„Nicht nachvollziehbar“Weltmeister Matthäus und Kohler schießen gegen das DFB-Team

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Für seine Einwechslungen, wie hier zum Beispiel von Hertha-Reservist Niklas Stark, handelte sich Joachim Löw viel Kritik ein.

Köln – Drei Spiele, dreimal geführt, dreimal nicht gewonnen. Der Neustart nach der langen Corona-Pause ist für die Nationalmannschaft alles andere als nach Wunsch verlaufen. Gegen die Türkei schien der erste Sieg für Joachim Löws (60) Truppe im Jahr 2020 zum Greifen nah, doch dann schlug Fortuna-Stürmer Kenan Karaman (26) zu. „Ich glaube, das Kölner Stadion liegt mir ganz gut – als Düsseldorfer“, sagte der Torschütze gut gelaunt. Im Bundesliga-Derby mit Düsseldorf beim 1. FC Köln Ende Mai (2:2) war er auch erfolgreich gewesen.

Kenan Karaman: „Das Kölner Stadion liegt mir ganz gut“

Im deutschen Lager war die Stimmung nach dem 3:3 weniger gut. „Das Ergebnis macht uns alle angefressen. Wenn man dreimal führt und wie im September gegen Spanien eigentlich in letzter Minute das Ausgleichstor kassiert, ist das ganz schön ärgerlich“, sagte der Bundestrainer. Während Löw den Weg aus der Ergebnis-Krise sucht, mehren sich die Stimmen der Kritiker.

Vor allem Rekordnationalspieler Lothar Matthäus (59) ging mit Löw hart ins Gericht. „Deutschland hat jetzt zum fünften Mal die Führung verspielt, gegen die Türkei dreimal in einem Spiel. Wieder kosteten taktische Fehler von Jogi Löw bei den Einwechslungen den Sieg. Ich wundere mich, wenn ich sehe, dass da viele Spieler wie Nico Schulz für Deutschland auflaufen, die in ihren Vereinen auf der Bank sitzen“, sagte der Ehrenspielführer der „Bild“: „Genau deshalb schaltet für Deutschland keiner mehr den Fernseher ein.“

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„Man will die erste Mannschaft sehen, und nicht die Ersatzspieler“, legte Matthäus tags darauf bei Sky nach. „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass Spieler im Verein zweite oder dritte Wahl sind und dann auf einmal Deutschlands Farben vertreten und hier Spielpraxis sammeln.“

Für Weltmeister Jürgen Kohler (55) sind die Probleme vielschichtiger. Den gesunkenen Stellenwert der Nationalmannschaft erklärt er im „Kicker“ mit einer „Übersättigung“, späten Anstoßzeiten, teuren Tickets und einer „gesellschaftlichen Veränderung“. „Wirtschaftliche Nöte und Kurzarbeit hier, weiter extrem hohe Gehälter und Ablösesummen dort. Das führt zu einer Entfremdung zwischen Fußball und Fans“, äußerte Kohler: „Nachrichten wie die von einer Steuer-Razzia beim DFB tragen in dieser Gemengelage nicht unbedingt zur Besserung bei. Dazu ist der Wettbewerb der Nations League in meinen Augen unsinnig und bietet keinen sportlichen Reiz.“

In dieser Gemengelage sind Länderspiele vielen Fußball-Fans inzwischen ziemlich egal. Eine Einschaltquote von durchschnittlich 5,82 Millionen bei RTL unterstreicht das. Ein Marktanteil von 21,6 Prozent ist der niedrigste Wert der über 14-jährigen Ära von Bundestrainer Löw. „Zuletzt hatte ich oft den Eindruck, dass die Spiele nur vor sich hinplätschern, das Zuschauen machte mir da häufig keinen Spaß“, sagt Kohler.

Löw verteidigt sich gegen die Kritik, weist auf den engen Terminplan hin: „Die drei Begegnungen in einer Woche, da kann man sich schon fragen, ob das so glücklich terminiert ist. Wir nutzen solche Spiele. Das ist eine Plattform für junge Spieler, die sich hier beweisen können.“ Und zu seinen defensiven Wechseln sagte der Bundestrainer: „Wir wollten bewusst das Wechselkontingent ausschöpfen, haben einige Spieler gezielt runtergenommen, weil wir sie auch am Samstag wieder brauchen. In der Offensive hatten wir aber kaum Möglichkeiten, weil wir mehr defensive Leute auf der Bank hatten.“

Joachim Löw zuversichtlich: „Wir werden in der Ukraine gewinnen“

Am Samstagabend in Kiew soll es nun endlich klappen mit dem ersten Dreier des Jahres. Die Ukraine ist nach zahlreichen Corona-Fällen im Team kaum konkurrenzfähig, ging beim Testspiel am Mittwoch in Frankreich mit 1:7 unter. „Wir sind alle heiß und hoch motiviert, das nächste Spiel zu gewinnen. Wir werden das schaffen“, verkündet Löw. Fakt ist: In seinem 185. Länderspiel braucht er den Sieg – sonst dürfte der Gegenwind der Kritiker zum Orkan werden.