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Trend „Slow Travel“Die Entdeckung der Langsamkeit
Köln – Wer langsam unterwegs ist, sieht einfach mehr, oder? „Slow Travel“ heißt das neue Schlagwort. Nie gehört? Ist so was wie Slow Food.
Auch in Sachen Reisen will man weg von Hektik und Oberflächlichkeit. Kann der Ansatz durch Corona bald mehr Menschen überzeugen?
Slow Travel: Langsames Reisen ist eigentlich nichts Neues
Vier Wochen mit dem elektrischen Milchwagen durch England fahren – klingt kurios. Doch es sei „das Vernünftigste und zugleich Verrückteste“ gewesen, das er jemals getan habe, so der britische Autor Dan Kieran.
„Es war, als würde das Land durch unser langsames Tempo tatsächlich größer werden.“
Die Vorliebe fürs langsame Reisen ist nicht neu, Flaneure, Backpacker und Weltenbummler machen das schon lange.
Seit der Corona-Pandemie haben viele die Entschleunigung als angenehm wahrgenommen. War es nicht Wahnsinn, wie rasant wir einst um die Welt jetteten? Drei Tage Rom, eine Woche Marokko, zehn Tage Bali.
Das Unterwegssein neu wertschätzen
Beim „Slow Travel“ geht es darum, das Unterwegssein stärker wertzuschätzen. „Die meisten von uns reisen paradoxerweise gar nicht mehr, sondern kommen nur noch an“, so Kieran.
Ähnlich sieht das Arne Gudde, Geschäftsführer des Veranstalters Langsamreisen aus Berlin. Wenn nicht gerade Corona herrscht, bietet er z. B. Seereisen auf Containerschiffen an, in 15 Tagen von Bremerhaven über die USA nach Mexiko.
Slow Travel: Der Natur wieder nah sein
Zur Kundschaft gehörten Berufstätige in Sabbaticals, Ruheständler, aber auch Studenten. Tendenziell Leute mit Zeit. Aber nicht nur. „Es gibt auch Frachtschiffreisen in Europa von nur ein bis zwei Wochen“, sagt Gudde.
Doch wofür solche Trips? „Auf einer Frachtschiffreise hat man keine Ablenkung“, sagt er. Es gehe darum, der Natur nah zu sein, Zeit zu haben. Gudde ist überzeugt: „Immer mehr Leute stellen ihr Reiseverhalten in Frage.“
Der ökologische Fußabdruck lässt sich immer schwerer ignorieren. Hätte „Slow Travel“ positiven Einfluss aufs Klima? „Eine längere Dauer trägt selbst nichts zur Klimafreundlichkeit einer Reise bei“, so Tourismusexperte Prof. Martin Lohmann. „Allenfalls über den Umweg, dass wegen einer längeren Reise auf eine zweite verzichtet wird.“
Tourismusbranche stößt an ihre Grenzen
Ob man aber sechs oder drei Wochen in Thailand bleibt, macht fürs Klima keinen Unterschied – wenn man nicht insgesamt seltener aufbricht. „Slow“ könne ja auch bedeuten, ganz fix weit weg und dann dort sehr langsam unterwegs sein.
Das Zukunftsinstitut in Frankfurt/Main räumt „Slow Travel“ Potenzial ein: „Die Tourismusbranche hat ihre Strukturen auf Schnelligkeit und Effizienz hin entwickelt – und stößt damit an ihre Grenzen“, so Trendforscherin Anja Kirig.
Von einem echten Trend könne aber keine Rede sein, so Prof. Lohmann: „Es gibt die Einstellung, dass Urlaubsreisen ökologisch verträglich und nachhaltig sein sollen. Bislang hat das praktisch keinen Einfluss aufs Reiseverhalten.“ Er sieht die Vorteile in der Psychologie: weniger Hektik, größere Wertschätzung der Augenblicke, die man erlebt.
Wie geht „Slow Travel“ in der Praxis? Dan Kieran empfiehlt, auf Reiseführer zu verzichten: Die konzentrierten sich auf Abkürzungen, die es einem ermöglichten, das Fremde zu erleben, ohne sich tatsächlich auf Orte einzulassen.
Kieran hält es mit dem Schriftsteller Satish Kumar: Alles im Leben wird besser, wenn man bereit ist, Zeit dafür zu opfern. (dpa)