Regisseur und Autor Sönke Wortmann„Schreiben war ein einsamer Job“

Wir haben mit Sönke Wortmann über seinen neuen Film „Contra“, die Streitkultur in Deutschland, sein enormes  finanzielles Risiko bei seinem Kultstreifen „Das Wunder von Bern“ und das Bücherschreiben gesprochen.

von Horst Stellmacher (sm)

Köln. Lebt in Düsseldorf, arbeitet in Köln – und ist verantwortlich für viele wunderbare Film-Momente: Regisseur Sönke Wortmann (62). Von ihm stammen Publikum-Hits wie „Der bewegte Mann“, „Das Wunder von Bern“, „Die Päpstin“ und die erste Staffel „Charité“.

Seit Donnerstag, 28. Oktober, ist seine Polit-Komödie „Contra“ in den Kinos, in der Nilam Farooq (32) und Christoph Maria Herbst (55) gegeneinander antreten. Gleichzeitig erschien sein erster Roman „Es gilt das gesprochene Wort“ (Ullstein Verlag).

Sönke Wortmann im EXPRESS-Interview

Ein neuer Film, der erste Roman – auf welches Projekt waren Sie im Vorfeld gespannter?

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Sönke Wortmann: Im Herzen war und ist es das Buch, schließlich ist es mein erstes. „Contra“ ist dagegen bereits der circa 15. Kinofilm, da habe ich jetzt eine gewisse Routine. Ich kenne die Abläufe, kann Zahlen bewerten, und wenn ich weiß, wie das erste Kino-Wochenende war, weiß ich, was etwa am Ende rauskommt. Aber den Buchmarkt kenne ich nicht, da warten vielleicht noch einige Überraschungen auf mich.

Wenn Sie nur eines weitermachen könnten – würden Sie lieber filmen oder schreiben?

Sönke Wortmann: Weil ich ein Teamworker bin, würde ich weiter Filme drehen. Ich arbeite total gern mit Autoren, Schauspielern, Kostümbildnern, Filmmusikern. Und gemeinsam versuchen wir dann, was zu gestalten. Das brauche ich. Beim Roman war ich Einzelkämpfer, schreiben ist schon ein sehr einsamer Job.

Sönke Wortmann, Nilam Farooq, Christoph Maria Herbst und Petra Müller stehen auf dem Roten Teppich der Premiere von „Contra“.

(V.l.) Sönke Wortmann, Nilam Farooq, Christoph Maria Herbst und Petra Müller bei der „Contra“-Premiere am 25. Oktober.

Gefühlt ist „Contra“ der richtige Film zur richtigen Zeit. Er geht um öffentliche Debatten – und wir merken ja immer mehr, dass die Streitkultur bei uns zu wünschen übrig lässt…

Sönke Wortmann: Das Thema Streitkultur ist bei uns allerdings schon seit geraumer Zeit sehr evident, nicht erst seit diesem Jahr. Das sieht man auch daran, dass der Film eigentlich ein Jahr früher rauskommen sollte, da war es auch schon die richtige Zeit.

Glauben Sie, dass sich das schnell ändern wird?

Sönke Wortmann: Unsere Streitkultur wird immer emotionaler, hysterischer und intoleranter, deswegen glaube ich nicht, dass uns das Thema schnell verlassen wird. Unser Film spielt in einem der Debattenclubs, die es leider noch viel zu selten bei uns gibt. Da muss sich jeder, der andere von seiner Meinung überzeugen will, auch immer die gegenteilige Meinung anhören. Vielen, die öffentlich ihre Meinung kundtun, würde so etwas guttun.

Die Hauptrolle – ein zynischer Professor, der die Studierenden mit rassistischen Aussagen provozieren will – spielt Christoph Maria Herbst. Eine ungewöhnliche Rolle für ihn…

Sönke Wortmann: Ja, so gab es ihn fast noch nie. Christoph steckt immer noch sehr in der Komödien-Schublade und bekommt nur wenig Gelegenheit, zu zeigen, was er noch alles kann. Er ist ein sehr guter Schauspieler, und ich glaube, dass gute Schauspieler alles können. So wie mein Lieblingsschauspieler Jack Lemmon, der von knallharter Komödie bis Drama alles gespielt hat.

Der Film spielt an der Frankfurter Uni – aber wir erkennen in ihm auch Gebäude und Hörsäle der Universitäten in Köln und Bonn. Warum?

Sönke Wortmann: Das hat vor allem ökonomische Gründe. Das Filmteam kommt fast komplett aus Köln. Deswegen sind viele der Innendrehs meist hier entstanden, und deswegen sehen wir viele Kölner und Bonner Studierende als Statisten.  

