Corona-Selbsttest bei dmWem bringt das wirklich etwas? Ärzteverband mit Kritik

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Die Drogeriekette dm ist auf den Zug aufgesprungen und bietet jetzt Corona-Antikörpertests an. Unser Archivbild zeigt das Innere einer Filiale der Kette in Deutschland.

Köln – Die Drogeriekette ist auf den Zug aufgesprungen: dm bietet ab sofort Corona-Antikörpertests für Zuhause an. Das rund 60 Euro teure Testkit der Marke „cerascreen” gibt es aktuell ausschließlich im Online-Shop von dm.

Laut dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer wolle die riesige Drogeriekette damit ihrer „Verantwortung als kompetenter Anbieter von Gesundheitsprodukten” gerecht werden. Doch wem bringt dieser Test wirklich etwas? Der Bund Deutscher Laborärzte sieht die Tests sehr kritisch.

Kunden haben mithilfe des Selbsttests die Möglichkeit zu erfahren, ob sie Antikörper gegen das Coronavirus im Blut haben – ob sie also möglicherweise schon eine Corona-Infektion überstanden haben, ohne davon zu wissen. Wichtig: Darunter können beispielsweise auch Menschen fallen, die nur leichte oder gar keine Symptome während ihrer etwaigen Corona-Infektion hatten.

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Corona-Antikörpertest von dm: So funktioniert der Test zu Hause

Nicht zu verwechseln ist der Antikörpertest mit den sogenannten PCR-Tests, die mittels eines Rachenabstrichs durchgeführt werden und mit denen sich feststellen lässt, ob Patienten eine akute Corona-Infektion durchmachen. Eine aktuelle Infektion mit dem Coronavirus lässt sich also nicht mit diesem Test selbst diagnostizieren.

Das Durchführen des Antikörpertests von dm ist recht simpel. Hier die Übersicht der einzelnen Schritte:

  • Nach der Lieferung des Testkits haben Kunden die Aufgabe, ein kleinen Behälter mit ihrem eigenen Blut zu füllen.
  • Die Blutprobe schicken sie anschließend in ein spezielles Labor.
  • Dort wird die Blutprobe mit Coronaviren vermischt – können Antikörper nachgewiesen werden, hat die betroffene Person offenbar schon eine Infektion mit dem Coronavirus hinter sich.

Das Ergebnis des Antikörpertests liegt laut Anbieter schon zwölf bis 48 Stunden nach Einsenden der Blutprobe vor.

Corona-Antikörpertest bei dm: Was taugen sie?

Doch sind solche Antikörpertests wirklich sinnvoll? Rund 455.000 Menschen haben sich in Deutschland seit dem Ausbruch des Coronavirus nachweislich infiziert. Offiziell davon erholt hatten sich bis dato rund 325.000 Menschen (Stand: 27. Oktober 2020).

Wenn die Wissenschaft nicht trügt, haben diese 325.000 nachweislich von Corona Genesenen im Rahmen der Infektion Antikörper gegen das Coronavirus gebildet. Sie sind kurz nach überstandener Infektion immun, können sich erst einmal nicht erneut mit dem Virus infizieren.

Wie lang die Immunität gegen das Coronavirus anhält, ist allerdings unklar. Möglicherweise ein Jahr, möglicherweise auch nur ein paar Monate oder Wochen. Laut einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Wissenschaftsmagazins „Quarks” weisen Studien darauf hin, dass schon nach drei bis sieben Wochen die Antikörper gegen das Coronavirus im Blut verschwunden sein könnten.

Eine dieser Ausnahmen stammt aus NRW: Der Berufsmusiker Markus Wallrafen aus Schwalmtal (Niederrhein) ist zweimal mit dem Coronavirus infiziert worden. 

Sind Corona-Antikörpertests überhaupt sinnvoll?

