ZDF-Experte Hyballa im Interview„Geht verstärkt darum, hässliche Tore zu erzielen“

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Der Trainer und Taktik-Experte Peter Hyballa wird bei der anstehenden Europameisterschaft als TV-Experte im ZDF auftreten. Das Bild zeigt ihn bei seinem polnischen Ex-Klub Wisla Krakau am 9. April 2021.

von Anton Kostudis (kos)

Köln – Wenn in knapp zwei Wochen Spieler eines Weltklasseformats wie Cristiano Ronaldo (36), Karim Benzema (33) oder Kai Havertz (21) bei der Europameisterschaft gegen den Ball treten, wird Peter Hyballa (45) ganz genau auf die taktischen Auffälligkeiten achten und sie dem ZDF-Zuschauer näherbringen. Als Trainer- und Taktik-Experte wird der gebürtige Bocholter die EM-Spiele begleiten. Im EXPRESS-Interview spricht Hyballa über sogenannte „ugly goals“, Jugend-Spiele gegen Thomas Tuchel (47) und seine neue Aufgabe in Dänemark.

  • Taktik-Experte Peter Hyballa im EXPRESS-Interview
  • Bei der Europameisterschaft wird er als Fernseh-Experte für das ZDF arbeiten
  • Außerdem spricht Hyballa von sogenannten „ugly goals“

Herr Hyballa, wie genau wird man eigentlich Taktik-Experte?

Nun, als Trainer bist du ja nicht nur Taktik-Experte, sondern automatisch Experte in verschiedenen Bereichen. Du leitest die Einheiten, bist auch als Pädagoge gefragt. Aber natürlich ist Taktik ein wichtiges Thema für mich. In meinem Fall ist es so, dass ich ja auch über das Vereinstrainerleben hinaus schon einiges gemacht habe, vor allem viele Trainer-Fortbildungen gegeben. Und wenn du vor Kollegen sprichst, die alle in der Materie sind, kannst du natürlich keinen Unsinn erzählen. Ich schätze, daher habe ich dann meinen „Ruf“.

Alles zum Thema Thomas Tuchel

Wie kam der Kontakt mit dem ZDF zustande?

Ursprünglich war es Lutz Pfannenstiel, über den der Kontakt zustande kam. Ich war dann im vergangenen Jahr erstmals bei der Übertragung der Zweitliga-Relegation im Einsatz und auch für die EM vorgesehen, weil der Sender mit mir zufrieden war. Da das Turnier dann aufgrund der Pandemie verschoben wurde, wurde es nur noch nicht offiziell verkündet. Ein bisschen Fernseh-Erfahrung hatte ich übrigens ja auch schon: Ich war für das niederländische TV bei der WM 2018 als Experte im Einsatz.

Peter Hyballa: „Meine Beobachtungen prägnant und verständlich rüberbringen“

Wie wird ihre konkrete Rolle bei den Live-Übertragungen aussehen?

Im Kern geht es natürlich darum zu erklären, was die beiden Mannschaften da gerade taktisch veranstalten. Die Herausforderung ist dabei natürlich, nicht diese trockene Konzeptsprache zu verwenden, sondern das Ganze auch ein bisschen mit Entertainment zu verbinden. In zwei, drei Minuten muss ich meine Beobachtungen prägnant und verständlich rüberbringen. Es sitzen ja nicht nur Fußballlehrer vor den Bildschirmen, wenn die Spiele laufen.

Was ist denn aktuell der neueste Taktik-Trend im Weltfußball?

Nach wie vor sehr verbreitet ist natürlich das Gegenpressing. Das ist für viele Trainer ein wichtiges taktisches Mittel. Tendenziell habe ich außerdem das Gefühl, dass es heute verstärkt darum geht, sogenannte „ugly Goals“, also „hässliche Tore“ zu erzielen. Vor einigen Jahren war bei vielen Trainern noch die spanische Idee dominierend, also mit schönen Kombinationen schöne Tore zu erzielen. Das hat sich ein wenig gewandelt. Heute wird der Ball auf gut Deutsch auch einfach mal gebolzt, um dann die Sprintmaschinen anzuwerfen und auf die zweiten Bälle zu gehen. Fußball wird nicht mehr ganz so zelebriert wie noch vielleicht vor einigen Jahren.

Die zurückliegende Woche war die der Endspiele: Finals in Europa und Champions League, zudem die Spiele in der Bundesliga-Relegation. Welche Rolle spielt Taktik in diesen Spielen überhaupt? Oder geht es da nur noch um den bloßen Sieges- oder Überlebenswillen?

Es ist eine Mischung aus Taktik und auch Empathie. Das Wichtigste ist: Der Spieler muss das Gefühl haben, dass der Trainer ihm vertraut. Und ein Coach muss auch glaubhaft vermitteln, dass er an den Erfolg glaubt. Was die Taktik angeht, brauchen erfahrene Profis in solchen Spielen vielleicht weniger Input. Insbesondere bei jungen Spielern habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass die einen klaren Plan an die Hand bekommen wollen. Da wirst du dann als Trainer auch mal gefragt: „Coach, wie sollen wir die Außenverteidiger abdecken?“

Peter Hyballa über Jugend-Spiele gegen Thomas Tuchel

Welche deutschen Trainer sind Ihrer Meinung nach echte Taktik-Füchse?

Ich erinnere mich noch, dass ich als Jugend-Coach öfter gegen Mannschaften von Thomas Tuchel und Norbert Elgert gespielt habe. Die haben schon damals einen sehr hohen Wert auf Taktik gelegt. Plötzlich standen beispielsweise dann die gegnerischen Außenverteidiger beide an unserem Strafraum. Oder sie haben versucht, uns anders zu überraschen. Auch heute sind beide sehr flexibel, versuchen immer wieder neue Sachen. Generell bin ich der Meinung, dass viele Jugend-Trainer Anfang der 2000er-Jahre unglaublich innovativ waren. Und dass viele dieser Leute heute bei Top-Mannschaften coachen, kommt nicht von ungefähr. Am Ende muss aber jeder Trainer ein Taktik-Fuchs sein. Denn die Frage aller Fragen ist doch für jeden Coach: Wo und wie kann dein Team den Ball bekommen. Und wo hat der Gegner Schwächen, die du ausnutzen kannst. Darauf musst du Antworten finden.

Joachim Löw hat die Rolle rückwärts vollzogen und die ausgebooteten Thomas Müller und Mats Hummels für seine letzte EM zurückgeholt. Die richtige Entscheidung?

Jogi ist ein loyaler Typ. Ich denke, alle Seiten haben sich ausgesprochen. Und ich glaube auch, dass beide Spieler richtig Bock auf die EM haben und dem Team weiterhelfen können. Jogi wird definitiv einen guten Plan haben.

Sie sind ja zumindest bei den letzten beiden Stationen – Wisla Krakau und NAC Breda – nicht ganz glücklich geworden, haben aber bereits einen neuen Job für nach der EM. Sie übernehmen in Dänemark den Zweitligisten Esbjerg fB.

Ich hatte mehrere Anfragen. Für mich war klar, dass ich weiter als Trainer arbeiten will. Ich bin mit Leib und Seele Coach, seit fast 30 Jahren nun schon. Manchmal holt mich ein Klub und sagt, dass er etwas verändern möchte. Dann verändere ich etwas – und plötzlich wollen sie es dann doch nicht mehr. Ich freue mich jedenfalls sehr auf die Aufgabe in Dänemark, es ist ein spannendes Projekt.