Mit „Contra“ können Sie ein Jubiläum feiern – seit 30 Jahren drehen Sie Filme. Welcher davon liegt Ihnen besonders am Herzen?

Sönke Wortmann: Wenn nur einer von allen übrig bleiben sollte, würde ich „Das Wunder von Bern“ nehmen.

Es ist der Film über die Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in Bern. Warum der?

Sönke Wortmann: Der Film ist gegen große Widerstände entstanden. Er war sehr teuer, ich bin mit ihm ein großes finanzielles Risiko eingegangen, denn ich war nicht nur Regisseur, sondern auch Drehbuchautor und Produzent. Wenn das in die Hose gegangen wäre, würden wir hier heute kein Interview machen. Wenn man es gegen allen Rat trotzdem macht und es dann funktioniert, dann ist es schon was Besonderes.

Horst Stellmacher (l.) und Sönke Wortmann sitzen nebeneinander.

EXPRESS-Reporter Horst Stellmacher (l.) beim Interview mit Sönke Wortmann in Köln.

Arbeiten Sie lieber fürs Kino oder Fernsehen?

Sönke Wortmann: Fürs Kino, Kino ist immer noch die Königsdisziplin. Eine große Leinwand hat eine ganz andere Art von Magie als jede Art von Bildschirm. Ein Kinofilm wird wesentlich bewusster wahrgenommen.

In diesen Tagen erscheint auch Ihr Buch „Es gilt das gesprochene Wort“, in dem es um einen Redenschreiber des Außenministers geht. Was unterscheidet Schreiben vom Drehen?

Sönke Wortmann: Dass ich mich beim Schreiben auf eine Geschichte einlasse, die ich vorher nicht kannte. Ich war zu Beginn des Romans ahnungslos, wohin die Reise geht. Erst nach zwei Dritteln wusste ich ungefähr, wie es endet. Ich kannte nur den Anfang und ein paar Figuren, erst während des Schreibens hat sich der Roman entwickelt.

Haben Sie beim Schreiben dran gedacht, den Roman selbst zu verfilmen?

Sönke Wortmann: Ich würde mich sehr freuen, wenn der Roman verfilmt würde, aber selber möchte ich es nicht machen. Ich fände es schon deswegen total spannend, wenn es jemand anderes macht, weil ich ja selbst viele Romane anderer Autoren verfilmt habe und weiß, wie sie dann reagierten. Ich bin schon jetzt sehr neugierig, was jemand anderes aus meinem Roman macht und was ich dann davon halte.

„Ist das Buch ein Corona-Produkt?“

Sönke Wortmann: Könnte man meinen, ist es aber nicht. Ich hatte mir schon vor Corona vorgenommen, den Roman zu schreiben und hatte mir dafür das Jahr 2020 komplett freigehalten. Und dann kam im März 2020 Corona dazu. Das war schon ein seltsamer Zufall. So hatte ich das Glück, dass keine Filme verschoben oder abgesagt wurden. Es hatte sogar den schönen Effekt, dass ich wesentlich früher fertig war als geplant.    

Sie leben in Düsseldorf, arbeiten viel in Köln – aber wir warten immer noch auf einen Film und jetzt ein Buch von Ihnen über das Rheinland. Warum kommt da nichts von Ihnen?

Sönke Wortmann: Ich bin ja ein Kind des Ruhrgebiets – wenn ich Heimatfilme mache, dann beschreiben sie das Ruhrgebiet. Aber es kommt mir vor allem auf die Geschichte und die Figuren an, und dann ist es mir egal, ob es Köln, Düsseldorf oder Hamburg ist. Hauptsache die Geschichte ist gut.

Sönke Wortmann: Vom Fußballer zum gefragten Regisseur

Sönke Wortmann (geboren am 25. August 1959 in Marl), wollte nach dem Abitur Fußballprofi werden (spielte u.a. bei Westfalia Herne und SpVgg Erkenschwick). Nach drei Jahren beendete er die Fußball-Karriere jedoch. Er studierte Soziologie in Münster, dann Regie in München.

Sein Regie-Debüt feierte er 1991 mit „Allein unter Frauen“. Zu seinen Kinohits zählen u. a. „Kleine Haie“, „Der bewegte Mann“ (6,5 Mio-Zuschauer), „Das Superweib“, „Das Wunder von Bern“ und „Deutschland. Ein Sommermärchen“. 2017 führte er Regie bei der ersten Staffel der ARD-Serie „Charité“.

Er machte auch viele Werbespots, u. a. mit Lukas Podolski für Rewe. Sönke Wortmann ist mit der Schauspielerin Cecilia Kunz (50) verheiratet, sie haben drei Kinder. Die Familie lebt in Düsseldorf.