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Forscher warnenImmer mehr Menschen ernähren sich glutenfrei – warum das fatal ist

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Glutenfrei oder nicht? Das fragt sich dieses Pärchen vor dem Kühlregal im Supermarkt. Die Nachfrage nach glutenfreien Lebensmitteln hat in den vergangenen Jahren in Deutschland deutlich zugenommen. Unser Symbolfoto wurde 2019 aufgenommen.

von Julia Bauer (jba)

Bitburg – Die Nachfrage nach glutenfreien Lebensmitteln hat in den vergangenen Jahren in Deutschland deutlich zugenommen. In den Supermarktregalen reihen sich immer mehr Produkte ohne Gluten – von glutenfreien Nudeln aus Mais- und Reismehl über glutenfreien Pizzateig, glutenfreie Burritos und Co.

  • Immer mehr glutenfreie Produkte – auch im Tiefkühlfach
  • Unwissen der Kunden wird ausgenutzt
  • Umsatz mit glutenfreien Lebensmitteln steigt

Auch in den Tiefkühlfächern gibt es inzwischen immer mehr glutenfreie Produkte, zum Beispiel Fischstäbchen oder Reibekuchen. Weil mit dem Hinweis „glutenfrei” auf den Packungen geworben wird, halten viele Konsumenten die Produkte für gesünder.

Glutenfreie Ersatzprodukte: Unwissen der Kunden wird ausgenutzt

Und: Gab es vor 15 Jahren kaum „Frei von”-Produkte, werden mittlerweile oft sogar Lebensmittel, die von Natur aus glutenfrei sind, mit einem „glutenfrei”-Label versehen. Gleiches gilt für laktosefreie Produkte. 

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So wird das Unwissen der Kunden ausgenutzt und suggeriert, dass glutenfreie Produkte gesünder seien. Diese Schlussfolgerung ist allerdings fatal. 

Umsatz mit glutenfreien Lebensmitteln steigt

Laut einer Nielsen-Studie sagen vier Prozent der Deutschen, dass sie auf eine glutenfreie Ernährung achten. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Nielsen stieg der Umsatz mit glutenfreien Backwaren von gut 97 Millionen Euro im Jahr 2017 um rund 11 Prozent auf 108 Millionen Euro in 2019.  

Bei Süßwaren, dem zweitgrößten Marktsegment, wuchs der Umsatz um 88 Prozent von 43,6 auf 82 Millionen Euro. 

Besonders stark wuchs der Umsatz bei glutenfreiem Brotaufstrich: Um 500 Prozent auf 4,8 Millionen Euro. Der Umsatz von glutenfreiem Speiseeis schoss um 222 Prozent in die Höhe und erreichte 6,7 Millionen Euro.

Glutenfrei: „Klarer Trend zu erkennen“

„Wir beobachten, dass glutenfreie Lebensmittel in vielen Produktbereichen bei den Verbrauchern immer beliebter werden. Besonders in den vergangenen drei Jahren ist ein klarer Trend zu erkennen“, teilte Nielsen mit. Glutenfrei essen als Trend – genau darin liegt eine Gefahr. 

Denn für Menschen, die nicht an einer ärztlich diagnostizierten Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) oder einer Gluten-Sensitivität (Gluten-Empfindlichkeit) leiden, können glutenfreie Ersatzprodukte sogar gesundheitsgefährdend sein. 

So stellten etwa US-Forscher fest, dass ein freiwilliger Verzicht auf Gluten, das in Weizen und weiteren Getreidearten enthaltene Klebereiweiß, dem Herz schadet.

Das ging aus Gesundheits- und Ernährungsdaten von rund 110.000 Amerikanern über 24 Jahre hinweg hervor. Die Wissenschaftler stellten ihre Ergebnisse im „British Medical Journal“ vor.

Glutenfreie Lebensmittel enthalten oft mehr Zucker und Fett

Produkte ohne Gluten sind außerdem nicht kalorienärmer, wie viele annehmen. Weil ihnen das Klebereiweiß fehlt, sind sie häufig trockener. „Um das auszugleichen und den Geschmack zu verbessern, ist meist der Anteil an Zucker und Fett in solchen Produkte höher”, erklärt Bianca Maurer von der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft.

Glutenfreie Ersatzprodukte enthalten also häufig nicht weniger, sondern sogar mehr Kalorien. Dafür fehlen sättigende Ballaststoffe. Man isst also tendenziell mehr, um satt zu werden.

Wer sich nicht abwechslungsreich und ausgewogen ernährt, dem droht zudem ein Mangel an wichtigen Nähr- und Mineralstoffen – „zum Beispiel an den Vitaminen K, B1, B2 oder B6 und Mineralstoffen wie Magnesium, Zink oder Kupfer“, sagt eine Sprecherin von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). 

Nicht nur auf glutenfreie Ersatzprodukte setzen

Außerdem seien Getreide wichtige Ballaststoff-Lieferanten und unterstützen durch ihre präbiotische Wirkung die Darmflora. Auch das kann durch den Verzicht beeinträchtigt werden. Sich unnötig weizen- oder glutenfrei zu ernähren, schränkt jedoch nicht nur immens ein und kann der Gesundheit schaden – es ist obendrauf auch noch teuer. 

Selbst Menschen mit einer nachgewiesenen Glutenunverträglichkeit sollten nicht nur auf glutenfreie Ersatzprodukte setzen. Eine Ökotrophologin vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) betont: „Ich sage meinen Patienten immer, dass sie nicht eins zu eins auf Ersatzprodukte umstellen, sondern generell weniger Kohlenhydrate zu sich nehmen sollten.”

Davon abgesehen gibt es auch Getreidesorten, die von Natur aus glutenfrei sind: Reis, Wildreis, Mais, Hirse, Amaranth (ähnlich wie Hirse), Buchweizen und das getreideähnliche Quinoa.

Zöliakie: Gluten verursacht chronische Entzündung 

Glutenfrei ernähren sollten sich nur Menschen, die tatsächlich an einer Glutenunverträglichkeit leiden. Der Grund: Bei Patienten mit dieser Autoimmunerkrankung löst das Klebereiweiß in einigen Getreidesorten eine chronische Entzündung der Dünndarmschleimhaut aus. 

Zöliakie kann durch einen Bluttest festgestellt werden. Um eine sichere Diagnose stellen zu können, werden mit Hilfe einer Magen-Darm-Spiegelung meist noch Gewebeproben aus dem Dünndarm entnommen.

Die einzige Chance, die Erkrankung in den Griff zu bekommen, ist ein lebenslanger Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel. 

Mehr als 800.000 Menschen haben Glutenunverträglichkeit

Nicht vergessen werden darf, dass auch Arzneimittel, Kosmetika oder Zahnpflege-Produkte Gluten enthalten können. Bei Arzneimitteln steht auf dem Beipackzettel, ob sie glutenhaltig sind. Eine Liste zu glutenfreien Arzneimitteln gibt es bei der Deutschen Zöliakie Gesellschaft (DZG).

Von einer Glutenunverträglichkeit sind nach Angaben der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft mehr als 800.000 Menschen in Deutschland betroffen. Hinzu kommen Personen, die eine Gluten-Sensitivität aufweisen. (dpa/jba)