Schlager-Star packt aus„Immer dümmer werdende, oft hinter den Kulissen verlogene Sendungen“

Frank Schöbel im August 2019 bei einem Auftritt in der ARD-Show „Immer wieder Sonntags“, begleitet von einer Background-Tänzerin.

Frank Schöbel im August 2019 bei einem Auftritt in der ARD-Show „Immer wieder Sonntags“, begleitet von einer Background-Tänzerin. 

Sein erster Song hieß „Zwei Ähren im Wind“. Als Teenie sang er ihn auch in Seniorenheimen. Seither sind viele Jahrzehnte vergangen – und Frank Schöbel blickt als bald 80-Jähriger auf eine Karriere zurück, die im Sozialismus kometenhaft begann.

Einmal sitzt der sozialistische Schlagerstar ganz allein mit dem Chef der DDR-Staatssicherheit an einem großen runden Tisch. Plötzlich sagt Erich Mielke zu Frank Schöbel: „Na?“ Und Schöbel zu ihm: „Na?“ Und Mielke nochmal: „Na?“ Und Schöbel auch nochmal: „Na?“

„Und damit war das Gespräch beendet. Keiner hat zu viel verraten“ – so beschreibt der Sänger das Aufeinandertreffen Jahrzehnte später in seiner Autobiografie.

Frank Schöbel veröffentlicht Biografie „Danke, liebe Freunde!“

Sie heißt „Danke, liebe Freunde!“ und ist am Donnerstag (29. September 2022) beim Verlag Bild und Heimat in Berlin erschienen – 60 Jahre nach dem Start von Schöbels Karriere.

Es ist bereits die zweite Autobiografie des inzwischen 79-Jährigen. Diesmal beantwortet der Sänger 366 Fragen. Und es gibt ein Vorwort und ein Nachwort von ihm. Beide überraschen und berühren sehr.

„Hat's die Stasi bei dir versucht?“, lautet Frage Nummer 89 im Buch. Die Antwort: „Das Verhör fand in einem hohen, schmalen Raum statt, so wie man das aus schlechten Filmen kennt.“ Er sei von einem Herrn befragt worden, weil nach einer West-Tournee zwei seiner Musiker „drüben“ geblieben waren.

Am nächsten Tag sei er wieder vorgeladen worden. Nun nahmen ihn der Schilderung zufolge zwei Herren in die Mangel: „Sie sind sehr beliebt, Sie kennen viele Musiker und wir möchten Ihre Kenntnis ausnutzen, uns dann und wann treffen, und Sie erzählen ein bisschen.“

„„Nee“, sagte ich und war stolz, dass ich das so sagen konnte. Ein paar Jahre zuvor hätte ich vielleicht, vor lauter Angst, einfach nur den Kopf runter gemacht.“ Seine Antwort: „Das wäre für mich das Allerletzte, jemanden zu verpfeifen und zu verraten, das ist nicht mein Ding. Ich will Musik machen.“

Frank Schöbel startete Karriere beim „Tanzorchester der Sonderklasse Heinz Müller“

Frank Schöbel, Sohn einer Opernsängerin aus Leipzig, hatte schon als Jugendlicher gern gesungen und Gitarre gespielt. Sein erstes eigenes Lied hieß „Zwei Ähren im Wind“. Als 19-Jähriger wurde er Sänger und Gitarrist beim Leipziger „Tanzorchester der Sonderklasse Heinz Müller“.

Doch zwei Jahre später schon stand er allein im Rampenlicht. Und die Karriere startete gleich mit mehreren Hits: Der erste Song „Looky, Looky“ sprang auf den 1. Platz der „tip-Parade“, die Nachfolger „Blonder Stern“ und „Party-Twist“ ebenso. Die „tip-Parade“ war eine Musikwertungssendung auf Radio DDR.

Mehr als 600 Titel hat Schöbel bis heute gesungen. In der DDR war er der erfolgreichste Schlagersänger – einige Jahre lang im Traum-Duo mit seiner damaligen Frau Chris Doerk.

Später dann gehörte er mit seiner Lebensgefährtin Aurora Lacasa und den Töchtern Odette und Dominique an Heiligabend zum festen Programmpunkt im DDR-TV. In „Weihnachten in Familie“ sangen die Vier in ihrem Wohnzimmer. Das gleichnamige Album gilt als meistverkauftes der DDR-Plattenfirma Amiga. Schöbel und Lacasa trennten sich Mitte der 90er Jahre.

