FC-Boss spricht KlartextWehrle über Geißbockheim, Stadion, Transfers & Stöger

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Geschäftsführer Alexander Wehrle vom 1. FC Köln kämpft seit sechs Jahren um den Geißbockheim-Ausbau.

von Jürgen Kemper (kem)Martin Zenge (mze)

Köln – Es ist eine turbulente Woche beim 1. FC Köln. Erst wurde bekannt, dass das neue Ratsbündnis den Geißbockheim-Ausbau torpediert, dann wurden Vorwürfe laut, der FC habe die Pacht für das Rhein-Energie-Stadion eigenmächtig um 75 Prozent gekürzt.

Viel Arbeit für Alexander Wehrle (45). Im EXPRESS-Interview spricht der FC-Geschäftsführer über den Pachtvertrag für die Gleueler Wiesen, die Verhandlungen mit den Kölner Sportstätten, Winter-Transfers und Spekulationen um eine Rückkehr von Ex-Coach Peter Stöger (54).

Alexander Wehrle, am Sonntag fand die turnusmäßige Klausurtagung des Vorstands und der Geschäftsführung statt. Welche Themen standen auf der Agenda?

Alles zum Thema Peter Stöger

Es ging vor allem um strategische Fragestellungen. Die Pandemie und die damit verbundenen Planungsperspektiven waren Thema. Es ging nicht um die Trainerfrage, falls Sie das meinen. Das Treffen war mehrere Wochen im Voraus geplant.

War die bevorstehende Transferphase ein Thema?

Nein, auch das nicht. Das besprechen wir in den Vorstandssitzungen.

Wie ist der aktuelle Stand: Wird der 1. FC Köln im Winter tätig werden? Kann sich das der Klub überhaupt leisten?

Wir sind dieses Jahr in einer besonderen Situation, in der das Transferfenster schon nach 13 Spielen aufgeht. Wir haben bis dahin noch einige Partien vor uns. Ob wir dann auf dem Transfermarkt aktiv werden, hängt von vielen Einflussfaktoren ab. Von den eigenen Ergebnissen, von Verletzungen, die einen treffen könnten, und von Entwicklungen bei anderen Vereinen, um nur ein paar zu nennen. Dazu kann es sein, dass sich auch noch etwas auf der Abgabenseite tut. Ich kann daher zum jetzigen Zeitpunkt nichts ausschließen. Eins ist nur klar: Wir haben keine Millionen zur Verfügung, um etwas zu machen.

Sie haben zuletzt gesagt, dass Sie mit einem Umsatzverlust von 40 Millionen Euro rechnen. Was bedeutet diese Summe für einen Verein wie den 1. FC Köln?

Wenn man bedenkt, dass wir in einem normalen Jahr in der 1. Bundesliga zwischen 125 und 135 Millionen Euro Umsatz machen, dann fehlt uns ein Drittel an Umsatz. Das ist eine Menge. Deshalb müssen wir mit Gegenmaßnahmen wie dem Gehaltsverzicht und anderen Kosteneinsparungen dagegensteuern.

Fans in den Stadien würden die Einnahmen steigern. In England startet die Liga am Wochenende wieder mit Teilöffnungen. Wann rechnen Sie in der Bundesliga wieder mit Zuschauern?

In Zeiten, in denen es darum geht, Kontakte zu reduzieren, wäre es ein falsches Zeichen, über Teilöffnungen nachzudenken. Wir sind gut beraten, uns an die Vorgaben der Politik zu halten. Ich bin mir aber sicher, dass es nächstes Jahr einen Zeitpunkt geben wird, an dem wir wieder über die tragfähigen Hygienekonzepte diskutieren können. Ich bin sehr optimistisch, dass wir noch in der laufenden Bundesliga-Saison Zuschauer im Rhein-Energie-Stadion sehen werden.

Es gibt den Vorwurf, der FC habe die Stadionpacht eigenmächtig um 75 Prozent gekürzt hat. Was sagen Sie dazu?

