Keine SchamDoc Caro geht unter die Gürtellinie und sagt, worüber keiner reden will

Doc Caro alias Carola Holzner

Carola Holzner alias Doc Caro ist bekannt aus TV und Sozialen Medien. Dort gibt sie Einblicke in den Alltag einer Notfallmedizinerin und klärt über medizinische Themen auf.

Doc Caro, die wohl bekannteste Notfallmedizinerin Deutschlands, räumt mit so manchem Vorurteil aus dem Bereich „unter der Gürtellinie“ auf.

von Laura Schmidl

Was macht eigentlich die Prostata – außer Probleme? Warum menstruieren Frauen eigentlich? Und was muss mir beim Arzt peinlich sein? Carola Holzner, Deutschlands bekannteste Notfallmedizinerin und auch als „Doc Caro“ aus TV und Social Media bekannt, will aufklären und aufräumen.

Mit Irrtümern, Missverständnissen und Unwissen um alles südlich des menschlichen Äquators. Und zwar mit ihrem neuen Buch „Ab unter die Gürtellinie: Medizin untenrum endlich verständlich“ – und mit einer Portion Humor.

Doc Caro über das „Totschweigen“ von Sexualproblemen

Es betrifft uns alle – aber drüber reden will eigentlich keiner. „Die Themen Sexualaufklärung, Pubertät, Hormone und Veränderungen des Körpers und Erkrankungen, Partnerschaft und deren Probleme, wurden über Generationen hinweg nicht wirklich thematisiert“, sagt Carola Holzner alias Doc Caro. „Es fängt schon damit an, dass nicht normal über die Periode geredet wird, sondern dass sich Frauen heimlich Tampons zustecken.“

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Und: „Viele Männer wissen gar nicht, warum eine Frau menstruiert – glaubt man nicht, ist aber so. Die wissen, Frauen können Kinder kriegen – und da hört es auf. Sie wissen gar nicht, was unser Körper untenrum für eine Wunderwelt ist“, sagt die Ärztin und fordert: „Das muss man dringend ändern. Dringend!“

Mangelndes Wissen kann dazu führen, dass schlimme Krankheiten wie Krebs nicht früh genug erkannt werden. Beispiel Prostata: „Kaum einer weiß beispielsweise, welche Aufgabe sie hat.“ Die Prostata produziert ein milchiges Sekret, das die Spermien transportiert. Viele Männer gehen erst zum Arzt, wenn sie vergrößert ist und Probleme beim Pinkeln auftreten.

Dahinter könnte etwas Ernstes stecken. „Dann heißt es beim Urologen: Wären Sie mal vor drei Jahren gekommen“, mahnt Doc Caro. „Oder auch der Gebärmutterhals: Wenn Sie das googeln, ist der erste Vorschlag direkt Gebärmutterhalskrebs. Das sind Organe, die auffallen, wenn sie Probleme machen.“ Dabei sei es doch so: „Wir laufen unser ganzes Leben damit rum, da müssen wir doch vorher wissen, wie das funktioniert.“

Doc Caro appelliert: Bitte zu Vorsorgechecks gehen

Durch nicht wahrgenommene Vorsorgeuntersuchungen – etwa aus Angst – werden Erkrankungen womöglich zu spät bemerkt. Das sei besonders bei Männern ein Problem. „Wir Frauen werden von klein auf begleitet, allein schon aufgrund von Verhütung und Periode. Da haben wir die Gynäkologin zumindest einmal jährlich auf dem Schirm. Dadurch lernen wir, dass Vorsorge wichtig ist und dazugehört“, sagt Holzner. „Aber wo gehen Jungs hin?“

Vielleicht zu Mama und Papa. „Aber es gibt keine regelmäßige Kontrolle. Das ist ein großes Problem, dass Männer nicht schon früh an diese Thematik herangeführt werden.“

Dr. Carola Holzner alias Doc Caro

Doc Caro ist seit 2. Oktober wieder im TV zu sehen: Immer mittwochs mit der neuen Staffel „Doc Caro Jedes Leben zählt“ um 20.15 Uhr auf Vox.

