RegierungserklärungLindner: Menschen erwarten mehr als frischen Haarschnitt

Lindner

Christian Lindner, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion (hier auf einem Foto vom 28. Januar bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag) kritisierte die neuen Corona-Beschlüsse scharf.

Berlin – Einen Tag nach den neuen Bund-Länder-Beschlüssen zur Pandemiebekämpfung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag (11. Februar 2021) den Bundestag über ihre Corona-Politik informiert. Im Anschluss gab es eine Aussprache.

  • Angela Merkel mit Regierungserklärung
  • Es geht unter anderem um die Corona-Beschlüsse
  • Anschließend Aussprache im Bundestag 

Die Regierungserklärung und die anschließende Aussprache können Sie im kostenlosen Livestream (oben) sowie die wichtigsten Aussagen im Liveticker (unten) nachverfolgen. Für das Video müssen Sie lediglich den „redaktionellen Inhalt freigeben".

Kanzlerin Merkels wichtigste Aussagen im Überblick

Angela Merkel hat in ihrer Regierungserklärung noch einmal für die Maßnahmen stark gemacht. Die Kanzlerin sagte, sie verstehe, dass der Start der Impfkampagne angesichts riesiger Hoffnungen zunächst viele enttäuscht habe. Das Impfen komme aber immer mehr in Schwung. Jede Woche und jeden Monat werde weitere Impfungen bringen - bis zum Ende des Sommers für jeden, der möchte. Dieses Ziel solle angesichts der zugesagten Mengen für schon zugelassene Mittel erreicht werden.

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Die Impfstoffe seien „ein Wendepunkt in der Pandemie“, der dank der Arbeit der Wissenschaft in Rekordgeschwindigkeit erreicht worden sei, sagte Merkel. Klar sei aber auch, dass die Impfungen in den nächsten Monaten noch keinen „Gemeinschaftsschutz“ bringen könnten, sondern vorerst individuellen Schutz.

Die Kanzlerin verteidigte erneut das gemeinsame europäische Vorgehen bei der Impfstoffbeschaffung und mit regulären Zulassungsverfahren statt Notzulassungen. „In der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg halten wir Europäer zusammen.“ Dies gelte politisch wie auch epidemiologisch. Kein kleines EU-Land müsse nun bei den Impfungen hinten anstehen.

 Die wichtigsten Aussagen der Kanzlerin im Überblick:

  • Am Ende können wir es gemeinsam schaffen, diese Pandemie zu besiegen.“
  • „Ich weiß, wie sehr die Menschen leiden“, sagt Merkel auch im Hinblick auf die noch ausstehenden Regierungshilfen.
  • Zum weiteren Vorgehen an Schulen und Kitas in der Corona-Pandemie: Die Folgewirkungen der wochenlangen Schließungen seien natürlich da und spürbar und die Anspannung der Eltern sei groß: „Und trotzdem hätte ich mir an dieser Stelle gewünscht, dass wir auch hier entlang der Inzidenz entscheiden, aber ich habe auch akzeptiert, dass es eine eigenständige Kultushoheit der Länder gibt, vielleicht das innerste Prinzip der Länder.“ Diese würden deshalb in eigener Hoheit entscheiden. „Aber immer nur die Grundschulen und die Kinderbetreuungseinrichtungen und die Grundschulen im Wechselunterricht mit vielen Hygienemaßnahmen, das will ich hier ausdrücklich sagen.“
  • „Es geht immer und immer wieder um die Reduzierung von Kontakten“
  • „Es mag sein, dass ihnen das nicht gefällt“, sagt Merkel zur Verlängerung des Lockdown. „Aber wir müssen realistisch sein.“
  • Angela„Die erste Welle im vergangenen Frühjahr habe Deutschland weit weniger getroffen als andere Staate. Dann waren wir nicht vorsichtig genug und nicht schnell genug.“
  • Merkel warnt vor weiteren Mutationen

Corona: Merkel informiert über Corona-Beschlüsse 

An die Regierungserklärung am Donnerstagmorgen schließt sich eine 90-minütige Debatte an. Die Opposition, aber auch Politiker aus dem Regierungslager haben wiederholt mehr Mitspracherechte des Bundestags in der Corona-Politik gefordert.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Beginn der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 28. Januar 2021.

Direkt nach Angela Merkel sprach Alice Weidel (AfD) von Klüngelwirtschaft. „Was die Bundesregierung hier betreibt, ist verfassungswidrig“, sagte sie am Donnerstag in der Bundestagsaussprache zur Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese hatte die Beschlüsse vom Vortag zuvor als „geeignet, erforderlich und verhältnismäßig“ bezeichnet. Weidel sagte die Regierung betreibe eine „falsche Politik, die nur Verbot und Zwang zu kennen scheint“.

