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„Habe zum ersten Mal Angst”Claus Kleber sagt, was furchtbarer wäre als ein Trump-Sieg

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Claus Kleber erklärt bei „Maybrit Illner”, dass Trumps Wiederwahl nicht der Worst Case sei.

von Martin Gätke (mg)

Köln – Derzeit beherrscht vor allem ein Thema die politischen Talks: die US-Wahl in ein paar Wochen. Wird Herausforderer Joe Biden es packen? Oder wird der amtierende US-Präsident Donald Trump weitere vier Jahre regieren dürfen?

Fest steht: Die US-amerikanische Gesellschaft ist so gespalten wie selten zuvor. Das zeigt sich auch in der sehr herben ersten TV-Debatte zwischen Trump und Biden in dieser Woche. Der vorläufige Tiefpunkt der Schlammschlacht.

Am Donnerstagabend (2. Oktober) fragte auch Maybrit Illner im ZDF: „Wahl, Wut, Verschwörung – was, wenn Trump bliebe?“

Alles zum Thema Joe Biden

Ihre Gäste:

  • Sigmar Gabriel (SPD)
  • Angelika Kausche
  • Publizistin
  • US-Politikwissenschaftler
  • Politikwissenschaftlerin
  • Siri Hustvedt
  • sowie

US-Politikwissenschaftler Peter Rough ging zunächst auf die TV-Debatte ein, die er eher als „Messerschlacht“ denn als Schlammschlacht bezeichnen würde. Über eine Vision der politischen Zukunft habe man absolut nichts erfahren können, stattdessen erreichten die beiden Männer ein „beschämendes Patt“, dass nach Meinung des Wissenschaftlers Joe Biden nützt. Trump sei in die Defensive geraten.

Sigmar Gabriel nahm Biden in Schutz, der sich ja in der Debatte verbal habe durchboxen müssen und nicht immer sachlich argumentierte. „Was soll man als Herausforderer machen, wenn sich der Gegenkandidat nicht an die Regeln hält?“, fragte der SPD-Politiker. „Dann besteht die Gefahr, dass sie genauso reagieren. Dabei besteht natürlich die Gefahr, dass man überrollt wird, aber da hat sich Biden ganz gut geschlagen.“

Maybrit Illner: Sigmar Gabriel analysiert erste TV-Debatte

Gabriel gab zudem zu Bedenken: „So schrecklich wir das TV-Duell auch fanden. Viele Millionen haben zugeguckt. Wenn das Ziel war, Aufmerksamkeit zu erregen, ist das Trump leider gelungen.“

Derzeit liegt Biden in den Umfragen zwar vorn, doch auch 2016 war Hillary Clinton laut Prognosen die Favoritin. Im September lag sie noch sieben Prozentpunkte vor Trump. Politikwissenschaftlerin Jana Puglierin wollte deshalb keine Vorhersagen machen: „2016 lagen wir alle daneben. Wir sind 33 Tage vor der Wahl, da ist alles möglich, alles ist offen“, sagte sie.

Claus Kleber bei Maybrit Illner: „Ich habe dieses Mal zum ersten Mal Angst”

Der USA-Kenner Claus Kleber, seit 1984 US-Korrespondent und seitdem Beobachter jeder Wahl in den Vereinigten Staaten, erklärte anschließend: Vor dieser Wahl 2020 habe er Angst. „Ich habe dieses Mal zum ersten Mal Angst, weil eine Wiederwahl von Donald Trump bei Weitem nicht der Worst Case ist“, so der Moderator. Und da stimmte ihm auch Sigmar Gabriel nickend zu.

„Der Worst Case“, so fuhr Kleber fort, „ist ein Zusammenbruch des US-amerikanischen gesellschaftlichen Systems. Und zwar in den chaotischen Stunden nach der Wahl und dann anschließend über Wochen und Monaten.“ Eine Wahl, die dann irgendwann mal entschieden ist mit, „möglicherweise sogar mit einer Präsidentin Nancy Pelosi.“

Claus Kleber sieht chaotisches US-Wahlsystem kritisch

Die US-Verfassung sieht vor: Wenn es bis zum 20. Januar keinen klaren Sieger gibt, könnte die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses Pelosi als Präsidentin vereidigt werden.

