TV-Veteran Johannes B. Kerner erlebt im Dezember einen wahren Show-Marathon. Viermal steht der Moderator einer Primetime-Show vor. Doch auch, wenn es „nur“ Unterhaltung ist, der 60-Jährige macht sich Gedanken über das, was uns in dunklen Zeiten Trost spendet und die Gesellschaft zusammenhält.
Johannes B. Kerner„Wenn der Algorithmus wichtiger geworden ist als der Mensch, haben wir ein Problem“

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Was schützt uns vor dem Verzweifeln in dunklen Zeiten? Für den Jahresabschluss hat sich Johannes B. Kerner in Schale geschmissen: Der 60-Jährige moderiert vier große ZDF-Formate zum Jahresende und denkt darüber nach, was in schwierigen Zeiten besonders wichtig ist. (Bild: ZDF/Christoph Neumann)
Mit der traditionellen „Ein Herz für Kinder“-Spendengala geht es (am Samstag, 6. Dezember, 20.15 Uhr) los: Der letzte Monat des Jahres hat es für ZDF-Mann Johannes B. Kerner in sich. Viermal moderiert er große TV-Events: „Der Quiz-Champion - Das 2025-Special“ (Dienstag, 23. Dezember, 20.15 Uhr), „Weihnachten mit dem Bundespräsidenten“ (Mittwoch, 24. Dezember, 18 Uhr) und die Silvester-Show „Willkommen 2026“ (Mittwoch, 31. Dezember, 20.15 Uhr) stehen ebenfalls an. Alle Formate haben etwas mit Rück- und Ausblicken zu tun. Wie schaut man in dunklen Zeiten auf die Welt, Johannes B. Kerner?
teleschau: Sie moderieren vier Shows, die alle zum Jahresende kommen. Ist Johannes B. Kerner der Mann für die anheimelnden Momente?
Johannes B. Kerner: Das ist eine interessante Theorie. Viel hat, glaube ich, mit Tradition zu tun. Eine Weihnachts- oder Silvester-Show lässt sich schlecht früher im Jahr senden. Auch die Jahresrückblicks-Folge von „Der Quiz-Champion“ kann man nur machen, wenn das Jahr fast rum ist - und „Ein Herz für Kinder“ hat viel mit dem Advent zu tun. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Die dunkle Jahreszeit ist eine wichtige Fernsehzeit, weil viele Leute vorm Gerät sitzen und auch ein bisschen Zuspruch gebrauchen können. Wenn man dann jemanden im Fernseher sieht, der das schon mal gemacht hat, ist es vielleicht nicht ganz verkehrt.
teleschau: Wir reden über eine Zeit, die man gern als besinnlich bezeichnet. Können Sie etwas mit dem Begriff anfangen?
Kerner: Ja, ich bin Christ und Katholik. Deshalb kann ich Advent auch mit Ankunft übersetzen. Das bedeutet mir etwas. Darüber hinaus blicke ich wie die meisten Menschen am Ende eines Jahres auf das zurück, das anderen und mir passiert ist. Es ist ein menschliches Bedürfnis - und sicherlich nicht unsere schlechteste Eigenschaft. Nur wer zurückblickt, kann Dinge bewerten und sich vielleicht vornehmen, etwas zu ändern. Wichtiger als Besinnlichkeit ist für mich aber der Begriff Gemeinschaft. Auch dieses Gefühl ist stärker am Ende eines Jahres.
„Gemeinschaft ist das Tröstlichste, was wir Menschen haben“

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Noch etwas feierlicher wird es an Weihnachten, wenn Johannes B. Kerner den Bundespräsidenten trifft. Da kann man schon mal Fliege tragen. (Bild: ZDF/Christoph Neumann)
teleschau: Wer Gemeinschaft fühlt, bemerkt auch ihre Abwesenheit. Einsame Menschen fühlen sich dann noch einsamer ...
Kerner: All die Dinge, die wir angesprochen haben: Dunkelheit, die Melancholie zum Jahresende, vielleicht auch die Botschaft der Liebe - all das führt dazu, dass wir über unsere Beziehungen nachdenken. Dann geht es oft um Familie. Wobei Familie heute nicht mehr bedeuten muss: Vater, Mutter, Kind. Es können enge Freunde sein oder andere Menschen, die man als Familie empfindet. Für solche Gedanken und Gefühle bin ich sehr empfänglich und stehe auch dazu. Gemeinschaft ist das Tröstlichste, was wir Menschen haben.
teleschau: Wir leben in einer Zeit der Krisen. Verstärken sie unseren melancholischen Blick aufs Jahr?
Kerner: Die Zeiten sind wild, verrückt, unerklärlich. Manchmal scheint es, als wäre noch nie so viel Wahnsinn in der Welt gewesen wie jetzt. Trotzdem nehme ich persönlich als Auftrag mit, dass wir gerade jetzt einen klaren Blick behalten sollten. Nach dem Motto: Wenn die Weihnachtsmänner im Ladenregal stehen, produziert die Schokoladenindustrie bereits Osterhasen. Es gilt bei aller Jahresend-Melancholie auch, dass wir fokussiert bleiben auf unsere Aufgaben: Alle, die in sich gehen, werden etwas finden oder es bereits wissen, was zu tun ist oder wo man helfen kann.
teleschau: Was hat die Politik mit unserer Stimmung zu tun?
Kerner: Viel. Unsere verrückten Zeiten haben eine Menge mit Politik zu tun. Es gibt Politiker, die fast täglich ihre Meinung ändern. Dadurch fühlt sich die Welt instabiler an, und sie ist es auch, würde ich behaupten. Eine große Stärke großer Politiker war es immer, gerade in stürmischen Zeiten die Ruhe zu bewahren.
„Die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen und Pläne ist weg“

