„In tiefen Schock versetzt“Schwere Vorwürfe gegen Deutschland – beunruhigende Pläne aufgetaucht

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne, hier am 21. Januar bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt) setzt auf Dialog und Härte im Ringen um einen Kompromiss in der Ukraine-Krise.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne, hier am 21. Januar bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt) setzt auf Dialog und Härte im Ringen um einen Kompromiss in der Ukraine-Krise. Der jüngste Eklat torpediert diese Bemühungen.

Die Lage in der Ukraine-Krise bleibt weiterhin sehr angespannt: Das Land ist empört über die Äußerungen von Marine-Chef Schönbach, der nun sein Amt abgeben wird. Und erhebt schwere Vorwürfe. Währenddessen hat London einen beunruhigenden Plan öffentlich gemacht.

von Martin Gätke (mg)

Ausgerechnet jetzt, in der denkbar schlechtesten Situation, belasten die Aussagen eines deutschen Vizeadmirals die Beziehungen zur Ukraine. Sie schwächen die Position von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die inmitten des schwelenden Konflikts immer wieder auf einen Dialog setzte. Und den Schulterschluss suchte mit der Ex-Sowjetrepublik, die einen russischen Angriff befürchtet. 

Wie die Pläne von Putin genau aussehen könnten, machte nun das britische Außenministerium öffentlich. London wirft Russland einen Komplott vor. Die Lage in der Ukraine-Krise spitzt sich weiterhin zu. 

Es passierte nach dem vertraulichen Treffen von Marine-Chef Kay-Achim Schönbach mit dem indischen Botschafter in Neu-Delhi: Ein Video wurde von dem Treffen öffentlich, von dem der Deutsche scheinbar nichts wusste. Der rund zweiminütige Ausschnitt kursierte auf Twitter und wurde schnell zum Politikum. 

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Ukraine: Deutscher General torpediert diplomatische Bemühungen

Während Bundesaußenministerin Annalena Baerbock alles daran setzt, zwischen den Parteien zu vermitteln, zuletzt auch den russischen Kollegen Sergei Lawrow vor einem russischen Angriff warnte und den Schulterschluss mit der Ukraine sucht, torpedierten die Aussagen in dem Video diese Politik. Schönbach verharmloste die russische Annektion der Ukraine, bezeichnete den Einmarsch als „Nonsens“. Was Putin wirklich wolle, sei „Respekt auf Augenhöhe“. Baerbock sei jung und unerfahren. 

Die Konsequenzen: Schönbach wird sein Amt abgeben. Und die Ukraine erhebt schwere Vorwürfe gegen Deutschland. Man begrüße zwar den Rücktritt, sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, der „Welt“. Doch der Eklat hinterlasse „einen Scherbenhaufen“ und „stelle die internationale Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands – nicht nur aus ukrainischer Sicht – massiv infrage.“ Melnyk sagte, die Aussagen des Generals hätten „die gesamte ukrainische Öffentlichkeit in tiefen Schock versetzt“.

Aus den Äußerungen spreche „deutsche Arroganz und Größenwahn, mit denen einer der hochrangigen Köpfe der Bundeswehr von einer heiligen Allianz mit Kriegsverbrecher Putin und einem deutsch-russischen modernen Kreuzzug gegen China träumt“.

Ukraine: „Wir sind enttäuscht über Deutschlands anhaltende Weigerung“

Die Beziehungen sind allerdings nicht erst seit den Äußerungen angespannt. Die Weigerung der Bundesregierung, Waffen an die Ukraine zu liefern, sorgte schon zuvor für harsche Kritik, etwa vom ukrainischen Außenminister. „Wir sind enttäuscht über Deutschlands anhaltende Weigerung, die Lieferung defensiver Waffen in die Ukraine zu genehmigen, besonders in der derzeitigen Situation“, sagte Dmytro Kuleba.

Berlin will im Februar ein Feldlazarett in die Ex-Sowjetrepublik bringen. Waffen gebe es aber weiterhin nicht, das stellte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht zuletzt in der „Welt am Sonntag“ klar. „Waffenlieferungen wären da aktuell nicht hilfreich – das ist Konsens in der Bundesregierung.“ Die USA wiederum schicken 90 Tonnen Ausrüstung in das Land, darunter Munition.

London veröffentlicht beunruhigende Pläne von Putin

Währenddessen werden Pläne öffentlich, die zeigen sollen, was Putin im Einzelnen plant: Wie die „New York Times“ berichtet, glaube die britische Regierung, dass der Kreml Pläne entwickle, einen pro-russischen Führer in der Ukraine einsetzen zu wollen – und bereits einen potenziellen Kandidaten dafür ausgewählt habe. Putin wäge dem Bericht nach weiter ab, ob er den an der ukrainischen Grenze versammelten russischen Streitkräften einen Angriff befehlen soll.

Das beunruhigende Kommuniqué wird zu einem durchaus kritischen Zeitpunkt öffentlich: Der Kreml und der Westen befinden sich in diplomatischen Gesprächen, seit vergangener Woche wird um einen Kompromiss gerungen, bislang erfolglos. Man wolle aber die Gespräche weiterhin fortsetzen. 

Ukraine: Lage bleibt weiterhin sehr angespannt

Russland muss deeskalieren, seine Aggressions- und Desinformationskampagnen beenden und einen Weg der Diplomatie einschlagen“, sagte die britische Außenministerin Liz Truss in einer Erklärung. Das russische Außenministerium wies den Vorwurf der Briten als „Desinformation“ zurück.

US-Außenminister Antony Blinken hat indes auf die Warnung Großbritanniens mit Sorge reagiert. Am Sonntagmorgen (Ortszeit) sagte er dem Sender CNN, dass die USA seit Wochen vor dieser Art von Taktik warnen würden. Derartiges Vorgehen sei Teil des russischen „Werkzeugkastens“. Russland versuche die Ukraine zu destabilisieren, um die Regierung in Kiew zu stürzen, so Blinken.

Bereits in der vergangenen Woche beschuldigten die Vereinigten Staaten den Kreml, Saboteure unter falscher Flagge in die Ostukraine geschickt zu haben, um eine Provokation zu schaffen, die als Vorwand für eine Invasion dienen könnte. Auch diesen Vorwurf wies Russland zurück.