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Wie dringend brauchen wir Masken?Arzt: „Auf das Wichtigste weisen die wenigsten hin”

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Wie sinnvoll ist eine Maskenpflicht in Zeiten von Corona? Und wie gefährlich sind Innenräume wirklich?

von Sieglinde Neumann ()

Köln – Wie lange halten sich Coronaviren in der Luft gerade auch von Innenräumen? Warum sind Kreuzfahrtschiffe besonders kritisch? Warum sinkt im Sommer die Gefahr, sich mit Viren, die Atemwegserkrankungen auslösen, anzustecken?

Deutschland diskutiert über die Maskenpflicht, die Regierung hat eine dringende Empfehlung für das Tragen in der Öffentlichkeit ausgesprochen. Als erstes Bundesland führte Sachsen flächendeckend Mund-und-Nasenschutz-Pflicht ein. Aber ist es sinnvoll, notfalls selbstgebastelte Schutzmasken zu tragen?

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EXPRESS sprach mit dem Schweizer Arzt Dr. Walter Hugentobler, Mitverfasser einer wissenschaftlichen Studie über den Zusammenhang zwischen Gebäudeklimatisierung und der Saisonalität von Atemwegsinfektionen. Der Mediziner ist Initiator und Projektpartner eines wissenschaftlichen, interdisziplinären Großprojektes der Eidgenössischen Technischen Hochschulen Zürich und Lausanne und des Universitätsspitals Zürich.

Ziel ist die Erforschung des Mechanismus, der zur Inaktivierung von Grippeviren in mittlerer Luftfeuchte führt.

Wie genau erfolgt die Übertragung des neuartigen Coronavirus über die Luft, welche Erkenntnisse haben Sie?

Dr. Walter Hugentobler: Die Luftübertragung von Viren, die Atemwegsinfektionen auslösen, erfolgt in erster Linie über kleinste Tröpfchen von weniger als fünf Mikrometern Durchmesser, die wir nicht nur beim Husten, Niessen und Sprechen, sondern auch bei der ruhigen Atmung produzieren. Diese Tröpfchen enthalten, wenn der Erzeuger erkrankt ist, Krankheiterreger.

Entgegen der naheliegenden Annahme haben wir gelernt, dass in den kleinsten Tröpfchen mehr aktive Viren nachweisbar sind als in den großen Tröpfchen. Diese kleinen Tröpfchen können stundenlang in der Luft schweben und werden mit den Luftströmungen in Gebäuden verteilt, bevor sie irgendwann auf einer Oberfläche ablagert werden oder von einer anwesenden Person eingeatmet werden. Die umfangreichsten Erkenntnisse existieren zu den Grippeviren.

Eine Forschungsgruppe aus Hamilton, Montana, hat in einer ersten Studie nachweisen können, dass das Virus SARS-CoV2, der Erreger der COVID-19 Erkrankung, wenn es in kleinsten Tröpfchen versprüht wird, nach drei Stunden noch in der Luft nachweisbar ist. Die Nachweisgrenze lag bei diesem Laborversuch bei rund 5000 Viren pro Kubikmeter Luft.

Wir wissen von den Grippeviren, dass das Einatmen von einigen wenigen aktiven Viren genügt, um eine Grippe auszulösen. Zu den Coronaviren bestehen keine genauen Zahlen. Forscher gehen aber davon aus, dass ebenfalls einige wenige bis einige Hundert Viren eine Infektion auslösen können. Dies passt zur großen Ansteckungsfähigkeit des pandemischen Virus SARS-CoV2. Da ein Erwachsener pro Tag je nach Tätigkeit rund 13-15 Kubikmeter Luft ein- und ausatmet, können Sie sich vorstellen, dass bereits einige wenige aktive Viren pro Kubikmeter Luft ein Erkrankungsrisiko ergeben.

Gibt es ein besonderes Risiko in geschlossenen Räumen, worin liegt das?

