Haie-CoachKurzarbeit: Für viele ein Vorteil, dass sie das nun mitmachen müssen

Greskowiak Haie

Arne Greskowiak, Athletik-Trainer der Kölner Haie. Hier hinter der Bande beim Spiel gegen Schwenningen im Oktober 2018.

von Uwe Bödeker (ubo)

Köln – Wird die Corona-Krise den Spitzensport nachhaltig verändern? Wir sprachen mit Athletik-Trainer Arne Greskowiak (35) über die Situation.

Greskowiak spielte leistungsmäßig Handball, war dann Sportsoldat bei den Gebirgsjägern und gründete nach dem Studium an der Sporthochschule Köln das Leistungszentrum Agosport. Greskowiak betreut mit seinem Team unter anderem die deutsche Basketball-Nationalmannschaft, die Kölner Haie, den VfL Gummersbach, den KFC Uerdingen, die Hockey-Teams von RW Köln und SW Köln, dazu noch Radsportler, Judoka, Tennis- sowie Golfprofis und gibt Personal-Training für Privatkunden. Mit Radprofi Rick Zabel (26) organisierte er kürzlich die Charity-Radtour VeloX (hier mehr lesen).

Wie hart trifft die Corona-Pandemie den Profi-Sport?

Alles zum Thema Fußball-Bundesliga

Arne Greskowiak: Die Situation ist ganz unterschiedlich. Der Fußballer in der ersten Liga hat ganz andere Sorgen, als die Eishockey-, Basketball- oder Handballspieler, weil da die Ligen komplett zum Stillstand gekommen sind. Zudem ohne Aussicht, wann und wie es weiter geht. Gerade die kleineren Teams, wo die Einnahmen aus Ticketing generiert werden, machen sich Sorgen. Da heißt es: Ohne Zuschauer kein Sport. Und den Athleten aus diesen Vereinen geht das schon nahe und sie kommen ans Denken.

Gibt es krasse Einzelschicksale?

Ja, nehmen wir den olympischen Sport. Judoka Miryam Roper ist 37 Jahre alt, sie wollte mit Olympia 2020 in Tokio ihre Karriere beenden. Sie hätte noch drei, vier Monate eine intensive Phase gehabt, dann wäre es vorbei gewesen. Das war nach vier Jahren Vorbereitung als Karrierehöhepunkt gedacht – auf einmal bricht alles weg. Die Athleten machen das zwar gerne, aber jetzt muss sie nochmal zwölf Monate dranhängen, das ist schon intensiv für sie.

Coach der Kölner Haie: Corona-Zeit hat das Training verändert

Gibt es auch positive Erkenntnisse?

Ja, gerade wo die Phase der großen Ungewissheit herrscht, kommen viele Athleten in eine gute Selbstorganisation. Bei vielen Mannschaftssportarten, die hart betroffen sind, befinden sich die Sportler in Kurzarbeit. Aber die müssen sich ja trotzdem fit halten. Und da kommt jeder einzelne in den Fokus und muss sich fragen, was er jetzt machen muss. Man merkt schon, dass die Sportler eine hohe Eigenverantwortung aufbringen und sich selbst organisieren. Das ist für viele Athleten ein Vorteil, dass sie das nun mitmachen müssen. Sie gehen gestärkt daraus hervor – da bin ich sicher.

Greskowiak Rad

Fitness-Coach Arne Greskowiak organisiert mit Radprofi Rick Zabel die Charity-Radtour VeloX. Das Foto zeigt ihn am Kölner Stadion am 14. Juni 2020.

Rein finanziell, sehen Sie da langfristige Folgen, dass weniger Geld im Sport zur Verfügung steht?

Ja, ich spreche aber nicht von der Fußball-Bundesliga, sondern von den Sportarten dahinter, wie Basketball, Handball, Eishockey. Das lebt von Menschen aus der Wirtschaft, die Spaß daran haben, den Sport zu sehen, zu fördern und zu unterstützen. Aber wenn es den Unternehmen nicht gut geht, haben sie auch weniger Geld, um den Sport zu unterstützen. Da werden wir noch die ein oder andere Sportart oder Mannschaft sehen, die das nicht so einfach überstehen wird.

