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„Ich verstehe es einfach nicht”Experte bei Lanz völlig verzweifelt wegen Notbremse

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Systemimmunologe Prof. Meyer-Hermann gibt bei „Markus Lanz” (ZDF) seine Einschätzung zur neuen Corona-Notbremse der Bundesregierung.

von Martin Gätke (mg)

Köln – Die Corona-Notbremse tritt nun seit vergangenem Wochenende in Kraft, doch die scharfe Kritik daran reißt nicht ab. Nun nimmt ein Immunologe die neue Regelung bei „Markus Lanz” (ZDF) am Donnerstagabend, 29. April, aufs Korn – und wirkt dabei völlig verzweifelt.

  • „Markus Lanz” am Donnerstag (29. April): Immunologe verzweifelt wegen Notbremse
  • Er attestiert, dass die neue Regelung keine Lösung sei, weil sie zu „Jojo-Effekt” führe
  • Seine Einschätzung: „Wir verlieren mit dieser Taktik”

Die Sendung beginnt mit einem dramatischen Einblick in die Corona-Lage in Indien: Am Donnerstag gab es dort einen erneuten weltweiten traurigen Rekord bei den Neuinfektionen: 379.000 Fälle. 3645 Menschen sind demnach im selben Zeitraum mit oder an der Krankheit gestorben. Das Gesundheitssystem dort ist am Limit, die Sauerstoffversorgung für die Covid-Patienten ist kritisch, Menschen verbrennen die Toten auf Parkplätzen in Neu-Delhi.

„Die Bilder, die uns erreichen, sehen ehrlich gesagt nach Apokalypse aus”, sagt Lanz zur ins Studio zugeschalteten Journalistin Silke Diettrich. Sie berichtet aus Neu-Delhi über die verheerende Situation dort.

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„Das Grundgefühl hier ist: Ihr habt uns alle komplett im Stich gelassen”, berichtet Diettrich. „Und wir wissen nicht mehr weiter.” Sie berichtet auch von den schlimmen Szenen in den Krankenhäusern, in denen Ärzte die Patienten mit Tränen in den Augen abweisen müssen. „Der Hauptstadt geht die Luft aus.”

Immunologe bei Markus Lanz: „In dem Moment, wo wir Virus Raum geben, sich auszubreiten, tut es das”

Was ist schuld an der Katastrophe? Ist es die indische Mutante B.1.617? Der Virologe Christian Drosten zeigt sich angesichts der bisherigen Erkenntnisse über die indische Corona-Variante B.1.617 relativ gelassen. Der Systemimmunologe Prof. Michael Meyer-Hermann bestätigt dies: Es gebe bislang wenig verlässliche Daten aus Indien zur Mutation, die auf eine höhere Sterberate schießen lassen. Da gebe es auch andere Gründe.

Doch die Situation zeige: „Das Virus lässt nicht nach. In dem Moment, wo wir dem Virus Raum geben, sich auszubreiten, tut es das auch. Das ist etwas, das wir uns merken sollten, wenn wir meinen, dass wir hohe Inzidenzen tolerieren können.”

Markus Lanz: Experte blickt verzweifelt auf neue Corona-Notbremse

Dann blickt der Immunologe auf die deutsche Situation und auf die jüngst beschlossene Corona-Notbremse. Er habe bereits an die ZDF-Redaktion geschrieben, dass er wie „Sisyphos” da sitze, zitiert Lanz ihn, der genau vorhersagt, was passieren wird, dann passiert es und dennoch würde niemand auf ihn hören.

„Es ist noch schlimmer”, so der Leiter der Abteilung System Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. „Ich habe gehofft, dass man reagiert, nachdem ich es gesagt habe. Und nicht erst, wenn es schon passiert ist und das Kind dann schon in den Brunnen gefallen ist.”