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„Gemeinschaft ist das Tröstlichste, was wir Menschen haben“, sagt der TV-Moderator und Christ Johannes B. Kerner. Zum Jahresende will er dazu beitragen, dass die Menschen dies auch übers TV ein bisschen spüren. (Bild: ZDF/Christoph Neumann)
teleschau: Sie sagen, unsere Zeit sei „unerklärlich“. Wie meinen Sie das?
Kerner: Durchaus politisch. Sehen Sie: Früher haben sich Staatsleute zu Gipfeltreffen verabredet, Diplomaten und Fachleute arbeiteten im Hintergrund, und dann gab es Abkommen, an deren Umsetzung man die folgenden Jahre gearbeitet hat. All dies scheint ja nicht mehr zu gelten. Die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen und Pläne ist weg. Früher sagte man: Eine Woche ist eine lange Zeit in der Politik. In Zeiten Donald Trumps muss man das korrigieren und sagen: Drei Stunden sind eine lange Zeit in der Politik, weil der Mann so schnell seine Meinung ändert.
teleschau: Lassen wir uns auch abseits von Donald Trump zu sehr durch unseren Alltag und unsere Wahrnehmung treiben - Stichwort: Social Media und andere schnelle Kommunikationsmittel? Treibt uns das sofortige Reagieren-müssen auf quasi alles in den Wahnsinn?
Kerner: Es ist eine Gefahr, der wir uns entgegenstellen müssen. Aber da muss sich jeder selbst an die Nase fassen. Fest steht: Wir müssen nicht auf alles sofort reagieren! Ich bin nicht das ideale Vorbild, was den Umgang mit sozialen Medien betrifft. Ich erwische mich dabei, wie ich bescheuerte Insta-Reels anschaue oder auf ähnlich sinnlose Weise die Zeit totschlage. Ich bin alles andere als technik- oder innovationsfeindlich. Natürlich kann ich aufgrund meiner Biografie auch etwas mit dem Begriff Unterhaltung anfangen. Doch wir sollten uns immer wieder daran erinnern: Technik muss für den Menschen gut sein. Wenn sie das menschliche Leben schlechter macht, haben wir den falschen Weg eingeschlagen. Wenn der Algorithmus wichtiger geworden ist als der Mensch, haben wir ein Problem.
teleschau: Machen Sie sich diesbezüglich Sorgen um die junge Generation, um Ihre Kinder?
Kerner: Ja und nein. Auf die prasselt viel Information - oder nennen wir es Content - ein. Doch manchmal glaube ich: Wir Älteren sehen das zu negativ. Manchmal versuche ich meine Kinder zu erreichen und habe keinen Erfolg. Dann mache ich mir Sorgen. Meistens löst sich die Situation so auf, dass ich erfahre: Papa, ich hatte das Handy einfach mal weggelegt. Wir machen uns also Sorgen, weil unsere Kinder zu viel verarbeiten müssen, aber wenn sie einfach mal abschalten, ist es uns auch nicht recht. Als Papa denke ich mir dann: Ich hätte dich lieber erreicht. Als Erwachsener denke ich jedoch: Gute Idee mit dem Weglegen des Handys (lacht)!
„Ich präsentiere die Arbeit von 200 bis 300 Leuten“
teleschau: Noch mal zurück zu Ihrem Fernseh-Marathon: Sie machen diesen Job als Moderator seit Jahrzehnten. Fühlt er sich anders an als früher?
Kerner: Nein. Ich habe immer noch das positive Kribbeln vor jeder Sendung. Da ist schon ein gutes Stück Aufregung mit dabei. Nie so viel, dass ich das als Angst bezeichnen würde. Die hatte ich nie. Aber ich gehe auch nicht gelassen in eine Sendung. Eigentlich fühlt es sich heute für mich genauso an wie vor 30 oder 35 Jahren. Da es unterm Strich ein positives Gefühl ist - diese Lust auf Teamarbeit, aufs Adrenalin, die Freude, Menschen zu treffen und kennenzulernen -, passt es für mich immer noch. Bei „Ein Herz für Kinder“ stehe ich vorne und präsentiere die Arbeit von 200 bis 300 Leuten. Die haben intensiv daran gewerkelt, dass es eine gute Sendung wird. Nun sind wir wieder beim Wort Gemeinschaft. Das Empfinden von Gemeinschaft motiviert mich total, meinen Teil zum Gelingen beizutragen.
teleschau: Die Sendungen, über die wir sprechen - Galas, Shows - sind das Formate, die nur noch für Ältere gemacht werden? Interessieren sich junge Leute überhaupt noch für diese Art von Unterhaltung?
Kerner: Da habe ich sehr gute Nachrichten! Zielgruppen-Werte werden im Fernsehen sehr genau analysiert. Wenn wir mal „Der Quiz-Champion“ nehmen - da hat eine Sendung im Jahr 2025 mal über 15 Prozent der jungen, sogenannten werberelevanten Zielgruppe erreicht. Mehr als alle anderen Shows bei ProSieben und Co. Ich merke es auch daran, dass wir sehr viele junge Kandidaten haben. Da wundere ich mich manchmal, dass 22-Jährige bestimmte Bücher gelesen oder Filme gesehen haben. Auch die Generation nach uns hat Lust darauf, sich mit Vergangenem und Geschichte zu beschäftigen. Wir erleben nicht auf einmal eine Generation, die nur dem Neuen hinterherläuft und alles Alte vergessen hat. Ich glaube, der Wunsch nach Gemeinschaft, Unterhaltung, aber auch nach spannenden und sinnstiftenden Inhalten wird die Menschheit weiter begleiten. (tsch)
