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ExpertencheckPatrick Helmes über Pfiffe, Wirtz und die 10: Meine Derby-Wahrheit!

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Nach seiner Zeit beim FC jetzt als Jugendtrainer bei Bayer Leverkusen: Patrick Helmes. 

von Markus Krücken (krue)

Köln – Er kennt das Gefühl: Bayer gegen den FC – und alle gucken auf dich!

Patrick Helmes (36) ist einer der wenigen Grenzgänger, die für beide Derby-Rivalen spielten, die sich heute Abend (20.30 Uhr, Sky) gegenüberstehen. Er traf 47-mal für Köln, 38-mal für Bayer.

Im EXPRESS-Interview zieht der frühere Aufstiegsheld und Nationalspieler, der seine Karriere 2015 verletzungsbedingt beenden musste und aktuell in der Leverkusener Jugend als Trainer aktiv ist, seine persönliche Derby-Bilanz.

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Herr Helmes, es heißt oft: Die echten Derbys sind Geschichte. Wie stehen Sie dazu?

Helmes: „Geschichte ist nur immer das letzte Derby! Das Derby lebt vom ganzen Drumherum. Im Laufe der Trainingswoche werden diese Spiele durch die mediale Berichterstattung sehr speziell thematisiert, und als Spieler wirst du von den Fans natürlich drauf angesprochen. Beide Fanlager wollen für dieses Spiel die Nummer eins am Rhein sein. Da machst du vielleicht als Spieler einen Meter mehr, oder bist eventuell etwas übermotiviert, wenn die Fans dich so pushen. Im Derby, in diesem einen Spiel, kann man einen besonderen Status erlangen im jeweiligen Fanlager, für alle Seiten ist das nach wie vor ein großes Spiel, nicht irgendein Spiel.“

Und in der Zeit der Geisterspiele, ohne Zuschauer?

„Ich habe das Spiel Gladbach gegen FC gesehen, als Ex-Fußballer kamen selbst bei mir die Emotionen nicht hoch. Das ist jetzt eben als Zuschauer so, und in der aktuellen Gesamtsituation mit Corona sind wir alle froh, dass überhaupt Fußball gespielt wird. Früher musstest du als Trainer vor so einem Spiel kein Wort sagen, das fehlt jetzt ein Stück. Als du eingelaufen bist zum Aufwärmen, war die Spannung direkt da, und du hast eine riesige Vorfreude verspürt.“

Sie sind vom FC zu Bayer gewechselt. Wie Florian Wirtz. Was raten Sie dem Jungen? Sie selbst wurden schließlich einst angefeindet.

„Das sind Geschichten, die vor allem für die Fanlager interessant sind. Aber hinter all dem Fußball-Wahnsinn stecken auch Menschen. Man vergisst die Sicht aus allen Perspektiven, das ist ein Stück weit abhanden gekommen. Viele vergessen den Grund und die Frage: Warum konnte der Verein den Spieler nicht halten?“

Viele der Fans denken: Nur wegen des Geldes.

„Es ist wie bei mir, auch dort kam die Wahrheit nie wirklich ans Licht. Es wurde sich sehr einfach gemacht und ich wurde als Schuldiger auserkoren! Florian zählt in seinem Jahrgang zu den Top drei in Deutschland, wenn nicht sogar in Europa. Bayer hat ihm mit Sicherheit eine tolle Perspektive aufgezeigt, und er konnte in den vergangenen Wochen schon die ersten Schritte machen auf der großen Bühne. Er ist gesegnet mit einem unglaublichen Talent und spielt jetzt in einer Mannschaft, die in den vergangenen 20 Jahren konstant in der Bundesliga zu den ersten Fünf gehörte.“

Kann man beide Fälle vergleichen?

„Nein! Dafür benötigt man alle Hintergründe der Gespräche und die genauen Vertragsdetails. Er ist ja noch ein sehr junger Erwachsener! Man sieht, wie gut er ist, er hatte viele tolle Ansätze in den ersten Einsätzen. Aber auch er bemerkt, dass er noch vieles verbessern muss. Er hat den Vorteil, dass er Jugendspieler war und nicht im Profibereich gewechselt ist. Das war bei mir anders, und die Reaktion damals habe ich ja hautnah miterlebt. Und auch heute gibt es noch Fans, die den Wechsel nicht nachvollziehen können, weil sie eben nicht die wahren Gründe wissen!“

Was ist Ihre Botschaft?

„Mein damaliger Traum war es, beim 1. FC Köln zu bleiben und eine ganze Karriere für diesen Klub zu spielen.“

Ihre Derby-Highlights?