Wenn aktuell Restaurants und Hotels wegen der strengen Corona Auflagen keine Gäste mehr bewirten dürfen, dann erhalten Sie zur Entschädigung vom Staat 75 Prozent ihrer Vorjahresumsätze. Damit soll verhindert werden, dass Restaurants und Hotels massenhaft pleitegehen. Im Fußball ist die Situation durchaus vergleichbar. Wir müssen eine hohe Pacht für ein Stadion bezahlen, in das wir seit Monaten keine oder nur ganz wenige Zuschauer lassen dürfen. Wir haben daher bereits im April, als klar war, dass wir bis auf weiteres den normalen Spielbetrieb nicht wieder aufnehmen können, das Gespräch mit der KSS (Kölner Sportstätten GmbH, Anm. d. Red.) gesucht, um einen Modus zu finden. Den haben wir aus unserer Sicht hergeleitet, und den hat die KSS zur Kenntnis genommen. Auch die KSS versteht, dass wir nicht die volle Pacht für ein leeres Stadion zahlen können. Lediglich bei der Frage, wie eine Einigung aussehen könnte, liegen wir noch auseinander. Hier geht es auch um komplizierte rechtliche Fragen. Wir befinden uns aber in einem engen, vertrauenswürdigen und guten Austausch mit der KSS und der Verwaltung. Das Verständnis für die jeweils andere Seite steht dabei im Vordergrund. Ich bin zuversichtlich, dass wir am Ende Lösungen finden, die für alle Seiten tragfähig sind.

Ein großes Ärgernis ist der Geißbockheim-Ausbau. Die CDU unterstützt im Stadtrat nun ein Moratorium, das die Pläne auf Eis legen könnte. Wie haben Sie das aufgenommen?

Nur mal zur Erinnerung: Als der 1. FC Köln vor sechs Jahren Gespräche mit den politischen Parteien der Stadt Köln über die Zukunft unseres Trainingsgeländes aufgenommen hat, haben uns alle im Rat der Stadt Köln vertretenen Parteien gedrängt, dass wir im Grüngürtel bleiben und dort ausbauen. Auch die Grünen haben sich damals dafür ausgesprochen. Die öffentliche Diskussion und politische Entscheidung hat dann sechs lange Jahre gedauert. Jetzt haben wir endlich eine Entscheidung, aber die verantwortliche Politik ist möglicherweise nicht bereit, zu ihrem Votum zu stehen. Umso mehr sind wir nun überrascht über Aussagen, weil mit uns nicht über die neue Position gesprochen wurde. Ich hätte mir vorher ein Gespräch gewünscht, bevor man damit an die Öffentlichkeit geht. Es gilt aber festzuhalten, dass wir einen demokratisch getroffen Ratsbeschluss haben. Wir haben darüber hinaus einen städtebaulichen Vertrag mit der Stadt Köln abgeschlossen. In diesem Vertrag ist auch die Umsetzung des Pachtvertrages geregelt. Für uns, wie für jeden anderen Investor, ist die Verlässlichkeit der Politik ein wichtiges Gut. Wir hoffen sehr, dass wir auch weiterhin auf die Verlässlichkeit unserer Partner zählen können.

CDU-Chef Bernd Petelkau schiebt Ihnen den Schwarzen Peter zu. Er sagt: Sie hätten „das Projekt versemmelt“. Was sagen Sie dazu?

Diese angebliche Aussage von Herrn Petelkau irritiert mich. Ich habe mit ihm leider noch nicht selbst dazu sprechen können, daher möchte ich hier sehr vorsichtig sein. Jeder, der sich mit den Abläufen der Stadtverwaltung beschäftigt, weiß ganz genau, dass wir als 1. FC Köln nicht Herr des Verfahrens sind. Wir können gar keinen Pachtvertrag zur Abstimmung einreichen. Dafür ist die Stadtverwaltung zuständig. Und dort liegt bereits seit Monaten der fertig ausverhandelte Vertrag vor. Die Verwaltung hat selbst entschieden, keinen Pachtvertrag zu Abstimmung in den Rat einzubringen, als dieser im Juni und September in diesem Jahr getagt hat – also noch vor der Kommunalwahl.

Wie geht es jetzt weiter?

Es steht nun eine Klage an, wir sind daher bewusst in ein Zielabweichungsverfahren gegangen. Wir haben im Regionalrat eine politische Mehrheit bekommen, um juristische Planungssicherheit zu bekommen. Jetzt müssen wir die nächsten Schritte abwarten.

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Geschäftsführer Alexander Wehrle präsentiert das Sondertrikot des 1. FC Köln für den Stiftungsspieltag gegen Wolfsburg.

Zu einem erfreulicheren Thema. Wie zufrieden sind Sie mit dem Absatz des Karnevaltrikots?

