Es betrifft uns alleNeurologe gibt unerwartete Erklärung nach Merkels Zittern

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Viele Menschen machen sich nach ihren jüngsten Zitter-Anfällen Sorgen um Bundeskanzlerin Angela Merkel.

von Sieglinde Neumann ()

Köln – Wer die Videos der zitternden Angela Merkel (64) bei ihrem dritten öffentlichen Anfall in knapp drei Wochen sieht (hier noch einmal ansehen), kann kaum anders, als sich um die Kanzlerin sorgen. Dabei kann der Tremor, das unwillkürliche Zittern, jeden treffen. Und es gibt höchst unterschiedliche Formen mit Auslösern von harmlos bis erschreckend.  

Denn eigentlich ist ein winziges Zittern so normal wie Luft zu holen. Bei Schüttelfrost zittern wir zum Beispiel, um durch Muskelaktion für die Immunabwehr die Körpertemperatur zu erhöhen.  

Experte: „Ein rhythmisches, ganz feines Zittern hat jeder Mensch" 

„Einen sogenannten physiologischen Tremor, den man nicht sieht, ein rhythmisches ganz feines Zittern, hat jeder Mensch“, sagt Prof. Michael Barbe von der Neurologischen Universitätsklinik Köln. Unter Kälte, Anstrengung, Aufregung könne dieser physiologische Tremor stärker werden und „sich im Laufe des Lebens jederzeit verstärken“, erklärt der Facharzt.

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Das heißt nicht, dass es sich gleich um eine neuro-degenerative Krankheit handelt.

Auch TV-Star Sophia Thomalla nahm Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihren Zitter-Anfällen in Schutz (hier mehr lesen)

Hände zittern bei Angst, Nervosität, Aufregung

Wer sehr nervös,  sehr aufgeregt ist, dem zittern vor einem Auftritt ab und zu die Hände, oder, wenn die Angst besonders groß ist, die Knie. Das habe nichts zu tun mit einer neurologischen Erkrankung, betonen Neurologen: Es gibt einen klaren äußeren Anlass.

Ist die Aufregung vorbei, legt sich das alarmierende Zittern.

3 Prozent der Bundesbürger leiden an essentiellem Tremor

 Die häufigste Form des unwillkürlichen Zitterns ist der essentielle Tremor. „Dieser Aktionstremor taucht bei ganz alltäglichen Bewegungen auf und wird durch psychische Anspannung verstärkt“, erklärt Curt Beil vom Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN) in Krefeld.  Das ist peinlich, wenn man eine Kaffeetasse hält oder versucht, anderen etwas einzuschenken, oder die Stimme zittert. In Deutschland sind rund 3 Prozent der Bevölkerung betroffen, über zwei Millionen Menschen.

Im Alter steigt die Häufigkeit, es gibt eine erbliche Komponente. „Das Zittern entsteht zwischen Kleinhirn und Hirnstamm in einem zu aktiven Netzwerk“, weiß Barbe.

Betablocker und Entspannungsübungen helfen

Doch selbst bei diesem Tremor spielt die Psyche eine große Rolle. „Wer lernt, sich mit Hilfe bestimmter Techniken bewusst zu entspannen, kann zumindest einer Zunahme des Zitterns bei Stress und Nervosität entgegenwirken“, sagt der Kölner Neurologe Beil.

Betablocker, die die Reizweiterleitung zum Herzen dämpfen, können helfen. In ganz schweren Fällen essentiellen Tremors wird – wie bei Parkinson – ein Hirnschrittmacher eingesetzt.

Orthostatischer Tremor mit 16 Zuckungen pro Sekunde

Der äußerst seltene orthostatische Tremor ist durch die Berichterstattung um Angela Merkel  in den Focus gerückt.  Es ist ein optisch besonders ungewöhnlicher hochfrequenter Tremor, der vor allem im Stehen auftritt, mit einer Frequenz von 16 Hertz (=16 Zuckungen pro Sekunde) wirkt er wie ein Flattern.

Oft bessern sich die Symptome beim Gehen, im Sitzen hört das Zittern auf. Die Furcht, beim nächsten Anlass vor aller Augen wieder zu zittern, wirkt als Verstärker, auch ohne dass die Weltöffentlichkeit zuschaut oder auf ein Zeichen von Schwäche wartet.   

Unterzuckerung und Schilddrüsenüberfunktion 

Unterzuckerung, ein stark gestörter Elektrolythaushalt (zu viel Natrium, zu wenig Kalium im Blut) oder eine Schilddrüsenüberfunktion können als weitere rein körperliche Auslöser hinter einem Tremor stecken. Hitze, Austrocknung führen dagegen eher zum Kreislaufkollaps. Das „Restless Legs Syndrom“, die unruhigen Beine im Schlaf, gelten als Sonderform unkontrollierter Muskelbewegung. Ein Tremor wird durch Elektroden diagnostiziert, die auf den Muskel geklebt werden. Prof. Barbe.“ „Wer regelmäßig stark zittert, sollte zum Neurologen.“

(sn)