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Corona-Lockdown und IsolationWelchen Schaden nimmt die Seele der Kinder?

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Einsamkeit und Isolation machen Kindern mehr zu schaffen, als viele Eltern ahnen.

Köln – NRW geht schon am 22. Februar wieder teilweise zum Präsenzunterricht über. Es geht schließlich um das kleine Einmaleins und später um das große Abitur. Die Bildungsdefizite der Schüler sind derzeit DAS Thema in der Pandemie-Politik. Aber ist das wirklich das vorrangigste Problem?

  • Jedes dritte Kind zeigt schon psychische Auffälligkeiten
  • Viele unterschätzen die Folgen von Einsamkeit
  • Medienpädagogin gibt Tipps gegen „Daddelmanie“ im Lockdown

Fast jedes dritte Kind der „Generation Corona“ zeigt ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie in Deutschland psychische Auffälligkeiten, belegt eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).

Sie habe allein in den vergangenen Wochen mit zwei Mädchen gesprochen, die zu Selbstverletzungen gegriffen haben, um ein Ventil zu finden – gegen den Druck und die Einsamkeit, sagt die Kölner Psychologin und Autorin Elisabeth Raffauf. Corona sei wie ein Brennglas: „Manche Kinder haben große Angst, da sie die anderen nicht mehr auf dem Schulhof treffen, ob sie noch zur Clique gehören oder ob man sich in Chats ohne sie trifft.“

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Isolation in der Corona-Pandemie hinterlässt Spuren

Keine Frage: Der Wegfall der Pausen ist für viele Schüler dramatischer als der Ausfall einer Mathestunde. „Bei jedem zweiten Kind hat das Verhältnis zu seinen Freunden durch den mangelnden physischen Kontakt gelitten“, sagt Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der aktuellen Corona- und Psyche-Studie (COPSY). Dabei täte der Kontakt so Not. Raffauf: „Jugendliche wollen andere Ansprechpartner haben als die Eltern.“

Das Problem der Einsamkeit bei Kindern und Jugendlichen werde in unserer Gesellschaft massiv unterschätzt, glaubt sie. Schon vor Corona habe sie bei einem Dreh fürs Fernsehen in einer Schulklasse erfahren, dass selbst „die ganz Coolen berührende Geschichten über ihre Einsamkeit erzählten“.

Durch Corona wird das Gefühl noch intensiver. Schon bei einer Studie vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) nach dem ersten Lockdown sagten mehr als ein Viertel der befragten Eltern, dass sich ihr Kind während des ersten Lockdowns einsam fühle. In Familien mit schwieriger finanzieller Lage traf dies auf fast die Hälfte aller Kinder zu.

Kinder im Lockdown: Coron-Isolation fördert Unsicherheiten

Ein weiteres Problem: Manch ein Kind, dass vorher schon unsicher war und sich fragte, wo es hingehöre, empfindet es jetzt vielleicht leichter, nicht allein auf dem Schulhof zu stehen. Doch auch die „erlernte Einsamkeit“ in Corona-Zeiten kann weitreichende Folgen für die Psyche haben. Sozial- und Medienpsychologin Ines Pütz warnt: „Alleinsein kann zur Gewöhnung werden. Das Kind oder der Jugendliche ist dann überfordert, wenn es wieder um direkte Kontakte geht.“

Kein Wunder, dass die Kinder am besten mit dem Lockdown zurechtkommen, die laut DJI-Studie Geschwister zum Spielen und zum Aufmuntern haben – oder in regelmäßigem Kontakt mit ihren Großeltern stehen. Bei den Jugendlichen wiederum haben diejenigen weniger Probleme, die mit Freunden im Austausch bleiben. Alle Kinder und Jugendlichen fühlen sich übrigens durch häufige Kontakte zu pädagogischen Fachkräften und Lehrern weniger einsam – und können sich erfolgreicher wehren gegen Gefahren im Netz.

Gefahren im Lockdown: Cybermobbing und Filterblasen

Und da gibt es neben Cybermobbing und Co. viele Dinge, die Eltern unterschätzen. Die Medienpädagogin nennt Beispiele, etwa die „Filterblase im Netz: Bei Youtube und TikTok wird immer wieder nur das gezeigt, was der Algorithmus für die Jugendlichen aus ihrem Schauverhalten herausgefunden hat. Im harmlosen Fall nur Hundevideos, im schlimmen Fall rechtsradikale Clips.“

Auch durch Binge-Watching – übertriebenes Anschauen von Videomaterial – oder Identitätsbildung durch Influencer könne schnell ein falscher Wertekompass entstehen.