Zum Sportlichen: Wie bereitet man ein Team wie die Kölner Haie vor, wenn man nicht genau weiß, wann es los geht mit der Saison?

Im Moment gehen wir davon aus, dass wir normal im September starten, so bereiten wir uns im Rahmen der Möglichkeiten auch vor. Die Hauptrunde der Eishockey-Saison wurde ja zu Ende gespielt. Für die Haie war also die Saison sowieso vorbei. Im April und Mai wurde dann individuell das Grundlagentraining durchgeführt. Es war sogar mal ein bisschen entspannter, weil die Nationalspieler keine Weltmeisterschaft gespielt haben. Aber jetzt kommen wir langsam in die entscheidende Phase, um die Spieler auf den Höhepunkt vorzubereiten.

Kölner Haie-Coach: Wenn Eishockey-Saison verschoben wird, kommt mentales Loch

Denkt kein Profi daran, dass es nicht klappen könnte?

Im Moment gehen wir davon aus, dass alles planmäßig läuft. Das ist auch emotional und mental noch sehr gut zu steuern. Sollte es allerdings dazu kommen, dass die Saison nach hinten verschoben wird, gehe ich davon aus, dass es ein mentales Loch geben wird. Es gibt zwar Trainingsweltmeister, aber keiner trainiert fünf, sechs Monate ohne Wettkampf. Das macht halt keinen Spaß. Deshalb müssten wir uns neu orientieren, falls es dazu kommen sollte.

Wie gehen Sie persönlich damit um, immer positiv oder gab es auch Momente wo man dachte, alles ist scheiße?

So eine Scheiße habe ich auch schon mal gedacht. Aber ich glaube, man muss immer nach vorne schauen und sich fragen, wie man etwas Positives daraus gewinnen kann. Wir haben mit der Stadt Köln „Sport at Home“ umgesetzt, eine Sportkampagne im Internet, wo jeder daheim mittrainieren konnte. Das war echt überragend. Wir haben mit Marc Uth in der FC-Kabine trainiert, wir waren mit Stefan Löcher in der leeren Lanxess-Arena oder mit Moderator Tom Bartes in der leeren Loge im Stadion. Bei mir hatte ich weitere 41 Gäste im Trainingsbereich von Ago. Das war natürlich toll, mit solch unterschiedlichen Menschen Sport zu treiben. Das hat mich auch persönlich gestärkt.

Training in Corona-Zeit: Basketballer, Eishockey-Profis und Volleyballer alle in einem Chat

Wird das auch das Training von Profis in Zukunft verändern?

Ja, das Thema Eigenverantwortlichkeit auf jeden Fall. Und wir haben viele Einheiten online via Zoom-Meeting oder per Chat durchgeführt. Wir hatten dann Einheiten, wo ich auf meinem Bildschirm Spieler der deutschen Basketball-Nationalmannschaft hatte, einen Tibor Pleiß aus Istanbul, Volleyball-Nationalspieler und Eishockey-Nationalspieler. Wir waren also virtuell alle in einem Raum. Das war schon geil. Das wäre ohne Corona niemals denkbar gewesen. Ein gestandener Profispieler hätte da normalerweise keine Lust drauf gehabt. Vor Corona hätten die Sportler das als Kasperei angesehen, aber jetzt sieht man den großen Wert und Nutzen dieser neuen Art des Trainings und hat es schätzen gelernt. Ich glaube nun schon, dass sich die Art der Kommunikation, die Art des Trainings und die Selbstverantwortung verändern wird. Wir lernen alle eine Menge daraus, aber ich freue mich natürlich auch, wenn alles wieder normal ist.

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Im Eishockey gibt es erstmals Auf- und Abstieg. Verändert das auch die Gedanken in einem Team? Kommt mehr Angst dazu, dass man absteigen könnte?

Das glaube ich nicht. Weil Corona derzeit noch so präsent ist, wurde über die Modalitäten der neuen Saison von Spielerseite noch gar nicht nachgedacht. Das war aus meiner Sicht bisher kein Thema.