Es wird meines Erachtens von den Behörden zu wenig darauf hingewiesen, dass beim Einhalten der Distanzregeln, das Ansteckungsrisiko nirgends so klein ist wie in der Natur. Das ist bedingt dadurch, dass im Freien abgegebene Viren sich in einer quasi unendlich großen Luftmenge verdünnen können.

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Zudem werden durch die intensivere UV-Einstrahlung die Viren rascher inaktiviert als in den meisten Innenräumen. In einer soeben veröffentlichten Studie wurde nachgewiesen, dass Grippeviren an einem Tag mit klarem Himmel nur wenige Minuten überleben. Auch Coronaviren sind empfindlich gegen UV-Strahlen. Sich an der frischen Luft zu bewegen macht also doppelt Sinn.

Durch welche Umstände sinkt oder steigt das Übertragungsrisiko in Innenräumen?

Das Ansteckungsrisiko in Räumen ist stark abhängig vom gegebenen Luftaustausch, der Luftfeuchtigkeit und der Anzahl Menschen in Bezug auf das Raumvolumen. Das ist die Grundlage für die sogenannten „Distanzregeln” der Behörden.

Eine schlechte Lüftung der Räume, zu tiefe oder zu hohe Luftfeuchtigkeit sowie menschliche Aktivitäten, die zu Luft Verwirbelungen führen, erhöhen das Übertragungsrisiko. Der Idealbereich der Luftfeuchtigkeit für unsere Gesundheit, und gleichzeitig der schlechteste Bereich für die Erreger von Atemwegserkrankungen, ist der mittlere Feuchtebereich zwischen 40 und 60% relativer Luftfeuchtigkeit.

Dieser Feuchtebereich unterstützt die Infektionsabwehr unserer Atemwege und inaktiviert die Viren in den unsichtbaren Tröpfchen, die in der Luft schweben.

Was kann Klimatechnik, z.B. in Großraumbüros, in Flugzeugen oder auf Kreuzfahrtschiffen an Viren aus der Luft herausfiltern?

Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten das Übertragungsrisiko in einem geschlossenen Raum zu vermindern, wenn ansteckende Viren in der Luft sind. Ihre Konzentration kann verringert werden durch Verdünnung, und sie können ab gelüftet werden. Dies erreichen wir durch Fensterlüftung oder durch Lüftungsanlagen.

Es ist aber interessanterweise auch möglich, Viren rasch und vor Ort zu inaktivieren, indem ein mittlerer Feuchtebereich eingehalten wird. Bei Zimmertemperatur von 20 bis 24 °C liegt im Freien die durchschnittliche relative Luftfeuchtigkeit in unserer Klimazone bei rund 60%.

In der kalten Winterluft ist die relative Feuchtigkeit draußen meist recht hoch, d.h. um die 80%, die kalte Luft kann aber nur wenig Wasser speichern. Da wir im Winter die Räume heizen müssen, um angenehm leben und arbeiten zu können, fällt die relative Feuchtigkeit in der geheizten Raumluft auf 20 bis maximal 40% ab.

Sinkt sie unter 40% ab, reduziert diese Trockenheit die Abwehrkräfte der Atemwege und das freut die herumfliegenden Mikroben. Viren und Bakterien, die grundsätzlich das ganze Jahr über in einzelnen Menschen und in der Luft vorhanden sind, können sich unter den winterlichen Innenraumbedingungen ideal verbreiten, so wie wir es von der saisonalen Grippe kennen.

Es ist deshalb kein Zufall, dass alle Viren, die Atemwegsinfektionen auslösen, im Winter deutlich vermehrt auftreten, so auch das Coronavirus, wie im aktuellen Fall das SARS-CoV2.3 In unseren beheizten Gebäuden ergeben sich Probleme, die im Sommer nicht oder nur sehr beschränkt gegeben sind.

