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„Wenn die an die Macht kommen, ist es aus“FC-Mitgliederrat: Appell für Wettich-Wahl

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Ho-Yeon Kim (r.) und Christian Hoheisel führen den Mitgliederrat des 1. FC Köln an und sitzen im Gemeinsamen Ausschuss.

von Alexander Haubrichs (ach)

Köln – Es ist ein Drahtseilakt über dem Vulkan 1. FC Köln: Die Chefs des Mitgliederrats, Ho-Yeon Kim (39) und Christian Hoheisel (52), sind auf der Mitgliederversammlung des 1. FC Köln gefordert wie nie. Die Nachfolger des zurückgetretenen Stefan Müller-Römer (53) und des in den Vorstand aufgerückten Carsten Wettich (41) müssen den Spagat schaffen zwischen der nötigen Kritik an der Arbeit des Vorstands in den vergangenen Monaten – und gleichzeitig gute Gründe für ihren Vorschlag vorbringen, Wettich im Amt des Vizepräsidenten zu bestätigen.

  • Mitgliederrat stellt sich hinter Vizepräsidenten-Kandidat Carsten Wettich
  • Klare Kante gegen Investoren-Einstieg beim 1. FC Köln
  • Spannung vor der Mitgliederversammlung des 1. FC Köln

Kim und Hoheisel müssen versuchen, eine lebhafte Diskussion unter den Mitgliedern zuzulassen und gleichzeitig klare Kante gegen jene Pöbler und Störer unter den FC-Anhängern zu zeigen, die die Grenzen überschreiten. Im EXPRESS-Interview werben sie für eine Wahl Wettichs und nutzen die Gelegenheit für einen flammenden Appell: „Der Verein braucht jetzt Ruhe. Wenn jetzt Chaos ausbricht, nutzt das nur jenen, die den Verein, wie er jetzt ist, nicht mehr wollen. Dann war der ganze Kampf umsonst!“

Angespannte Stimmung vor der Mitgliederversammlung des 1. FC Köln

Wie ist die Stimmungslage beim Mitgliederrat des 1. FC Köln kurz vor der Mitgliederversammlung und angesichts der Diskussionen im Umfeld?

Ho-Yeon Kim (lächelt): Gespannt bis angespannt, würde ich sagen.

Christian Hoheisel: Wir sind unglücklich, dass es eine virtuelle Versammlung ist, und auch die Mitglieder werden unglücklich sein. Als wir einluden, war nicht abzusehen, dass die Zahlen derart sinken würden, dass jetzt eine hybride Versammlung möglich wäre. Wir hoffen aber auf einen lebhaften Abend mit kritischen und konstruktiven Diskussionen.

Hätte man da nicht noch einmal etwas versuchen können in Richtung Präsenzveranstaltung?

Kim: Das haben wir. Aber das hat auch juristische Gründe, dass wir diesen Weg gegangen sind, denn sonst laufen wir Gefahr, dass die Versammlung anfechtbar wird. Wir müssen sie bis zum 29. Juni durchführen. Formell wäre es schwierig geworden, wenn wir zu einem Präsenzteil eingeladen hätten, der dann womöglich hätte abgesagt werden müssen. Und vor zwei Monaten konnte noch niemand seriös die heutige Entwicklung vorhersagen.

Bleiben die Mitgliederversammlungen des 1. FC Köln hybrid?

Wie sieht es in Zukunft aus? Sollten die Veranstaltungen hybrid werden?

Kim: Bei einer Präsenzveranstaltung kann man Sachverhalte ganz anders gemeinschaftlich besprechen, miteinander streiten. Der Austausch vor Ort ist durch nichts zu ersetzen. Es kommen Mitglieder aus Sachsen, Thüringen oder aus dem Süden angereist. Demokratie ist manchmal anstrengend. Wir präferieren weiter die Variante einer Präsenzveranstaltung als „18. Heimspiel“.

Hoheisel: Es ist schwierig. Wie findet dann eine Meinungsbildung statt? Ich fand unsere Versammlungen immer sehr spannend. Klar ist das für auswärtige Mitglieder schwierig. Aber genauso, wie sie zu den Heimspielen kommen, kommen sie zu unserer Versammlung. Wir sind nun mal ein Kölner Verein.