Der Grund für das Chaos könnte die uralte US-Verfassung sein mit „später rangeflanschten Einzelbestimmungen und was in schlimmen Fällen passiert.“ Ein völlig „undurchsichtiges Wahlverfahren“, wie Kleber es nannte.

Während im Jahr 2000 der Supreme Court über einen der knappsten Ergebnisse der US-Geschichte entschied – damals trat George W. Bush gegen Al Gore an – und Bush letztlich zum 43. US-Präsidenten wurde, nachdem alles zivilisiert geregelt wurde, „wird es diesmal in den Straßen der Städte und des Landes nicht mehr friedlich zugehen“, prognostizierte Kleber. „Das ist meine Befürchtung.“

Claus Kleber über Donald Trump: „Er verbreitet eine tiefe Unsicherheit”

Trumps umstrittene Bemerkung über die rechtsextreme Gruppe „Proud Boys“ während der Debatte – sie sollten sich zurückhalten und bereithalten („stand back and stand by“) – zeige, dass der amtierende US-Präsident nicht bereit sei, den Einsatz solcher Mittel abzulehnen. „Er verbreitet damit eine tiefe Unsicherheit unter Menschen, die sich Sorgen machen.“

Kleber befürchtet, dass es nach der Wahl auch um die Frage gehen könnte, ob der „Vernünftigere nachgibt“. Und wenn es um Vernunft gehe, habe Trump keine Kandidatur, „um vielleicht ein blutiges Desaster zu beenden.“

Maybrit Illner: Welche Rolle werden die Ergebnisse der Briefwahlen spielen?

Würde Trump am Ende tatsächlich bewaffnete Milizen auf die Straße bringen?, fragte Illner den ZDF-Moderator. „Er hat nicht die Macht, aber er kann es andeuten. Das wäre nicht das erste Mal.“ Ähnliches habe Trump bereits 2016 getan, da sagte er zu den Waffenbefürwortern der USA: „Haltet euch bereit, dass kein Fehler am Wahltag passiert.“ Ein klarer Aufruf, fand Kleber.

Politikwissenschaftler Puglierin erläuterte ebenfalls, dass eine Gefahr in den Briefwahlen bestünde, wenn Biden gerade durch sie in letzter Sekunde einen Sieg erringen würde. Trump kritisierte Briefwahl in den letzten Wochen immer wieder ohne Angabe von Gründen als betrugsanfällig. „Ich gehe davon aus, dass Trump bis zum letzten Blutstropfen darauf besteht, dass er der einzige Präsident ist“, sagte sie und verwies ebenfalls auf die „Proud Boys“.

US-Politikwissenschaftler Peter Rough bei Maybrit Illner: Keine Gefahr von rechts, sondern von links

Mit ihrer Meinung stehen Kleber und die Politikwissenschaftlerin nicht allein da: Auch Publizistin Marina Weisband glaubt, Trump habe die Macht, Bewaffnete auf die Straße zu bringen.

US-Politikwissenschaftler Peter Rough hingegen sieht weniger eine Gefahr von rechts als von links. „Wir haben jetzt stark mit Linksextremismus zu tun. Wenn Trump die Wahl doch gewinnt, dann würden diese Leute umso wütender auf die Straße gehen." Linke seien viel organisierter und besser ausgestattet als Rechtsextremisten, meinte Rough.

Dem widersprach Kleber vehement: „Es ist eindeutig so, dass die rechtsnationalen Kräfte in den USA besser organisiert, besser bewaffnet und geübt sind.“ Weisband pflichtete dem Moderator bei und erklärte, Rechts- mit Linksextremismus gleichzusetzen sei eine Strategie der Republikaner, um rassistische Gewalt zu verharmlosen.

Maybrit Illner: Heiße Diskussion über Trumps mögliche Delegitimation der Wahl

Auch Gabriel nahm den Rough ins Kreuzfeuer und kritisierte: „Ich bin entsetzt über die Leichtigkeit, mit der sie über etwas hinweggehen, was die Grundlagen jeder demokratischen Verfasstheit berührt: Dass ein amtierender US-Präsident ein Wahlergebnis möglicherweise nicht anerkennt.“ Die Antwort von Rough: „Trump kann sagen was er will. Wenn er die Wahl verliert, wird er verlieren.“ (mg)