Corona-Lockdown: Schuldgefühle nach Ansteckung

Spricht also auch aus psychischen Gründen alles dafür, die Schulen so schnell wie möglich wieder zu öffnen? So einfach ist es nicht, zeigt ein Beispiel aus der Praxis von Elisabeth Raffauf. „Ein Junge hatte Corona. Schlimmer als die Isolation empfand er die Last, dass wegen ihm eine ganze Klasse in Quarantäne musste. Er fühlte sich schuldig.“

Nicht nur die Psychologin geht davon aus, dass Depressionen in der „Generation Corona“ ein großes Thema werden. „Wir haben mit einer Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens gerechnet. Dass sie so deutlich ausfällt, hat auch uns überrascht“, sagt auch COPSY-Studienleiterin Prof. Ravens-Sieberer.

Rührende Wunschzettel in Corona-Zeiten: Lehrer berichtet

Allein zu Hause, die Angst, Freunde zu verlieren. Es sind herzzerreißende Zeichnungen und Briefe, die Grundschullehrer Peter S. (54) zugeschickt oder gemailt bekommt. „Der Digitalunterricht klappt immer besser“, sagt der Lehrer einer vierten Klasse in einem Vorort von Münster.

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Ein Wunsch, den viele Kinder im Corona-Lockdown haben: Es soll einfach vorbei sein, sie wolle ihre Freunde wieder sehen. 

„Aber ich sorge mich schon um zwei meiner wissbegierigsten Schülerinnen. Sie kommen aus Syrien und haben weder Platz noch die technischen Möglichkeiten, um in Ruhe zu lernen.“ Ihnen brachte der engagierte Lehrer, der sich darauf freut, dass der Präsenzunterricht wieder losgeht, die Arbeitsblätter persönlich vorbei.

Wie sehr seine Schüler sich nach der Schule sehnen, erlebte er in der kurzen Phase des Präsenzunterrichts vor den Weihnachtsferien. „Als der Gong am ersten Tag ertönte, blieben sie einfach auf ihren Plätzen sitzen. Sie hatten sich abgesprochen und beschlossen, dass sie nicht nach Hause gehen würden, weil es doch so schön in der Schule sei.“ Ein Junge habe allerdings noch eine Alternative genannt: Statt zig Haushalte in eine Klasse zu pfropfen, sollte man zumindest die Fußballvereine wieder öffnen...

Medienpädagogin gibt Tipps gegen das „Dauer-Daddeln“

Schon beim ersten Lockdown stieg die Spieldauer von Zehn- bis 17-Jährigen um 75 Prozent an, 700000 Kinder und Jugendliche gelten als mediensüchtig, Tendenz steigend.

Wie verhält man sich als Eltern am besten? Die Kölner Sozial- und Medienpädagogin Ines Pütz gibt Tipps:

  • Sätze wie „Jetzt leg’ doch mal das Handy weg“ sind kontraproduktiv. Man sollte die Medien nicht verteufeln, denn sie gehören zum heutigen Leben dazu. Führen Sie jedoch medienfreie Bereiche und Zeiten ein, zum Beispiel den „Handyparkplatz“ während des Essens.
  • Eltern müssen Vorbilder sein. Wenn man aber Bereitschaftsdienst hat und das Handy immer griffbereit sein muss, sollte man dies auch dem Kind erklären.
  • Nutzen Sie Medien gemeinsam (App erklären lassen, digitale Gemeinschaftsspiele spielen z.B. Quiz-Apps, Kreuzworträtsel, kreative Spiele, Wikipedia-Rallye). Beziehen Sie Kinder mit ein: „Google mal“. Bestimmen Sie beim Spaziergang Pflanzen.
  • Machen Sie aus dem Lieblingsgame ein analoges Spiel: „Lasst uns die Charaktere aus dem Spiel malen.“ Oder umgekehrt: Lesen Sie gemeinsam ein Buch, machen Sie daraus einen digitalen Trickfilm.
  • Sorgen Sie für „Szenenwechsel“ während des Digital-Unterrichts, lassen Sie die Kinder ruhig mal im Wohnzimmer oder am Küchentisch lernen. Ist weniger eintönig.
  • Aber vor allem: Schotten Sie sich auch in dieser gereizten Atmosphäre nicht ab. Fragen Sie nach Freunden, Traumurlaub, Sorgen, um die Einsamkeit zu durchbrechen.