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Mediziner packt ausDas sind die zehn überflüssigsten Operationen

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Ärzte am Operationstisch – müssen Patienten allzu häufig unters Messer? (Symbolbild) 

von Frank Sawatzki (sawa)

Köln – „In Deutschland wird insgesamt zu viel operiert“, sagt Dr. Stefan Sauerland. Der Kölner Mediziner und Ressortleiter beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen machte für uns den Check. Seine Top 10 der überflüssigsten Operationen und Eingriffe.

Wirbelsäulen-Operationen

„Die Häufigkeit von Rückenoperationen hat sich binnen zehn Jahren etwa verdoppelt. Heute werden pro Jahr 800.000 solcher Operationen in Deutschland durchgeführt. Dabei hilft eine Operation auch bei guter Indikationsstellung etwa einem Drittel der Patienten nicht.“ Wer mit Rückenschmerzen zum Orthopäden geht, wird schnell zum Röntgen geschickt.

Doch die späteren Maßnahmen, die der Arzt verordnet, erfordern das oft nicht, sagen Kritiker. Geduld würde oft mehr nutzen – denn nach einigen Wochen Warten würden viele Beschwerden auch verschwinden. „Die Gabe von Schmerzmitteln ist in den meisten Fällen nicht erforderlich. Früher hat man sogar die Gelenke mit einem Schmerzmittel angespritzt, davon wird heute abgeraten.“

Knie-Operationen (Kniegelenkspiegelungen)

„Die meisten Knieoperationen werden entweder nach einer Verletzung oder im Fall einer Arthrose durchgeführt. Über Jahre hinweg sind mehrere 100.000 Patienten operiert worden. Bei Arthrose helfen Operationen im Knie aber nur selten. Weil Studien zeigen, dass Knorpelglättungen keinen Vorteil bieten, wird diese Operation seit 2016 nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt.“

Es werden auch zu früh Prothesen für Knie und Hüfte eingesetzt, so der Mediziner. „Wenn ich mir mit 50 eine künstliche Hüfte einsetzen lasse, muss ich mir überlegen, dass mit 70 oder 75 noch einmal ein Wechsel der Hüfte anstehen könnte. Und dies ist keine einfache Operation.“

Operationen an der Schulter

„Bei einigen Schulter-Operationen ist nicht bekannt, ob sie einen Vorteil bringen oder ob es sich um eine Placebo-Wirkung handelt. In die Kritik geraten ist zuletzt das Operieren bei einem ,Impingement Syndrom’, also einer Einklemmung im Schultergelenk.“

Prostata-OP

„Man kann Prostatakrebs in vielen Fällen auch mit Bestrahlung behandeln. In anderen Fällen ist Abwarten die beste Option. Trotzdem wählt die Mehrzahl der Männer immer noch die Operation.“

Mammografie-Screening

„Es ist hoch umstritten. Wenn 1000 Frauen regelmäßig an dieser Untersuchung teilnehmen, werden nur etwa zwei bis sechs Frauen vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt.“ Das Verfahren für Frauen zwischen 50 und 69 ist Teil der Krebsfrühuntersuchung, falsch-positive Ergebnisse versetzten gesunde Frauen aber immer wieder in Angst und Schrecken, so der Arzt. „Wir raten Frauen, sich sehr genau zu überlegen, ob sie ein Screening durchführen möchten.“

PSA-Test

Der Test gilt als Biomarker für Prostatakrebs. Die Werte des Prostata-spezifischen Anti-Gens steigen aber auch bei harmlosen Entzündungen der Prostata an. „Der Test wird in Deutschland nicht als Kassenleistung angeboten. Es gibt sehr gute Studien, die zeigen, dass sich – wie beim Brustkrebs-Screening der Frau – am Ende ein ganz kleiner Teil der Männer ein längeres Leben mit einem PSA-Screening erwirbt. Von 1000 Männern, die sich testen lassen, werden nur einer bis zwei vor dem Tod durch Prostatakrebs bewahrt. Das wird erkauft mit dem Risiko einer Operation, die zu Impotenz und auch zu Inkontinenz führen kann. Von den Krankenkassen wird der Test derzeit aus gutem Grund nicht empfohlen.“

Zumindest bei älteren Herren darf man eine Operation durchaus in Frage stellen. Der Tumor bei Prostatakrebs wächst oft recht langsam und es stehen alternative Verfahren zur Verfügung, wie etwa Hormontherapien oder Bestrahlungen.

Herzkatheter

„Es werden relativ viele Herzkatheter in Deutschland gesetzt, das ist seit vielen Jahrzehnten so. Leider führt dies dazu, dass oft schon leichte Gefäßverengungen behandelt werden, was nicht sinnvoll ist. Statt mit Katheter kann man auch mit nicht invasiven Methoden feststellen, ob das Herz genügend Sauerstoff bekommt.“

Augeninnendruckmessung

„Die Messung dient dazu, den ,Grünen Star’ frühzeitig zu erkennen. Aus unserer Sicht bringt sie keine Vorteile.“ Erhöhter Augeninnendruck sei in dem Moment, in dem der Patient ihn verspürt, genau so gut behandelbar wie im Anschluss an eine vorzeitige Prüfung, so Sauerland. „Es ist sinnlos, dass viele Augenärzte ihren Patienten die Messung als Selbstzahlerleistung (,IGeL’) anbieten.“

Gebärmutteroperationen

Ältere Frauen mit Myomen (gutartigen Geschwülsten an oder in der Gebärmutter) müssten sehr genau überlegen, was die Vor- und Nachteile einer Gebärmutterentfernung sind, rät Stefan Sauerland.

Prophylaktisches Belastungs-EKG

„Die Suche nach Herzerkrankungen bei Gesunden ohne jeden Anlass ist nicht erforderlich. Erstens ist nicht bekannt, ob es von Vorteil ist, wenn man den Patienten früher behandeln kann. Zweitens droht ja kein Herzinfarkt und die Patienten bemerken belastungsabhängige Beschwerden ohnehin, wenn sie schneller gehen oder wenn sie Treppen steigen. Bei einem gesunden 60-Jährigen ein Belastungs-EKG zu machen, ist keine sinnvolle Sache.“

Mehr zum Thema: So checken Sie, ob eine OP nötig ist

„Patienten sollten Entscheidungen über Untersuchungen und Operationen genau abwägen und sich dabei nicht unter Zeitdruck setzen lassen“, sagt Stefan Sauerland.

„Sie sollten sich auch genau beraten lassen. Dafür gibt es für viele Eingriffe das sogenannte Zweitmeinungsverfahren.“ Erstattet werden die Kosten für eine Zweitmeinung meist nur für planbare Operationen an Wirbelsäule, Knie-, Hüft- und Schultergelenk. Einige Kassen übernehmen die Kosten.

„Es gibt in vielen Fällen keine klaren OP-Indikationen: Das muss operiert werden und das darf nicht operiert werden. Oft existiert eine große Grauzone. Das bedeutet für den Patienten, dass er sich einbringen sollte, dass er sich mitteilt, was er von der Behandlung erwartet, damit Arzt und Patient gemeinsam Vor- und Nachteile besprechen können.“

„Hilfreich kann auch der Kontakt zu einer Patientenselbsthilfegruppe sein. Die gibt es fast in allen Städten.“