„Mein erstes Bundesliga-Tor, und das vergisst man nie, schoss ich in einem Derby in Leverkusen, zum 1:2. Ich habe auch in Derbys gegen Gladbach oder Düsseldorf wichtige Tore erzielt. Mein erstes Heimspiel für Bayer gegen den FC war mein schwierigstes. Da habe ich auf dem Platz lange gebraucht, um mich zu sortieren. Dann kam im Rückspiel der Elfer und ich war in meinen Mannschaften immer der Schütze. Es dauerte fast sechs Minuten, bis ich schießen konnte. Lange Zeit, um nachzudenken mit Blick in die Südkurve. Die Leute pfiffen so unfassbar laut, das habe ich nie wieder so erlebt.“

Wie geht man als FC-Spieler und wie als Bayer-Profi ins Derby?

„Der Kölsche lebt von den Emotionen und von den Erfolgen, die Jahrzehnte zurückliegen. Motto: Denen wollen wir mal zeigen, dass wir heute genauso gut sind. Leverkusen gehört seit zwei Jahrzehnten zu den Top fünf. Motto: Das Spiel müssen wir gewinnen. Die Kölner wissen, dass sie ans Limit gehen müssen, wie in der Hinrunde, um punkten zu können! Wenn du die Mannschaften gegenüberstellst, hat Bayer den besseren Kader – aber das Hinspiel hat gezeigt, wie man einer besseren Mannschaft das Leben schwer machen kann. Klar ist: Bayer spielt mit Gladbach um den Champions-League-Platz und braucht jeden Punkt.“

Und was ist mit dem 1. FC Köln?

„Der FC muss jetzt den Deckel draufmachen, und was gibt es für Köln Besseres, als in Leverkusen den Sack zuzumachen? Das könnte ein Ansatz der Ansprache von Markus Gisdol sein. Bosz weiß auch: Wir haben mehr Qualität, aber im Hinspiel haben wir es nicht gezeigt, und dann kann der FC uns ein Bein stellen. Leverkusen wird diesmal mehr auf der Hut sein, denke ich.“

Wie schauen Sie rückblickend auf Ihre Karriere? Wäre ohne Verletzungen nicht viel mehr drin gewesen?

„Man muss irgendwann lernen, mit gewissen Dingen zufrieden zu sein. Ich weiß, was ich konnte, hatte eine tolle Karriere mit vielen wunderbaren Momenten in tollen Vereinen, war deutscher Nationalspieler. Aber klar: Ich hätte den Punkt meines Karriereendes gerne selbst bestimmt.“

Stimmt es, dass sogar der große FC Barcelona und andere europäische Top-Klubs Sie mal wollten?

„Es gab immer wieder Anfragen großer Klubs. Aber eine Weltkarriere hängt auch von deinem Körper ab. Wenn ich es geschafft hätte, zehn Jahre ohne große Verletzung zu sein, wer weiß. Aber mein Körper wollte nicht so, wie ich mir das gewünscht habe. Ich hatte immer zwei super Jahre, und das dritte war dann der Horror. Verletzung 2006, 2009, 2012 und 2015. Natürlich ist es eine Ehre, wenn große Vereine anrufen, doch für mich war Deutschland die Nummer eins. Hier leben meine Familie, all meine Freunde, die Stadien sind das Beste, was es weltweit gibt, du spielst immer vor vollen Rängen. Das Kölner, Schalker oder Dortmunder Stadion – jeder Profi will da spielen. Immer laut, immer voll. Mehr geht nicht.“

Ärgert es Sie, dass Sie nie mit der berühmten Nummer zehn für den FC in einem Pflichtspiel auflaufen konnten?

„Wir wussten, welcher Wirbel da eventuell entstehen könnte, als der Klub mir die Zehn gab, aber ich konnte damit gut umgehen. Erfolg wird im Fußball von ganzen Mannschaften getragen. Natürlich sticht immer ein Einzelner heraus. Wie Wolfgang Overath oder Lukas Podolski, mit dem habe ich selbst zusammengespielt. Beide hatten die Zehn. Aber ich finde, es ist nicht die Nummer eines Einzelnen, es ist die Nummer des 1. FC Köln. Als Modeste seine 25-Tore-Saison spielte und wegging, hieß es auch nicht, die Nummer wird nicht mehr vergeben. Oder Toni Polster, ich habe ihn auch geliebt, dessen Nummer neun sollte nie ein anderer mehr tragen? Oder Bruno Labbadias Elf? In ein paar Jahren fangen dann die Trikotnummern bei 100 an! Die Nummer ist nicht das, was die große Bedeutung hat, sondern das, was unterm Shirt steckt, und wer bereit ist, alles für seinen Klub zu geben. Und das war ich immer! Es ist halt so gekommen, dass ich mein Karriereende nicht selbst bestimmen konnte. Aber es gibt ganz andere Dinge im Leben, die größere Bedeutung haben, deshalb ist das für mich okay.“