Netz-Experte warntCorona ist der Jackpot für Cyber-Kriminelle

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Cyber-Kriminelle machen sich das Coronavirus zunutze, um selbst davon zu profitieren. Sie setzen auf die Sorglosigkeit der Internetnutzer.

von Mirko Wirch (wir)

Köln – Trotz unserer immer vernetzteren und digitaleren Welt ist Cyberkriminalität für viele noch immer ein Fremdwort. Das will Tech- und IT-Sicherheits-Experte Gerald Reischl (55) mit seinem neuen Buch „Internet of Crimes – Warum wir alle Angst vor Hackern haben sollten“ ändern.

Er will eine „positive Angst“ bei den Lesern schüren. Was er damit meint – und wie wir uns alle unbedingt schützen sollten – gerade in der Corona-Krise.

Gerald Reischl: „Jeder muss bewusst mit Daten umgehen“

Gerald Reischl arbeitet als Direktor Kommunikation und PR beim österreichischen Technologie-Unternehmen „AT&S“. Daneben ist er erfolgreicher Autor. „Ich will zeigen, dass jeder von uns ein Bewusstsein im Umgang mit dem Internet und technologischen Innovationen entwickeln und stärken muss. Jeder Mensch muss wissen, dass alles, was er ins Netz stellt für immer dort bleibt und im schlimmsten Fall gegen ihn verwendet werden kann. Ich möchte Menschen sensibilisieren für diese Thematik.“

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Er nennt es: Eine „positive Angst“ schaffen. Seine Bücher werden regelmäßig zu Bestsellern. Sein neuestes Werk zeigt, was in Sachen Cyberkriminalität in der Vergangenheit bereits geschehen ist – und was noch alles auf uns zukommt.

Kampf gegen Cyber-Kriminalität kostet 5,5 Billionen Euro

„Jeder Einzelne wird irgendwann Opfer von Cyberkriminalität werden“, sagt der 55-Jährige. Der Kampf gegen diese Art von Verbrechen wird ab 2021 jährlich 5,5 Billionen Euro kosten.

Zum Vergleich: Das Finanzpaket, das die EU-Mitgliedsstaaten vor einigen Wochen nach tagelangem Debattieren beschlossen haben, beläuft sich auf 1,85 Billionen Euro.

Cyber-Kriminelle: Für sie ist Corona wie ein Lottogewinn

Corona ist mit ein Grund, warum die Cyberkriminalität gerade blüht. Reischl sagt, dass Covid-19 für Cyberkriminelle „eine Art Lottogewinn“ sei. Warum? „Sie nutzen schon immer Großereignisse, Katastrophen oder globale Events vom Ausmaß einer Pandemie für ihre Zwecke. Auf diese Weise können sie im Windschatten der Ereignisse für Verwirrung sorgen, Desinformationen verbreiten, Unsicherheit auslösen und dann viel Geld verdienen“, so der Experte.

Weil durch die Corona-Krise alle zuhause geblieben sind, hatten die Cyberkriminellen ihre Opfer genau dort, wo sie sie haben wollten: Am Smartphone, am Laptop oder Notebook. Dazu kommt, dass die potenziellen Opfer in der „perfekten“ Stimmung waren – manipulierbarer, weil sie sorgenvoll waren, nicht viel anderes zu tun hatten, sich ablenken wollten. Außerdem ist das Homeoffice bei vielen nicht so gut abgesichert wie die IT am Arbeitsplatz.

So schlagen Cyber-Kriminelle besonders gerne zu

Video-Konferenzen, digitales Shopping und Online-Gaming: Drei Bereiche, in denen die Kriminellen besonders gerne zuschlagen. „Durch das verordnete analoge »Social Distancing« wurde das »Digitale Connecting« verstärkt.“

Das unterstreicht Reischl mit erstaunlichen Zahlen. „Der Datenverkehr stieg in dieser Zeit während der Wochenenden um 50 Prozent, bei Games gab es ein 400-prozentiges Wachstum, der Anteil an Video-Konferenzen stieg allein in den USA um 300 Prozent“. Im Februar 2020 warnte die Weltgesundheitsorganisation schon vor Cyberkriminellen im Zusammenhang mit Covid-19, teilte diese dabei in drei Kategorien ein:

Social-Engineering: Meint soviel wie „soziale Manipulation“. Ziel ist, dass Opfer sensible Informationen über sich preisgeben. Dazu werden sie mit fiesen Tricks gebracht, die Kriminellen stellen z. B. eine persönliche Verbindung zum Opfer her. Beispiel „Phishing“: Betrüger versuchen, mit gefälschten E-Mails von einem Bekannten (dessen Mailadresse sie nachahmen) an persönliche Daten zu gelangen. Nur mal zur Größenordnung: „Google sortiert pro Woche knapp 20 Millionen Covid19-Phishing-Mails heraus“, sagt Reischl.