Kim: Ein Austausch auf digitalem Weg ist wirklich schwierig. Die Mär, dass die Teilnehmerzusammensetzung bei einer Präsenzveranstaltung nicht repräsentativ ist, kann man widerlegen. Wir müssen gemeinsam diskutieren, was die beste Lösung ist.

Hoffnung auf besseren Umgang untereinander beim 1. FC Köln

In den vergangenen Jahren wurde der Ton zwischen den Mitgliedern immer rauer, die Gräben größer. Gerade der Mitgliederrat, aber auch Vorstand und Geschäftsführung sind Ziel von Attacken. Ist die Qualität der Diskussion des 1. FC Köln würdig?

Kim: Ein ganz klares Nein! Das ist nichts, wofür der FC, die Stadt Köln oder der Fußball steht. Es verroht in der Gesellschaft immer weiter, und der Fußball ist ein Brennglas. Gerade deswegen wird der persönliche Austausch immer wichtiger, um auch dieser Entwicklung entgegenzutreten.

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EXPRESS-Reporter Alexander Haubrichs am 11. Juni 2021 im Gespräch mit dem Chefs des Mitglieder-Rats, Christian Hoheisel und Ho-Yeon Kim.

Hoheisel: Was ich nicht verstehe: Wir sind alle Fans und Mitglieder dieses Vereins. Dann andere als Gesindel oder Schlimmeres zu bezeichnen, ist schon schlimm. Sich dann noch damit zu brüsten, dass man vom Verein gemaßregelt wird – da fällt mir nicht mehr viel ein. Wir können das nicht mehr bagatellisieren. Gott sei Dank greift der Klub da mittlerweile auch durch.

Hatten Funktionsträger des Vereins eine gewisse Mitschuld, weil da Gräben aufgerissen wurden?

Hoheisel: Sicher. Gerade rund um die letzten Mitgliederversammlungen war es offensichtlich Taktik, Gräben aufzureißen, die Mitglieder zu spalten und bestimmte Gruppen in den Senkel zu stellen, um sich dann den Rückhalt der anderen Mitglieder zu sichern. Deswegen war das Motto des neuen Vorstands „Gemeinsam gewinnen alle“ so überzeugend.

Warum hat das Gräben zuschütten bis heute nicht funktioniert?

Kim: Man muss es erst einmal schaffen, mit allen Gruppen wieder ins Gespräch zu kommen. Erst dann kann man wieder zusammenführen. Das ist anstrengend, gerade während einer Pandemie, es ist aber der einzige Weg. Und es gibt erste Erfolge. Wir können nur dafür werben, dass dieser sicherlich harte Weg weiter fortgesetzt wird.

Hoheisel: „Nächsten zwei Jahre sind entscheidend für den 1. FC Köln“

Wie sieht der Mitgliederrat den Zustand des Vereins? Es scheint viel in Bewegung.

Hoheisel: Die nächsten zwei Jahre sind entscheidend für den 1. FC Köln. Da gibt es einige, die wollen an die Fleischtöpfe, ohne ein eigenes Konzept zu haben, außer den Verein verkaufen zu wollen. Wenn die an die Macht kommen, dann ist es aus. Dann war der ganze Kampf der vergangenen zehn Jahre umsonst. Das müssen alle wissen. Insbesondere die, die den jetzigen Vorstand kritisch sehen, sollten das wissen.

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Carsten Wettich, hier am 7. Mai 2021 am Geißbockheim, will auf der FC-Mitgliederversammlung zum Vizepräsidenten gewählt werden.

Trotzdem gibt es teilweise harsche Attacken auf den Vorstand. Macht Sie das nervös?

Hoheisel: Wir sind angespannt aufgrund der Angriffe, die aus verschiedenen Richtungen gegen Carsten Wettich gefahren werden. Seitdem wir ihn in den Vorstand entsandt haben, arbeitet er sehr fleißig und akribisch. Er ist ein echter Fanvertreter. Es wäre also geradezu tragisch, wenn bei der Wahl sich der Volkszorn ausgerechnet gegen Carsten Wettich richten würde.  