Frank Schöbel will „kein reiner Schlagerheinz“ sein

Der nimmermüde Künstler moderierte aber auch die DDR-Rocksendung „Franks Beatkiste“. Er sei wohl „kein reiner Schlagerheinz“, stellt Schöbel daher fest.

Er komponierte zudem 365 Lieder, unter anderem für Gisela May, Harald Juhnke, Karel Gott – und Union Berlin. Dennoch sagt er, die Bezeichnung „Star“ möge er nicht. „Das klingt so weit weg von den Menschen, für die ich singe.“ Er ist für seine Fans einfach nur Fränkie, meist in Jeans und Lederjacke.

Nach dem Mauerfall lehnte er mal einen Auftritt in einem Grandhotel ab. Der Grund: Die Schickimicki-Atmosphäre sei nicht seins. „Ehrlich, eine Festzelt-Mugge ist mir lieber. Zu Stadtfesten gehe ich gern, zu den einfachen Menschen. Da fühl' ich mich wohl.“

Unter anderem aus Treue zu seinem Publikum sei er einst auch in der DDR geblieben. Obwohl er sich dort über so manches ärgerte. „Es tat sehr weh, immer der „Ostdödel“ zu sein und nur hin und wieder zu TV-Sendungen in den Westen fahren zu dürfen“, schreibt er.

Besonders ärgerte ihn, dass er Einladungen zur ZDF-Hitparade, der wichtigsten Sendung für deutschsprachige Unterhaltungsmusik, ausschlagen musste. Die Polit-Ideologen im Zentralkomitee (ZK) der SED hätten entschieden: „Da fahren wir nicht hin!“, schildert er.

Sicher frage sich mancher heute, wie er das ertragen habe. Schöbel: „Tja, man ist so aufgewachsen und wusste, dass man reglementiert wird, fand sich zurecht und richtete sein Leben ein.“ Sein Bruder war 1965 in den Westen gegangen, seine Mutter als Rentnerin 1973. „Für mich war klar: Ich bleibe.“ Ihm sei auch ein West-Auto nicht so wichtig gewesen. „Ich bin Wartburg gefahren und fand das in Ordnung.“

„Geld rauszuschmeißen ist leicht, sparen braucht Disziplin und Köpfchen“

Auch nach dem Mauerfall verfiel der Sänger nicht dem Konsumrausch. „Eine Jeans, 'n Shirt, ein Paar Turnschuhe im Jahr, und die Welt ist in Ordnung“, schreibt der vierfache Vater, der im Osten Berlins in einem eigenen Holzhaus mit Garten lebt. „Geld rauszuschmeißen ist leicht, sparen braucht Disziplin und Köpfchen.“

Am 11. Dezember wird der Entertainer – dunkelblondes dichtes Haar und ein fast faltenfreies Gesicht – 80 Jahre alt. Er habe vor Corona noch 80 bis 100 Auftritte im Jahr gehabt, erzählt er. In der Pandemie habe er dann gemerkt, „wie schön es sein kann, wenn man nicht mehr den Hit-Paraden nachjagt, wenn man nicht in immer dümmer werdenden, oft hinter den Kulissen verlogenen Sendungen sein muss, wenn man in Ruhe Freunden zuhören kann und nicht schon wieder auf der Jagd zur nächsten Mugge ist“, schreibt Schöbel im Vorwort.

Frank Schöbel blickt auf seine lange Karriere zurück

Im Nachwort wird er noch konkreter: In seinem Leben sei er durch die Arbeit kaum zum Nachdenken gekommen. „Singen und mit freundlichen Menschen zusammenzukommen, hat mich mein ganzes Leben lang begleitet.“

Irgendwann werfe er das Handtuch. „Ich werde mich dann ganz leise und herzlich verabschieden, weil ich nicht auf der Bühne sterben will, auch wenn ich das mal gesagt habe.“ Und: „Mensch, es war irre schön mit euch! Versteht doch bitte, ich möchte auch mal einfach nur zu Hause sein und das Leben genießen.“ (dpa)