Handel mit gefälschter Ware: Laut dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum verlor Deutschland im Jahr 2019 dadurch Einnahmen von rund 7,1 Milliarden Euro. In der gesamten EU waren es rund 60 Milliarden Euro. Laut eines Berichtes der Unternehmergruppe KMPG von Juni 2020 sind dabei besonders Kleider und Schuhe (23 Prozent) sowie Accessoires (17 Prozent) von Fälschungen betroffen.

Verbreitung von Desinformationen (Fakenews): Ob über Sprachnachrichten, Texte oder Videos – Betrüger verfassen Falschmeldungen, verbreiten Panik und Skepsis und machen ihre Opfer damit unsicher und nervös. Die deutsche Bundesregierung hat auf ihrer Website Tipps veröffentlicht, wie man in solchen Fällen handeln sollte: Kritisch hinterfragen, Quellen prüfen und erhaltene Informationen mit offiziellen Meldungen vergleichen.

Cyber-Kriminalität: „Skeptisch sein hilft“

Reischl rät: „Der beste Schutz gegen Cyber-Kriminelle ist, eine Sensibilität und ein Bewusstsein für mögliche Gefahren zu entwickeln, skeptisch zu sein und (eigenartige) Vorgänge (und Mails) immer kritisch zu hinterfragen.“

Absenderadressen von E-Mails sollte man sich stets genau anschauen, manchmal wird von den Kriminellen nur ein Buchstabe verändert. Außerdem auf Rechtschreibung und Grammatik achten. Und bei Handlungsanweisungen wie der Herausgabe von Daten oder Geldüberweisungen zunächst prüfen , ob die Aufforderung überhaupt berechtigt sein könnte.

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Niemals auf verdächtige Mails antworten oder Anhänge aus unbekannter Quelle öffnen und bei vermeintlich bekannten Quellen erst den Absender genau checken. Reischl sagt: „Der größte Freund der Cyberkriminalität ist die Naivität“.

Das Risiko von „Digitalen Assistenten“

„Alexa“, Siri & Co. bringen ein Dilemma mit sich. Einerseits vereinfachen diese Sprachassistenten den Alltag. Andererseits wird man das Gefühl nicht los, dass die Geräte immer mithören und alles, was man sagt, speichern.

Da ist auch was dran. Gerald Reischl weist darauf hin, dass sich Sprachassistenten unabsichtlich aktivieren können, u. a., wenn im Fernsehen jemand Alexa sagt. Kennen Sie das? Sie unterhalten sich mit Freunden über den nächsten Urlaub – und danach sehen Sie auf Facebook und anderen Seiten Urlaubsangebote und Werbung von genau diesem angesprochenen Urlaubsort.

Gespräche werden mitgeschnitten

„Die logische Erklärung: Gespräche werden mitgeschnitten und mit dem internen Werbesystem abgestimmt“, sagt Reischl. „Jeder, der eine »Alexa« im Schlafzimmer hat oder sein Smartphone eingeschaltet neben dem Bett platziert, darf sich nicht wundern, wenn Geräusche aus dem Schlafzimmer aufgezeichnet werden.“

Könnten Dritte, wie zum Beispiel Cyberkriminelle, Zugriff auf diese sensiblen Daten bekommen? „Nein“, sagt Gerald Reischl. Cyberkriminelle schnappen sich Daten dieser Geräte nicht. Die größere Gefahr sieht der Experte aber darin, dass sich die digitalen Verbrecher mittels der Sprachassistenten Zugang in Systeme wie Laptops und Smartphones verschaffen.

Da diese Geräte zuhause mit demselben WLAN verbunden sind , sei das einer der Wege, um später dann an sensible Daten zu gelangen.