Wie bewerten Sie die Arbeit des Vorstands?

Hoheisel: Man kann zwar mit dem Tempo und dem Auftritt des jetzigen Vorstands unzufrieden sein. Es sind einige Fehler in der Vergangenheit begangen worden. Die finanziellen Altlasten, die daraus resultieren, die muss man doch erst mal aufräumen. So viele Verträge, bei denen das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht stimmt, diesen finanziellen Rucksack tragen wir immer noch.

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Der FC-Vorstand: Präsident Werner Wolf (oben links) mit seinen Vizes Carsten Wettich (l.) und Eckhard Sauren am 7. März 2021 gegen Werder Bremen.

Kim: Wir müssen hier unterscheiden zwischen der Arbeit, die intern geschieht und die extern gesehen wird. Intern sind viele richtige Sachen angestoßen, wobei wir auch feststellen müssen, dass diese extern so gut wie gar nicht wahrgenommen werden. Hier muss der Vorstand auch aktiver werden, um die eigene Arbeit und Entscheidungen sichtbar werden zu lassen.

Sie haben eben von einer „Gegenseite“ gesprochen. Wo sehen Sie die Kontrahenten?

Kim: Man hört, dass einige Vorstandsmitglieder von früher im Hintergrund aktiv sind, alle auf ihre Weise. Genauso wie viele aus dem weiteren Umfeld, man muss nur sehen, wer sich aktuell alles zu Wort meldet. Es gibt einige Versuche von organisierten Gruppen, die Rechte des Mitgliederrats zu beschneiden. Aber ein Aufsichtsorgan ohne Kontrollbefugnisse ist ein zahnloser Tiger. Einige wollen die alten Machtstrukturen zurück. Aber einige, die jetzt alles besser wissen, haben uns erst in die heutige Situation eingebrockt.

Die aktive Fanszene hat aber auch ihr Misstrauen bekundet. Sollte sie einlenken?

Hoheisel: Ja unbedingt. Zum jetzigen Vorstand gibt es nur die Alternative eines Machtkampfes – mit ungewissem Ausgang. Wenn Carsten gewählt wird, können wir nach Corona den Vorstand beim Wort nehmen. Dann müssen sie im nächsten Jahr liefern. Wenn Carsten jetzt nicht gewählt wird, dann muss wieder ein Mitgliederrat nachrücken. Und das hilft niemandem.

Kim: Es brennt derzeit. Wir haben jetzt eine Strategie für den 1. FC Köln vorliegen, wie wir den FC gerettet und weiterentwickelt bekommen. Wenn die drängendsten Löscharbeiten erst einmal geschafft sind, können wir immer noch darüber diskutieren, wie wir das Haus brandsicher wiederaufbauen – am besten alle gemeinsam.

Was spricht gegen das Investorenmodell?

Hoheisel: Schauen Sie doch nach England. Die Preise explodieren, das Publikum wird komplett ausgetauscht, die Vereine sind Spielbälle ihrer Besitzer. Das viele Geld landet am Ende in den Taschen der Spieler und ihrer Berater. Das kann nicht die Zukunft des deutschen Fußballs sein und wir sind froh, dass das Kartellamt kürzlich dem Modell 50+1 seine Daseinsberechtigung zugesichert hat.

Aber noch mal zurück zur Versammlung am Donnerstag. Warum sollen die Mitglieder Carsten Wettich wählen?

Kim: Es wäre falsch, wenn die Wahl von Carsten Wettich als Denkzettel-Abstimmung für den Vorstand genutzt wird. Carsten und ich ticken in vielen Dingen ähnlich, auch wenn wir unterschiedliche Schwerpunkte haben. Er arbeitet hart, bringt Themen zum Abschluss und wenn er etwas vorlegt, dann hat das Hand und Fuß. Er bringt vieles mit, um den Vorstand bis 2022 sinnvoll zu ergänzen. Ich kann nur dazu aufrufen, Carsten bis zum Ende der Amtszeit das Vertrauen zu schenken.