Das größte Problem der Corona-Antikörpertests, auch „Antigentests” genannt: Die Menschen, die erst im Zuge eines Antikörpertests erfahren, dass sie vermeintlich immun gegen das Virus sind, könnten in der Konsequenz bestimmte Verhaltensregeln auf die leichte Schulter nehmen. Händewaschen, Desinfizieren, Abstand halten – all das kann vernachlässigt werden, wenn man immun ist. Sollte man meinen. Wer infiziert war und trotzdem keine Antikörper mehr im Blut hat, wird so zur Schwachstelle.

Wenn es denn stimmt, dass eine Immunität gegen das Coronavirus nur einige Wochen anhält, könnten diese Menschen sich in falscher Sicherheit wiegen – und potenziell weitere Menschen und sich selbst unwissentlich in Gefahr bringen. 

BDL warnt vor Corona-Antikörpertests

Der Bund Deutscher Laborärzte (BDL) warnt vor den Corona-Antigentests, die – nicht nur bei dm – inzwischen überall im Internet erhältlich sind. Man beobachte die Diskussion um die Corona-Antikörpertests für Laien „mit größter Sorge”, hieß es in einer im September veröffentlichten Stellungnahme. Diese Tests seien „keine sinnvolle Ergänzung der nationalen Teststrategie”, hieß es weiter.

Problem: Die Antigen-Bestimmung sei weniger genau als die deutlich präziseren PCR-Tests. Der BDL forderte stattdessen, weiterhin auf PCR-Tests zu setzen und die Werbung für die Corona-Warn-App massiv zu verstärken. 

Im Gespräch mit EXPRESS sagte Dr. Matthias Orth, BDL-Vorstandsmitglied und Chef der Laboratoriumsmedizin am Marienhospital Stuttgart: „Die Antikörpertests sind nicht für die akute Diagnostik geeignet, da sie ja die Immunantwort des Körpers nachweisen, die erst nach Tagen bis Wochen nach der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus entsteht.”

BDL-Vorstandsmitglied erklärt: Antikörpertests „für den normalen Bürger ohne Wert”

Er erklärt: „Eine Besonderheit des SARS-CoV-2-Virus ist die sehr variable Immunantwort: Etwa ein Drittel der Erkrankten bilden keine Antikörper oder die Antikörper fallen sehr schnell ab. Allerdings können diese Personen durch ihre Zellimmunität geschützt sein.”

Ein weiteres Problem laut Dr. Matthias Orth: Die sogenannte Kreuzreaktion mit anderen Coronaviren, die beispielsweise banale Erkältungen verursachen. Eine erhöhte Antikörperkonzentration im Blut könne auch von diesen Schnupfenviren kommen. Eine sichere Immunität gegen das Coronavirus könne mithilfe eines Antikörpertests allein also nicht nachgewiesen werden – für den normalen Bürger seien sie „ohne Wert”.

Auch in Bezug auf die Genauigkeit des Antikörpertests von dm gibt es ein Problem: Obwohl der Test mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit nachweisen kann, ob Antikörper vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Test korrekt aussagt, ob ein Patient immun ist oder nicht, sehr viel geringer. Denn: Antikörper sind nicht gleichzusetzen mit Immunität.

Verkauf von Corona-Antikörpertests durch Drogeriemärkte verstößt gegen Gesetz

Die Sensitivität des Antikörpertests von dm liegt laut Orth demnach bei rund 65 Prozent – etwa ein Drittel der Personen, die tatsächlich immun sind, gehen demnach fälschlicherweise davon aus, nicht immun zu sein. Gleichzeitig könne man davon ausgehen, dass etwa jeder zweite Antikörpernachweis falsch positiv ist, dass also keine Immunität besteht, obwohl der Antikörpertest positiv war. 

Orth betont außerdem, dass das Angebot der Selbsttests für Kunden sehr viel teurer sei als eine Testung durch den Hausarzt. Außerdem verstoße der Verkauf durch den Drogeriemarkt laut Orth gegen das Infektionsschutzgesetz, welches die Testung auf Erreger wie das neue Coronavirus ausschließlich Ärzten erlaubt.