Wenn dann mit 50 der Brief der Krankenkasse ins Haus flattert, in dem nach Darmspiegelung und Vorsorge gefragt wird, heiße es oft: „Um Gottes willen, ich lass’ mir doch nichts in den Hintern schieben! Da muss man drüber reden: Dass das nicht schlimm ist und diese Untersuchung nicht lange dauert, man damit aber wirklich Leben retten kann“, so Holzner. Sie rät Männern, schon bei kleinsten Auffälligkeiten und auch zur Vorsorge zum Urologen zu gehen. Und zwar nicht erst mit 50.

Eltern sollten ihren Kindern schon früh klarmachen, dass es bei Problemen keinen Grund zu Scham gibt. Holzner, selbst Mutter, sagt: „Die Kinder müssen wissen, dass sie mit jedem Problem, jeder Besonderheit immer kommen können.“

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Im Hause Holzner werde offen geredet – gerne beim Abendessen. „Diese Themen sollten so normal sein, dass man zwischen Matheaufgaben und Sporttraining darüber sprechen kann.“ Tabus und Scham seien gelernt, meint Holzner. „Kinder sind von Haus aus freizügig und offen. Wenn ich meinem Kind sage: ‚Ich will nicht, dass du ohne Unterhose aus dem Bad kommst‘, habe ich das anerzogen. Oder wenn ich dem Kind sage: ‚Ich will nicht, dass du Penis sagst‘, habe ich dafür gesorgt, dass es sich damit unwohl fühlt.“ Und das dürfe nicht sein. „So wie wir über Rückenschmerzen reden, kann man auch über Penisschmerzen oder Periodenschmerzen reden.“

Generell müsse weder Mann noch Frau der Arztbesuch wegen intimer Probleme peinlich sein. „Punkt Eins: Wir Ärzte haben Schweigepflicht“, sagt Holzner. „Punkt zwei: Es ist unser täglich Brot. Das, wo der Patient sich vielleicht für schämt, ist für uns Ärzte etwas ganz Natürliches“ – kein Grund also, vermeintlich unangenehme Dinge zu verschweigen. „Wahrscheinlich ist man an dem Tag der zehnte, der mit diesem Problem ankommt. Wir können nur helfen, wenn der Patient offen und ehrlich zu uns ist“, betont Holzner.

Doc Caro plaudert aus dem Notfallkoffer: Sexverletzungen und Ausreden

Ärzte seien gleichzeitig in der Verantwortung, ein Klima des Vertrauens zu schaffen. „Der Arzt muss sicher sein können, dass der Patient ihm die Wahrheit sagt. Andersrum muss der Patient sicher sein können, dass er dem Arzt vertrauen kann.“ Dazu gehört auch, die Probleme ernst zu nehmen – und erscheinen sie von außen noch so komisch. In der Notaufnahme begegnen Doc Caro nämlich durchaus Kuriositäten. „Natürlich haben wir in der Notaufnahme auch Fälle von Gegenständen, die sich auf die unwahrscheinlichste Art und Weise in irgendwelche Körperöffnungen verirrt haben“, erzählt sie. „Das geht vom Klassiker ‚Nackt gestaubsaugt‘ zu ‚In der Dusche ausgerutscht und auf die Deodose gefallen‘“.

Aber: „Da kommen Menschen mit Schmerzen. In erster Linie kümmern wir uns um diese Situation – das kann auch so kompliziert sein, dass eine OP nötig ist, wenn der Gegenstand nicht mehr so geborgen werden kann“, so Holzner. „Aber wir sind auch nur Menschen. Und wenn der Patient versorgt ist, müssen wir uns auch das ein oder andere Schmunzeln erlauben.“