Experte bei Markus Lanz über Corona-Politik: „Wir machen einen grundsätzlichen Fehler”

Es gebe zwar viele Dinge, die wirken, etwa die Impfungen. Sie würden auch epidemiologisch spätestens im Mai spürbar sein. Jede Impfung sei eine Senkung der Reproduktionszahl. „Ein Hoffnungsschimmer, den wir haben.”

Aber: „Wir machen einen grundsätzlichen Fehler und der spiegelt sich auch in dem neuen Gesetz wider. Jede Hilfe, die von außen kommt, also die Impfung oder das wärmer werdende Wetter, machen wir wieder zunichte, indem wir mit Öffnungen das ganze wieder zu Null machen.“

Experte bei Markus Lanz: „Das ist eine Notbremse, das ist keine Lösung“

Deutschland öffne wieder in dem Moment, wo die Impfung anfange zu wirken. „Dabei haben doch eine Chance: Wir haben durch die Impfungen die Chance, die Zahlen herunterzubekommen. Das wäre eine zusätzliche Möglichkeit, mit der man erreichen kann, dass man niedrige Inzidenzen bekommt.“ Und was tut Deutschland? „Wir öffnen, damit einfach nichts passiert und die Inzidenzen gleichbleiben.“ Das sei die grundsätzliche Strategie, auch im neuen Gesetz. „Das ist eine Notbremse, das ist keine Lösung.“

Mit dieser Notbremse kontrollieren wir die Kontakte, die Inzidenzen würden sinken. „Dann machen wir wieder auf, dann gehen die Inzidenzen wieder über 100. Das ist ein Jojo-Effekt.“ Und dieser Corona-Jojo-Effekt koste die Gesellschaft unglaublich viel, so der Immunologe: wirtschaftlich, psychosozial, in der Bildung. „Auf allen Ebenen verlieren wir mit dieser Taktik.“ Weil wir die Pandemie eben „auf eine Ewigkeit“ in die Länge ziehen würden.

Experte bei Markus Lanz: „Wir verlieren mit dieser Taktik”

Dann blickt Meyer-Hermann auf die Regelung von vor ein paar Wochen, wo die 35 noch als Grenze stand. „Was würde das kosten, wenn wir die 35 anstatt der 100 halten?“ Es gebe dadurch keinen Vorteil, aber einen wesentlichen Unterschied: „Wir haben dreimal so viel Tote.“ Der Immunologie wirkt verzweifelt, redet sich in Rage: „Ist das irgendwie sinnvoll? Dass wir denselben Schaden erzeugen, aber statt bei 35 bei 100 schließen und damit dreimal so viel Tote in Kauf nehmen? Warum machen wir das? Ich verstehe es nicht!“

Es gebe eine einfache Lösung: Das Problem sei das Kriterium der Schwellenwerte selbst. „Diese Werte sind einfach nicht der Weg, wie wir mit den Zahlen runterkommen. Wir müssten ein anderes Kriterium haben, anstatt bei 35 oder 100 wieder auf zu machen.“ Das Kriterium aber sollte zum Beispiel laut Immunologe sein: „Wir senken die Fallzahlen innerhalb einer Woche um 20 Prozent. Wenn es weniger als 20 Prozent ist, dann müssen wir mehr Kontakte beschränken. Und so kommen wir allmählich in den Niedriginzidenz-Bereich.“

Experte Meyer-Hermann bei Lanz: Auch die Politik hört ihm nicht zu

Die Verzweiflung des Experten schlägt sich auch in der Kommunikation mit der Politik nieder: Seine Vorschläge habe er schon im Oktober 2020 mehrfach unterbreitet, er habe „es allen gesagt.“ Und meint damit Kanzleramt und Ministerpräsidenten. Manche Minister seien mit ihm zwar einer Meinung, aber am nächsten Tag erfahre er dann, dass ein anderer Weg gewählt wurde. „Das ist dann so diskrepant, dass man sich schon wundert.“ (mg)