlte die Spielpraxis, zudem hatte Ex-Coach Markus Anfang (46) mit Simon Terodde (32) den Zweitliga-Torjäger schlechthin in seinen Reihen und auch bei Jhon Cordoba (27) den Knoten gelöst.

Hieß: Modeste war vom Start weg gefrustet, weil er meist nur als Joker randurfte – trotz fünf Treffern in den ersten sechs Einsätzen. Hinzu kamen Sorgen abseits des Platzes: der Kohle-Zoff mit seinem chinesischen Ex-Arbeitgeber und der Tod seines geliebten Vaters Guy (†64).  

Nach dem Aufstieg setzten zwar sowohl Achim Beierlorzer (53) als auch Markus Gisdol (51) zunächst auf den Franzosen als Startelf-Spieler – allerdings lieferte Tony nun nicht. Erst im Schlussspurt der vergangenen Saison fand er annähernd zurück zu alter Form, traf in seinen ersten vier Partien nach dem Corona-Restart dreimal.

Dann aber bremsten ihn monatelang Knie- und Bandscheiben-Probleme aus. Modeste verpasste verletzungsbedingt die gesamte Vorbereitung auf die aktuelle Saison. Ein Dilemma, denn eigentlich müsste er als 32-Jähriger mehr als andere für seinen Körper machen und nicht über Wochen nur zuschauen. Den Rückstand konnte er bis heute trotz Extra-Schichten mit Athletikcoach Max Weuthen (32) nicht aufholen.

Hätte Markus Gisdol mehr auf Anthony Modeste setzen müssen?

Nein, das wäre fahrlässig gewesen! Markus Gisdol hat ihm so viel Einsatzzeit gegeben, wie er verantworten konnte. Bei Modestes einziger Liga-Startelf-Chance kassierte der Trainer die schlimmste Pleite seiner FC-Amtszeit (0:5 in Freiburg). Modeste passt nicht in Gisdols System, läuft nicht genug für die Vorstellungen des Coaches.

Es kann keine Rede davon sein, dass sich der Trainer zu wenig um Tony gekümmert hätte. Dass der Franzose dies anders sehen mag, versteht sich von selbst. Eine Sonderbehandlung wie früher unter Peter Stöger (54) wäre angesichts von Modestes aktuellem Wert fürs Team allerdings einfach nicht gerechtfertigt gewesen. Dennoch wuchs bei ihm von Woche zu Woche der Frust!

Aus dem Geißbockheim heißt es, Gisdols Verhältnis zu Modeste sei nicht so schwierig, wie viele Beobachter denken – aber eben auch von der großen Unzufriedenheit des Angreifers geprägt. Neben Verletzungssorgen und fehlender Fitness muss vor allem das falsche Selbstverständnis des stolzen Stürmers als Hauptgrund für den Blitz-Abgang gesehen werden.

Geht der FC mit dem Modeste-Abschied ein Risiko ein?

Mit Modeste verließ der aktuell einzig spielbereite Mittelstürmer mit Bundesliga-Erfahrung den Klub. Aus Sicht der Verantwortlichen ist das allerdings kein Risiko – weil man nach der Verpflichtung von Emmanuel Dennis (23) eben noch weniger auf Modeste gesetzt hätte und auf die Rückkehr von Sebastian Andersson (29) hofft.

Es gab Momente in dieser Saison, in denen eigentlich Tolu Arokodare (20) im Kader hätte stehen müssen und man Modeste nur aus Gründen der Teamhygiene nominierte.

Warum holt AS Saint-Étienne Anthony Modeste trotz Formschwäche?

Die Verantwortlichen des Tabellen-16. der Ligue 1 stehen extrem unter Druck. Saint-Étienne steckt im Abstiegskampf und hat keinen funktionierenden Mittelstürmer. Noch am Montag brachten wütende Fans am Stadion ein riesiges Banner an, mit dem sie am letzten Tag der Transferphase Neuzugänge forderten.

Modeste, der sich während seiner besten FC-Saison 2016/17 im Dunstkreis der französischen Nationalmannschaft bewegte, ist durch seine Vergangenheit in Bordeaux, Nizza und Bastia (31 Treffer in 129 Ligue-1-Spielen) ein großer Name in seiner Heimat.

War Anthony Modestes Rückkehr zum 1. FC Köln ein Fehler?

Im Nachhinein muss diese Frage klar mit „Ja“ beantwortet werden. Damals aber waren sich alle, ob Verantwortliche, Fans oder Umfeld, über die Rückhol-Aktion einig gewesen.

Lediglich die damaligen Mitgliederrats-Chefs Stefan Müller-Römer und Carsten Wettich stimmten angesichts des monströsen Vertragswerks über fünf Jahre mit einem Bundesliga-Gehalt von 3,7 Millionen Euro plus Anschlussvereinbarung gegen eine Verpflichtung und behielten damit recht. Der Deal erwies sich als krasse Fehleinschätzung – als teuerster Fehler der jüngeren Vereinsgeschichte neben dem Abgang von Florian Wirtz (17, Bayer Leverkusen).

Die Verantwortlichen orientierten sich 2018 zu sehr an Modestes China-Gehalt sowie seinem früheren Leistungsvermögen. Sie blendeten aus, dass dieser eineinhalb Jahre nicht mehr auf hohem Niveau Fußball gespielt hatte.

Spielt Anthony Modeste jetzt nie wieder für den 1. FC Köln?

Stand jetzt ist davon auszugehen, dass Modeste in der kommenden Saison wieder im FC-Kader steht. Sein Vertrag läuft schließlich noch bis 2023 (plus Anstellung nach Karriere). So viel Geld wie Köln wird Tony kein anderer Klub der Welt mehr bieten. Zudem ist seine Familie hier zu Hause.

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Sportchef Horst Heldt (51) sagt: „Die Luftveränderung und den Wechsel in seine Heimat sehen wir als Chance. Wir wünschen Tony, dass er bei Saint-Étienne möglichst viel spielen kann, seine Tore macht und zu seiner Stärke zurückfindet.“