„Drei Monate Wellenbrecher-Lockdown und Sie wollen noch mal einen Monat dranhängen“, kritisierte Weidel. „Die Kollateralschäden Ihrer Methode von Einsperren und Dichtmachen wachsen ins Unermessliche.“ Auf dem Arbeitsmarkt hinterlasse diese Politik eine „Spur der Verwüstung“, 175.000 Unternehmer und Selbstständige stünden vor der Insolvenz, das Lebenswerk von Gastronomen und Gewerbetreibenden zerbreche, sagte Weidel. Einzelhändler säßen auf Bergen von unverkauften Waren und Schulden, hätten aber von den angekündigten Hilfen noch nichts gesehen.

Kölner SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verteidigt Verlängerung des Corona-Lockdowns

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat die Verlängerung des Corona-Lockdowns verteidigt und für vorsichtige nächste Schritte geworben. „Die Erfolge sind sichtbar, aber zerbrechlich“, sagte er mit Blick auf sinkende Infektionszahlen und neue, ansteckendere Virus-Varianten. „Die Rückkehr zu einem weniger beschränkten Alltag muss anhand dynamischer und nachvollziehbarer Kriterien nach und nach entstehen.“

Mützenich

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat die Verlängerung des Corona-Lockdowns verteidigt und für vorsichtige nächste Schritte geworben.

Angesichts der sozialen Bedeutung müssten zuerst Kinder und Jugendliche davon profitieren. Mützenich betonte, dass Nachwirkungen der Pandemie bestehen bleiben würden. Dabei sei eine Erkenntnis der vergangenen Monate, dass nur ein starker und sozialer Staat die Herausforderungen bewältigen könne. Mit großen finanziellen Hilfen komme die deutsche Wirtschaft besser durch die Krise als andere Volkswirtschaften. Konkrete Hilfen müssten nun aber auch endlich ankommen. Genügend Geld stehe bereit.

FDP-Chef Christian Lindner über Lockdown: Menschen erwarten mehr als frischen Haarschnitt

FDP-Chef Christian Lindner hat die neuen Corona-Beschlüsse dagegen scharf kritisiert und einen verstärkten Einsatz von Technologien gegen die Ausbreitung des Virus gefordert. Angesichts der großen Erschöpfung in der Gesellschaft seien die Erwartungen an die Runde groß gewesen, sagte Lindner. „Diese Hoffnungen sind enttäuscht worden, denn viele Menschen haben sich mehr erwartet als einen frischen Haarschnitt“, so Lindner.

Lindner

Christian Lindner, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion (hier auf einem Foto vom 28. Januar bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag) kritisierte die neuen Corona-Beschlüsse scharf.

Auch nach einem Jahr bleibe der wesentliche Grundsatz: „Wir bleiben Zuhause“, so Lindner. „Das ist bestenfalls einfallslos. Mit Sicherheit, Frau Merkel, ist das nicht alternativlos“, sagte Lindner. Die FDP habe kein Verständnis dafür, dass vorhandene Technologien nicht genutzt würden, beispielsweise im großen Stil Schnelltests einzusetzen oder die Corona-Warnapp zu erweitern.

Dies sei auch nötig mit Blick darauf, dass es künftig Mutationen geben könne, gegen die bisherige Impfungen womöglich nicht mehr wirksam seien. Lindner: „Also brauchen wir jetzt Methoden und eine Infrastruktur, mit der wir die Pandemie besser ausbalancieren, mit dem Gesundheitsschutz der notwendig ist, aber der Freiheit, die die Menschen auch leben müssen.“

Berlins Bürgermeister Müller: „Lockerungen waren ein Fehler“

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat die Lockerungen der Corona-Regeln im Oktober und November vergangenen Jahres als „Fehler“ bezeichnet. „Wir hatten einen Sommer, wo wir meinten, das rechtfertigt unser Vorgehen“, sagte Müller am Donnerstag. „Wir hätten härter bleiben müssen, dann wäre uns das nicht passiert mit den höheren Inzidenzen“.

Müller warnte deswegen vor verfrühten Lockerungen der Corona-Regeln. Die sinkenden Inzindenzwerte seien „eine große Kraftanstrengung“ gewesen, sagte Müller. "Das Fatalste aus meiner Sicht wäre jetzt, die Nerven zu verlieren, zu früh diesen Weg abzubrechen und in fünf Wochen wieder von vorn anzufangen", warnte der Regierende Bürgermeister. (dpa)