US-Wahl-KrimiExperte erklärt: Das blüht uns Deutschen, wenn Donald Trump gewinnt

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Donald Trump, Präsident der USA, spricht am Wahltag (04. November) im Ostsaal des Weißen Hauses.

von Martin Gätke (mg)

Köln/Washington – Die Präsidentschaftswahl 2020 in den USA gerät zu einem wahren Wahl-Krimi, US-Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden liefern sich ein knappes Kopf-an Kopf-Rennen.

Die Wahl in den USA gilt als eine der wichtigsten Wahlen, die es je gegeben hat. Nicht nur im eigenen Land, sondern auch international.

Denn Donald Trump hat nicht nur dafür gesorgt, dass die Menschen in seinem eigenen Land unversöhnlich gegenüberstehen. Dass die USA so gespalten sind wie selten zuvor. Er hat auch dafür gesorgt, dass die Nachkriegsordnung ins Wanken geriet: Wichtige Verträge wurden aufgekündigt, wichtige Bündnisse verlassen.

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Die USA sind zerrissen – und mit ihr auch die Welt, so scheint es: Auf der einen Seite gibt es erbitterte „Black Lives Matter”-Proteste gegen Polizeigewalt und Diskriminierung. Auf der anderen Seite rüsten sich im ganzen Land bewaffnete Milizen, um zur Not das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen wollen.

EXPRESS hat bei zwei Experten für Internationale Beziehungen und Außenpolitik nachgefragt und wollte wissen: Wie geht es jetzt nach der Wahl weiter? Und was blüht Deutschland, wenn Trump erneut gewinnt?

Dr. Lukas D. Herr und Dr. Marcus Müller von der TU Kaiserslautern erklären, wie die kommende vier Jahre aussehen könnten.

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Kaum ein Präsident spaltete die USA so sehr wie Donald Trump, hier am 27. Oktober bei einer Wahlkampfveranstaltung in Michigan.

Wie werden die kommenden vier Jahre aussehen, wenn Donald Trump wiedergewählt würde?

Lukas D. Herr: Noch einmal vier Jahre Trump heißt: more of the same. Die USA als liberale Führungsmacht, wie sie sich seit dem Zweiten Weltkrieg selbst verstanden hat, werden wir in weiteren vier Jahren Trump sicher nicht sehen. Ganz im Gegenteil: Wir werden nach wie vor einen nationalistischen, protektionistischen und unilateralen Kurs haben.

Das werden auch wir in Deutschland zu spüren zu bekommen: etwa im sehr schwierigen Verhältnis Trumps zur Nato. Trump setzt hier die europäischen Verbündeten massiv unter Druck, beispielsweise die Verteidigungsausgaben zu erhöhen und diese als Unterpfand für die amerikanische Bündnisverpflichtung einzusetzen, dieser Druck wird zunehmen.

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Dr. Lukas Herr, Experte für Internationale Beziehungen und Außenpolitik an der TU Karlsruhe

Auch international wird die Strategie des maximalen Drucks – etwa gegenüber dem Iran – intensiviert. Auch Szenarien, in denen es zu militärischer Gewalt kommt, halte ich nicht für ausgeschlossen.

Was wir jedoch wohl sehen werden, ist ein Truppenabzug aus Afghanistan– anders als Biden, der dort ein Truppenkontingent für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus halten will. Auch die Verteidigungsausgaben werden weiter ansteigen, sowie das Nuklearwaffen-Arsenal weiter modernisiert werden.

Wenn Donald Trump US-Präsident bleibt: „Einer der letzten Rüstungskontrollverträge wackelt”

Wir werden keine Hinwendung zu internationalen Verträgen oder Organisationen haben, seien es die Vereinten Nationen oder das Pariser Klimaabkommen. In den kommenden vier Jahren müsste zudem der nächste Rüstungskontrollvertrag „New Start“, verlängert werden: ein nukleares Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland. Auch hier sehe ich schwarz.

Dabei betrifft der Vertrag auch Europa, da es um die Nuklearwaffen-Arsenale beider Staaten geht. Einer der letzten Rüstungskontrollverträge in der Welt steht damit auf sehr wackligen Füßen.

Sollte Biden gewinnen: Welche Aufgaben warten in seiner Amtszeit auf ihn? Wie groß ist das Chaos, das er beseitigen muss?

Lukas D. Herr: Unter Biden würden wir eine neue Ausrichtung der Außenpolitik erleben. Hier lohnt es sich mal zu schauen, was die demokratische Öffentlichkeit in den USA am meisten wünscht. Punkt eins: der Kampf gegen Corona. Platz zwei wäre der Kampf gegen den Klimawandel, auf Platz drei der Kampf gegen die ethnische Ungleichheit. Platz vier die Einmischung ausländischer Kräfte in amerikanische Wahlen, Platz fünf wäre der Kampf gegen die wirtschaftliche Ungleichheit in den USA.

Wenn Joe Biden US-Präsident wird: Das sind seine wichtigsten Ziele

Der Fokus liegt hier also auf dem Klimawandel, aber auch der wirtschaftlichen Entwicklung der USA. Joe Biden hat ja bereits erklärt, dass er sich für einen Wiedereintritt der USA in das Pariser Klimaschutzabkommen einsetzen wird. Wobei es wegen der fehlenden Zustimmung des Senats, der laut Verfassung außenpolitischen Verträgen zustimmen muss, zu keiner Ratifizierung kommen wird.

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Joe Biden am 28. Oktober bei einer Videoschalte: Wird er es schaffen, ins Oval Office einzuziehen?

Auch innenpolitisch würde es zu einem massiven Ausbau erneuerbarer Energien kommen. In Bezug auf den Iran würde Biden sicherlich eine wesentlich diplomatischere, multilateralere Außenpolitik betreiben, auch wenn er bereits ankündigt hat, weiterhin eine harte Linie gegen den Iran fahren zu wollen. Aber er ist dafür, unter bestimmten Voraussetzungen dem Iran-Abkommen beizutreten.

Experte mit Prognose für nächsten 4 Jahre: „Militärische Konfrontation nicht ausgeschlossen”

Insgesamt werden wir unter Biden wohl eine erneute Hinwendung der USA zur traditionellen Führungsrolle als liberalen Hegemon sehen, wie sie die Außenpolitik der USA seit dem Zweiten Weltkrieg geprägt hat.

Die Rivalität zu China allerdings wird weiter bestehen: Auch für Biden wird es ein wichtiges außenpolitisches Ziel bleiben, nicht schwach zu erscheinen, gerade in wirtschaftlichen Fragen. Sowohl unter Trump als auch unter Biden wäre eine militärische Konfrontation nicht vollends ausgeschlossen, beispielsweise im Südchinesischen Meer.

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Dr. Marcus Müller, Experte für Internationale Beziehungen und Außenpolitik an der TU Karlsruhe

Es gibt Experten, die Angst haben, dass es nach der Wahl zu einem gewaltsamen Bürgerkrieg kommen könnte. Teilen Sie diese Angst?

Marcus Müller: Es ist durchaus möglich, dass es zu Protesten kommt, gerade auch mit Blick auf dieses Jahr: Black-Lives-Matter-Proteste, Proteste gegen Polizeigewalt, Proteste gegen Trump selbst. Ob es gewaltsame Proteste geben wird, ob es vielleicht sogar zu einem Bürgerkrieg kommt, lässt sich politikwissenschaftlich nicht seriös beantworten. Viele sagen auch, dass es bereits in den letzten vier Jahren einen politischen Kulturkampf gibt gab und die Gesellschaft mittlerweile in vielen Fragen unversöhnlich gegenübersteht.