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Deutsche Sportlehrer schlagen AlarmUnser Jugend wird immer unbeweglicher

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Jedes siebte Kind ist übergewichtig. Das liegt nicht allein am Daddeln, sondern auch am „Mama-Taxi“, das von Tür zu Tür fährt und daran, dass Bewegung in vielen Familien einfach nicht mehr zum Alltag gehört.  

Köln – Beim Purzelbaum brechen sich Grundschüler fast das Genick, das Schwimmabzeichen in Bronze schaffen nur noch die wenigsten.

Sportwissenschaftler warnen: Der Nachwuchs ist in den letzten zehn bis 15 Jahren regelrecht erstarrt. Laut aktueller Erhebungen verbringen 76 Prozent der 14- bis 16-Jährigen täglich mehr als drei Stunden vor Bildschirmen (Smartphone, Computer oder TV). Schon Zehn- bis Elfjährige daddeln 76 Minuten, 12- bis 13-Jährige kommen gar auf 126 Minuten pro Tag (Bitkom-Studie).

Deutsche Jugend bewegt sich nicht mehr freiwillig

Die Kölnerin Ariane P. (62, möchte mit Rücksicht auf ihre (Enkel-)Kinder ihren vollen Namen nicht veröffentlicht sehen), kennt das Phänomen nur zu gut:

Deutsche Jugend: Alarmierende Zahlen der Weltgesundheitsorganisation

Die Folgen für die kleinen Sesselhocker sind gravierend. Zahlen, die erschrecken: Fast 80 Prozent der Jungen und fast 88 Prozent der Mädchen kommen nicht auf die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene eine Stunde Bewegung pro Tag.

Damit ist noch nicht einmal gezielter Sport gemeint, sondern einfache Aktivitäten wie Gehen, Treppensteigen, Radfahren.

Deutsche Kinder haben nicht genug Kraft für Purzelbaum

Handstand, Balancieren, Purzelbaum schlagen – wer kann das noch? Die Rolle vorwärts werde tatsächlich in vielen Bundesländern nicht mehr gelehrt, weiß Swantje Scharenberg, Leiterin des Forschungszentrums für den Schulsport und Sport von Kindern und Jugendlichen.

Die Begründung klingt unglaublich: Die Armkraft vieler Kinder reiche nicht aus, um ihr zu hohes Körpergewicht zu halten. Dadurch steige die Verletzungsgefahr.

Immer weniger Kinder lernen schwimmen

Laut einer DLRG-Studie können immer weniger Grundschüler sicher schwimmen. Nur noch 40 Prozent schaffen bis zum Abschluss der vierten Klasse das Deutsche Jugendschwimmabzeichen in Bronze. Ende der 80er Jahre waren es noch mehr als 90 Prozent.

43 Prozent der Kinder konnten in einer Langzeitstudie bei Rumpfbeugen ihre Zehenspitzen nicht erreichen.

43 Prozent der Grundschüler in der vierten Klasse leiden unter Kopf- und Rückenschmerzen, so die Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung.

Deutsche Jugend: Daddeln macht nicht fett

Viele Unfälle im Kindesalter sind nach Meinung von Ärzten auf ungeschicktes Bewegungsverhalten zurückzuführen.

Dabei ist es paradox: Nie zuvor waren so viele Kinder und Jugendliche in Sportvereinen engagiert. Aber das kann den Bewegungsmangel im Alltag leider nicht ausgleichen. Fakt ist nämlich: Daddeln allein macht den Kohl – beziehungsweise die Kinder – nicht fett (jedes siebte Kind bei uns ist übrigens übergewichtig).

Eltern müssen etwas ändern

Deshalb nimmt Michael Fahlenbock, Präsident des Deutschen Sportlehrerverbandes, die Eltern in die Pflicht. Im Gespräch mit unserer Zeitung kritisiert er diejenigen, die ihre Kinder bis zum Schultor fahren: „Warum können Kinder die letzten Meter nicht zu Fuß gehen? Das wäre ein Bewegungsanteil am Tag, den man sonst künstlich wiederherstellen muss.“

„Mama-Taxis“ beschränken Kinder zudem in ihrer Selbstständigkeit, so Fahlenbock. Er fordert aufgrund des Nachmittagsunterrichts an Schulen attraktivere Pausenhöfe, Schulräume und Flure. „Warum in der Pause nicht an Kletterwänden bouldern?“, fragt der Experte.

Schulsport reicht nicht aus

Schulsport allein kann wenig bewirken. „Aufbauen, abbauen, Anwesenheit, hintereinander stehen, warten, bis man überhaupt über den Bock springt – das hat nix mit Sport und Bewegung zu tun“, sagt Sportwissenschaftler Endre Puskas.

Von 45 Minuten blieben nach Umziehen und Aufwärmen etwa acht bis zehn Minuten übrig, in denen Kinder sich körperlich austoben können. Und gerade die Bewegungsmuffel, die es am nötigsten hätten, halten sich gern im Hintergrund. Auch, weil ihre Eltern ihnen meist nicht vorleben, dass Sport Spaß macht.  

Dem Bewegungsmangel gezielt entgegensteuern

Manchmal braucht das Kind einfach einen anderen Namen, um attraktiver zu wirken.

  • „Mit Parkour-Training kann ich meine Schüler eher überzeugen, die gleichen Bewegungen zu machen, als wenn ich das Turnen nenne“, so Sportlehrer Hendrik Hein.
  • Moderates Training im Fitnessstudio ist eine gute Ergänzung für ältere Jugendliche.
  • Die soziale Schere klafft auch beim Thema Bewegung immer weiter auseinander, belegt der 3. Kinder- und Jugendsportbericht. Aber zumindest am Geld sollte Sport nicht scheitern. Vielerorts finden sich Tischtennisplatten, Basketballkörbe oder Tore zum Kicken in Parks.
  • Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (www.bzga.de) empfiehlt in einer Broschüre Fitness- oder Bewegungsapps, die Eltern gemeinsam mit dem Nachwuchs auswählen können.
  • Pfützen werden zur „Dinospucke“, Tannenzapfen zu Wurfgeschossen – wenn Eltern den Spaziergang zur „Schatzsuche“ erklären, lassen sich besonders jüngere Kinder eher dafür begeistern, so die BZgA.
  • Eltern sollten sportliches Vorbild sein, bei jedem Wetter nach draußen gehen – in den Park, auf den Spielplatz oder einfach nur toben, spielen und balancieren auf Bäumen, Mauern und Treppen.