Kommentar zur Situation um Müller-RömerDie FC-Revolution frisst ihre Kinder

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Die FC-Verantwortlichen Werner Wolf, Stefan Müller-Römer, Eckhard Sauren, Lionel Souque und Alexander Wehrle (v.l.) am letzten Spieltag der vergangenen Saison auf der Tribüne.

von Alexander Haubrichs (ach)

Köln – Spannende Tage beim 1. FC Köln: Schon bald könnte es zum Treffen zwischen FC-Präsident Werner Wolf (63) und Mitgliederratschef Stefan Müller-Römer (52) kommen. Vom kompletten Rücktritt aus dem Gremium über einen Rückzug aus der Gremiumsführung bis hin zum Verbleib im Amt scheint alles möglich. Die Entscheidung aber wird Auswirkung haben auf die zukünftige Ausrichtung des 1. FC Köln, findet unser Autor im Kommentar.

Eine schwere Bundesliga-Saison bricht für den 1. FC Köln heran, doch die Schlagzeilen bestimmt ein anderes Thema: Der Eklat um die Mails von Mitgliederratschef Stefan Müller-Römer an ein Mitglied, in dem es eigentlich um die Austragung einer virtuellen Mitgliederversammlung ging, in dem er aber auch die frühere Geschäftsführung harsch kritisiert und Mitglieder, die in sozialen Netzwerken pöbeln, „AfD-artig“ nennt.

1. FC Köln: Ist Stefan Müller-Römer noch tragbar?

Die große Frage, die auch Stefan Müller-Römer für sich selbst beantworten muss: Ist er an der Spitze des Gremiums noch tragbar? Schließlich ist es nicht der erste Vorfall dieser Art, mit seiner direkten und offenen Art und der Neigung, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, eckt der Anwalt mehr an, als es den meisten am Geißbockheim lieb ist.

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China-Ärger, Fan-Zoff und Mail-Eklat

So kann man der Meinung sein, dass die Volksrepublik China mit ihren Internierungslagern für Uiguren und ihrer brutalen Niederschlagung der Hongkonger Demokratiebewegung kein geeigneter Partner für den 1. FC Köln ist. Man muss es aber nicht derart brüsk formulieren und aus der Hüfte herausschießen, dass man die Klubführung in Erklärungsnot bringt.

Man kann in einem Fußballstadion jemanden, der einem dumm kommt, eine Ansage machen. Ob es klug ist, als Amtsträger auf der Tribüne Schimpfworte in den Mund zu nehmen, wenn Leute in der Nähe sind, die einem seit Jahren nur Böses wollen, steht auf einem anderen Blatt.

Auch im Streit mit dem Alt-Internationalen Stephan Engels (60), dem er nun vorwarf, Lügengeschichten zu verbreiten, hat er sich nicht immer geschickt verhalten.

Harsche Kritik an der Geschäftsführung

Auch in dem Fall der Mails gilt: Müller-Römer kann sich in seiner Aufsichtsfunktion ein Urteil über die Arbeit des früheren Vorstands und der alten Geschäftsführung machen – und es darf auch harsch ausfallen angesichts der schwierigen Situation. Nur, sich schriftlich gegenüber Fremden darüber äußern, dass darf er nicht, selbst wenn die Konversation als vertraulich gekennzeichnet war.

Stefan Müller-Römer steckt in der Falle

Es ist erst einmal egal, wer die Falle gestellt hat, in die Müller-Römer getappt ist. Er steckt drin und muss sich gut überlegen, was jetzt das Beste für den Verein ist. Schließlich weiß auch er, dass im Geißbockheim die Stimmung nicht gerade für ihn ist. Allerdings sollte man schon noch ein bisschen die Verhältnismäßigkeit wahren: Es haben schon Vizepräsidenten auf der Mitgliederversammlung Redner mit schlimmeren Worten beschimpft und den Mittelfinger gezeigt – und niemand hielt es für nötig, daraus einen Skandal zu konstruieren.

Aber darum geht es jetzt nicht, es geht um Stefan Müller-Römer und den öffentlichen Aufruhr, den seine Mails verursacht haben. Präsident Werner Wolf (63) dürfte einen Rücktritt fordern. Gibt Müller-Römer dem nach, hätte die Revolution von 2012 beinahe alle ihre Kinder gefressen: Jürgen Sieger hat schon seinen Hut genommen, Carsten Wettich (40) könnte das neue Vorstandsamt die kritische Note nehmen, und selbst der unermüdliche Streiter für FC-Fragen in den sozialen Netzwerken, Ho-Yeon Kim (39), denkt inzwischen über einen Rückzug nach. All jene, die für eine Erneuerung des 1. FC Köln nach der Vetternwirtschaft und der Klüngelei der „Nullerjahre“ standen, wären weg. Schon jetzt mehren sich die Stimmen aus der aktiven, engagierten Fanszene, die sich enttäuscht abwenden, die verbliebenen fordern Müller-Römer aber zum Durchhalten auf.

Weniger Mitbestimmung beim 1. FC Köln?

Was könnte sonst folgen? Es droht ein Zurückfahren der Mitbestimmung, Öffnung für „strategische Partner“, die Alexander Wehrle (45) schon im Stadtanzeiger-Interview von Wolf unwidersprochen ins Spiel bringt. Diese Ratschläge kommen auch von Spielerberater Volker Struth (52) und Ex-Bayer-Manager Reiner Calmund (71), die das als einzigen Weg für einen zukunftsfähigen 1. FC Köln sehen – andernfalls drohen in „zehn Jahren Landesliga-Duelle gegen Porz“ prophezeit Struth in der Sport-Bild. Es geht also um mehr als nur um die Person Stefan Müller-Römer. Sondern auch um eine zukünftige Ausrichtung des Klubs. Der nächste Kampf ums Geißbockheim hat schon begonnen.