Generation SandwichZwischen kranken Eltern und eigenen Kindern

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Als Sandwich-Generation wird die Generation der heute 40- bis 60-Jährigen bezeichnet, die wie ein Wurstbelag „eingeklemmt“ ist zwischen den „Brotscheiben“ der Verpflichtungen für die eigenen Eltern und den Nachwuchs. 

Köln – Das Leben von Jule Walter (36) ist eng getaktet: Sie arbeitet 15 Stunden wöchentlich als Sozialversicherungskauffrau bei einer Krankenkasse. Sie kümmert sich um ihre Junges (drei und sieben). Sie kümmert sich um den Haushalt. Und nicht zuletzt um die kranken Großeltern ihres Mannes, die im selben Haus leben.

Damit ist sie eine typische Vertreterin der Generation Sandwich, die von Kindern einerseits und zunehmend kränkeren Eltern oder Großeltern andererseits in Anspruch genommen wird.

Das Phänomen fand Anfang der 90er Jahre Eingang in den deutschen Sprachschatz. Demnach bezeichnet es die mittlere Generation, die Verpflichtungen gegenüber der jüngeren und der älteren Generation hat – also wie der Belag zwischen zwei Brotscheiben eingeklemmt ist.

Generation Sandwich: Zeit ist extrem knapp

Zeit – das ist für die zweifache Mutter Jule Walter etwas Rares. Sie gehört zu der großen Gruppe der Menschen, die Angehörige in den eigenen vier Wänden betreuen. In Deutschland leben nach offiziellen Zahlen rund 3,4 Millionen Pflegebedürftige.

Von denen werden gut drei Viertel zu Hause versorgt, zumeist allein durch Angehörige. 74 Prozent der Pflegenden sind Frauen, Tendenz steigend.

Frauen bekommen immer später Kinder

Das hat mehrere Gründe: Frauen gebären in höherem Alter. So sind die Kinder noch recht klein, wenn deren Großeltern womöglich der Fürsorge bedürfen. Der Trend wird dadurch noch verstärkt, dass Kinder auch später flügge werden als vor 20 Jahren: Auch weil Wohnungen vielerorts knapp und teuer sind, bleibt der Nachwuchs länger im Jugendzimmer.

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Jule und Thomas Walter spielen mit den Kindern. Auch die Großeltern leben im Haus.

Nesthocker sind vor allem junge Männer. Das belegt der Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes 2017: Mit Erreichen der Volljährigkeit leben noch fast alle jungen Männer als ledige Söhne im Elternhaus. Mit 23 Jahren sind es noch 50 Prozent.

Auch der Sohn von Felix H. (51) wohnt noch zu Hause. Der Vater kann mit dem Bild von der Generation Sandwich viel anfangen. Er kümmert sich um seine krebskranke Mutter und fühlt sich auch noch für den 19-jährigen Sohn verantwortlich.

Generation Sandwich: Beine hochlegen geht nicht

Für seine in einer 30 Kilometer entfernten Gemeinde lebende Mutter (75) erledigt Felix H. Einkäufe und Behördenkorrespondenz. Er begleitet sie zu Ärzten und besucht sie, wenn sie ins Krankenhaus muss. Auf der anderen Seite beobachtet er, dass sein Sohn null Bock dazu hat, im Haushalt mitzuhelfen.

„Die Beine hochlegen kann ich nur selten“, sagt der Vater. Freie Zeit für sich und seine Frau – Luxus. Ausnahme: Morgendliche gemeinsame Spaziergänge sind ihnen heilig. Auch gelegentliche Verabredungen zum Essen oder Kino helfen dem Paar, die Partnerschaft nicht zu sehr zu vernachlässigen.

Damit tun sie genau das Richtige, sagt Albrecht Wehner vom Gesundheitsmanagement der Techniker Krankenkasse. „Menschen, die unter einer Doppelbelastung leiden, müssen besonders darauf achten, ihre Ressourcen zu stärken.“ Dazu gehöre, sich Auszeiten von jeglicher Betreuung zu nehmen.

Generation Sandwich: Positives Miteinander in der Familie

Seit kurzem leben in der Wohnung von Benedikt M. im drei Generationen und ein junger Hund. Da sind er und seine Frau, der berufstätige Sohn (23) und seine 86-jährige Mutter. Die helfe beim Kochen, bügle, backe Kuchen. Benedikt M. fühlt sich mit dem Geben und Nehmen wohl.

Verschiedene Studien zeigen, dass auch andere es so empfinden, dass das menschliche Miteinander durchaus ein positiver Faktor ist. Der Stress besteht meist darin, Familie und Beruf zu vereinbaren. Nach einer Allensbach-Studie sind die Frauen aus der doppelt und dreifach geforderten Altersgruppe übrigens überwiegend zufrieden.

Pflegebedürftige Angehörige: So kann man sich zeitweise vom Job befreien lassen

Auch der Gesetzgeber hat erkannt, dass er den „Kümmerern“ das Leben leichter machen muss. So wurde die Arbeitsverhinderung, also die Freistellung von bis zu zehn Tagen für akute Fälle, 2015 ergänzt durch Pflege- und Familienpflegezeit. Es besteht seitdem ein Anspruch auf Familienpflegezeit, also auf eine teilweise Freistellung bei einer Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden.

Die Pflegezeit ermöglicht es den Arbeitnehmern, sich bis zu sechs Monate vollständig oder teilweise vom Job befreien zu lassen. Für die längerfristigen Einkommensverluste kann ein zinsloses Darlehen, für die Arbeitsverhinderung ein Unterstützungsgeld beantragt werden.

Grob geschätzt bekommen nach Angaben des Familienministeriums 9000 bis 13.000 Helfer pro Jahr Pflegeunter-stützungsgeld. Viel weniger Interesse besteht an den zinslosen Darlehen: Seit Inkrafttreten der Regelungen wurden überhaupt nur 1217 Anträge gestellt. (dpa)