Es ist in der Tat sehr erfreulich. Es ist im positiven Sinne ein Wahnsinn, dass unsere Fans dieses Trikot ohne Session so toll angenommen haben. Wir sind selber überrascht davon. Das zeigt aber auch ganz klar, dass wir das Element Karneval beim 1. FC Köln glaubwürdig leben und dass unsere Fans herrlich anders sind und uns unterstützen. Nichtsdestotrotz haben wir corona-bedingt natürlich auch erhebliche Einbußen im Merchandising. Wir hoffen, dass das Weihnachtsgeschäft für uns noch mal positiv verläuft. Das hängt natürlich auch immer ein Stück weit an den sportlichen Ergebnissen.

Am Samstag gegen den VfL Wolfsburg treffen Sie mit Jörg Schmadtke auf einen alten Bekannten. Wie ist Ihr Verhältnis heute?

Es ist immer etwas Besonderes, wenn Jörg nach Köln kommt, er ist schließlich lebenslanges FC-Mitglied. Wir tauschen uns immer noch aus, telefonieren regelmäßig. Wenn man vier Jahre zusammenarbeitet, dann prägt das natürlich das Miteinander.

Ein anderer alter Bekannter ist Peter Stöger. Es gab Gerüchte um eine Rückkehr, er selbst sagt, es spräche nichts dagegen. Wie sind die Spekulationen einzuordnen?

Ich habe das letzte Mal im Sommer Kontakt mit Peter Stöger gehabt. Ich freue mich immer, wenn ich ihn sehe und höre. In diesem Thema gab es allerdings nichts mit ihm zu besprechen. Unser Trainer heißt Markus Gisdol.

Wie froh sind Sie, dass das Trainer-Thema nach dem Dortmund-Sieg nicht auch noch auf die Agenda gerutscht ist?

Für jeden Verein ist es hilfreich, auf entscheidenden Positionen Kontinuität zu haben. Jeder Sieg ist wichtig, in dem Fall war es ein ganz bedeutender. Es war ein starkes Signal. Man hat gesehen, wie die Mannschaft leidenschaftlich gekämpft hat, um das Unmögliche möglich zu machen. Darüber haben wir uns alle sehr gefreut. Es fällt in so einem Moment auch sehr viel von einem ab.

Fühlen Sie sich an die letzte Saison erinnert?

Das würde mich dann daran erinnern, wenn jetzt bis Ende des Jahres noch weitere Siege folgen. Ich hatte zumindest nach dem Spiel das Gefühl, dass dies ein Wendepunkt gewesen sein könnte. Die Saison ist noch jung, wir freuen uns auf die nächsten Spiele und hoffentlich viele weitere Zähler.

Neben ihrer Aufgabe beim FC sitzen Sie noch im DFL-Präsidium. Da muss ein Nachfolger für Christian Seifert gefunden werden. Hat man Sie schon gefragt, ob Sie es machen wollen?

Christian Seifert hat zunächst noch bis Sommer 2022 Vertrag – bis dahin ist noch viel Zeit. Der Aufsichtsrat wird im ersten Schritt über die Struktur diskutieren. Danach geht es dann erst um Personalien.

Können Sie sich diese Aufgabe denn grundsätzlich vorstellen?

Ich arbeite sehr gerne für den 1. FC Köln und habe einen Vertrag bis 2023. Von daher mache ich mir darüber gar keine Gedanken.

Wie läuft die Suche nach einem Nachfolger für Frank Aehlig?

Wir haben keine Eile, weil Frank noch bei uns ist. Er wird auch noch die Transferphase im Winter machen. Danach werden wir intern ganz in Ruhe das Profil dieser Position diskutieren. Es hat keinen Sinn, zum jetzigen Zeitpunkt über Namen zu spekulieren.

Spielerberater Volker Struth hat zuletzt öffentlich gesagt: „Der Verein passt mit seiner Romantik, seiner Satzung und seiner Struktur nicht zu meiner Vorstellung von der Führung eines Bundesliga-Klubs. Außerdem denke ich, dass in Zukunft nur Klubs eine Chance haben, die sich Partnern und Investoren öffnen.“ Wie bewerten Sie seine Aussagen?

Das ist eine Diskussion, die sie nicht mit mir, sondern mit dem Eigentümer des 1. FC Köln führen müssen. Eigentümer ist der Verein mit seinen Mitgliedern. Und der ihn führende Vorstand hat dazu eine klare Meinung.