Wie wird darüber hinaus gefiltert z.B. in Operationssälen, hochsterilen Bereichen, um für virusfreie Luft zu sorgen?

Grundsätzlich können Viren Tröpfchen mit Hochleistungsfiltern, sogenannten HEPA Filtern, aus der Luft herausgefiltert werden. Dies wird auch gemacht in Operationssälen, Reinräumen und in Flugzeugen.

Da solche Filter gewartet und regelmässig ausgewechselt werden müssen, sind damit hohe Kosten verbunden. Sie steigern zudem den Strombedarf der Ventilatoren, da sie einen Druckabfall im nachfolgenden Lüftungsteil verursachen.

Was ist mit den Luftfiltern auf großen Kreuzfahrtschiffen?

Eine ganz spezielle Situation liegt auf Kreuzfahrtschiffen vor, auf den ein erheblicher Anteil der Kabinen (innenliegende Kabinen) keinen direkten Zugang haben zur Aussenluft. Die Lüftungsanlagen auf Kreuzfahrtschiffen müssen extrem hohe Anforderungen erfüllen, indem sie beim Kreuzen in kaltem Klima die Raumtemperatur sicherstellen müssen und in tropischen Gewässern genügend Kühlung und Entfeuchtung garantieren müssen.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auf Kreuzfahrtschiffen mehr als die Hälfte des gesamten Energiebedarfes zulasten der Lüftungsanlagen geht. Diese hohen Anforderungen können mit einem vertretbaren Energieaufwand nur erfüllt werden, wenn ein Teil der Luft wiederverwendet (rezirkuliert) wird und auf leistungsfähige Filter verzichtet wird.

Ohne diese beiden Massnahmen würde der Stromverbrauch extrem ansteigen. Beide Massnahmen wirken sich in einer Epidemie Situation auf dem Schiff negativ auf das Infektionsrisiko aus.

Was kann ich in meiner privaten Umgebung, im Wohnzimmer, im Home-Office am Schreibtisch, im Schlafzimmer tun, um mich vor Ansteckung über die Luft zu schützen, außer Abstand halten, Hygieneregeln beachten?

Das sinnvollste sind Querlüftungen der Räume zwei bis dreimal täglich, durch Öffnen von Fenstern und Türen. Diese von der WHO seit Jahrzehnten propagierte Methode zur Verringerung des Übertragungsrisikos von Infektionen hat vor allem bei Kälte zwei Nachteile. Der Heizaufwand wird erhöht und die Luft wird deutlich trockener.

Kaufen sie ein nicht zu billiges, digitales Hygrometer und beobachten sie den Feuchteverlauf in ihrer Wohnung über einige Tage. Falls sie häufig eine relative Feuchte von unter 40% feststellen, sollten sie gegebenenfalls einen Luftbefeuchter kaufen, der bei der Hygieneprüfung gute Bewertungen bekommen hat.

Es gilt nämlich auch umgekehrt, eine zu große Luftfeuchtigkeit zu vermeiden. Falls der Luftbefeuchter über keinen eingebauten Hygrostat verfügt, erreichen sie kontrollierte Luftfeuchtigkeit am besten, indem sie die Stromzufuhr des Befeuchters über einen Steckdosen-Hygrostat laufen lassen (im Fachhandel erhältlich). Die Hygienevorschriften des Luftbefeuchters unbedingt beachten.

Ist es sinnvoll, in Innenräumen Masken zu tragen, notfalls auch selbstgebastelte?

Ja, ich denke schon. Das Maskentragen ist in Innenräumen deutlich sinnvoller als im Freien und umso sinnvoller je mehr Personen einen Raum teilen. Dafür spricht, dass die großen Tröpfchen beim Ausatmen abgehalten werden, Infizierte können weniger andere anstecken. Und die Atemwege bleiben besser befeuchtet und haben deshalb eine bessere Abwehrlage gegen das Virus. Je dichter Stoff bei einer selbstgebastelten Maske (führt zu mehr Atemwiderstand) und umso perfekter der Sitz, umso effizienter ist die Maske.

Solange man nicht einfach einen gestrickten Schal verwendet, der aber auch ganz gut ist für feuchte Atemwege, ist meiner Meinung nach ein Schutz im Sinne der Behörden gegeben.

Was ist mit professioneller Klimatechnik in Geschäfts- oder Büroräumen?

Fall das Haus oder die Wohnung über eine Lüftungsanlage verfügt, sollten sie sich erkundigen oder vorliegende Pläne studieren und folgende Fragen klären:

  • ist die Zuluft Menge so eingestellt, dass sie an Raumvolumen und Personenzahl angepasst ist?
  • lässt sich die Zuluft Menge anpassen?
  • arbeitet die Anlage mit 100% Frischluft oder wird eine Luftanteil rezirkuliert?
  • wie viele Räume werden über einen Luftauslass mit Luft versorgt?

In den allermeisten Fällen, insbesondere wenn die Anlage gut konzipiert ist, wird es sinnvoll sein, sie in angepasstem Umfang laufen zu lassen. Dies gilt insbesondere, wenn nicht regelmässig gelüftet werden kann.

Ein Tipp: die meisten Wohnungen und Arbeitsplätze sind zu stark geheizt. Idealerweise sollte die Raumtemperatur 20 bis max. 22 Grad nicht übersteigen. Das trägt auch dazu bei, dass die Luft weniger trocken ist. Höhere Heiztemperaturen sind ungesund, verbrauchen mehr Energie und senken die Luftfeuchtigkeit.

Wie günstig oder ungünstig ist das (zumindest in unserer Gegend) derzeit sonnige frühlingshafte Wetter draußen? Hohe/niedrige Luftfeuchtigkeit, spielt das auch im Freien eine Rolle?

Das winterliche Außenklima ist der Auslöser für alle viralen Atemwegsentzündungen (kalt und trocken). Die durch Heizen bedingte niedrige relative Luftfeuchtigkeit in den Gebäuden ist der Grund für die epidemische Ausbreitung der Infektionserreger in unseren Gebäuden. Die meisten von uns halten sich während 90% ihres Lebens in geschlossenen Räumen oder Transportmitteln auf.

Alle saisonalen Atemwegsinfektionen verschwinden fast vollständig, sobald die Außentemperaturen erlauben, die Heizungen abzustellen und in unserem „Lebensraum Gebäude” wieder normale Feuchtigkeit herrscht.

Jede saisonale Grippewelle verebbt, wenn frühlingshaftes Wetter aufkommt Ende März/April. Leider gilt das für Pandemien nicht, wie wir das auch bei der „Schweinegrippe” erlebt haben, die den ganzen Sommer 2009 über angedauert hat.

Da auch bei COVID-19 keine Immunität in der Bevölkerung vorhanden ist, kann sich die Pandemien auch bei klimatisch ungünstigen Voraussetzungen weiterverbreiten, solange nicht mindestens 60% der Bevölkerung durch Ansteckung immun geworden sind.

In Freien ist, wie bereits gesagt, die Übertragungsgefahr bei jedem Wetter generell am geringsten.

Interessant wäre natürlich in Zeiten von Corona auch etwas zu erfahren, über das, was derzeit in der Schweiz passiert, wie konkret ist die Lage bei Ihnen?

Meine Frau und ich sind in der Risiko-Altersgruppe und im Südkanton Tessin wohnhaft, der in der Schweiz am stärksten betroffen ist, weswegen wir uns in häuslicher Quarantäne befinden. Wir vermeiden alle Außenkontakte und ich arbeite unter Hochdruck im Home-Office. Die Nahrungsmittel lassen wir uns anliefern.

Allerdings genießen wir bei herrlichem Wetter lange Spaziergänge mit unseren Hunden und freuen uns darüber, dass wir hier absolut keine Ansteckung befürchten müssen.