Corona hält die Welt in AtemWarum ausgerechnet die Älteren nichts davon wissen wollen

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Ein Schwätzchen beim Kaffee? Ist jetzt nicht drin. Aber Mindestabstand ist für viele Senioren nach wie vor ein Fremdwort. Die Angst vor der Einsamkeit ist bei ihnen größer als die vor dem Virus. Aber auch sie müssen Rücksicht nehmen. (Symbolfoto)

Köln – Das Corona-Virus hat die meisten von ihnen (noch) nicht infiziert, aber Millionen Ältere und Hochbetagte leiden dennoch schwer unter der Pandemie. Die Isolation schlägt den Senioren nicht nur aufs Gemüt.

Altersforscher warnen: Die Einsamkeit wird Auslöser für andere Krankheiten sein! Kein Wunder, dass so viele Alte das Virus am liebsten ignorieren würden. Aber das geht eben nicht!

Die Zeit steht (fast) still. Drei Frauen, drei Schicksale, die exemplarisch sind für diese Zeit – und sich dennoch nicht ändern lassen.

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Die Nachbarin zur Linken vertikutiert verbissen den Rasen, auf dem sonst die Enkel toben. Sie ist 59, so alt wie Ministerpräsident Armin Laschet, joggt jeden Morgen, musste noch nie Medikamente nehmen, fühlt sich plötzlich aber alt, überflüssig, ungebraucht.

„Warum soll ausgerechnet ich zur Risikogruppe gehören?“, fragt sie. Altersforscher Sven Voelpel sagt: „Das kalendarische Alter hat heutzutage nichts mit dem biologischen Alter zu tun.“ Aber wo solle man die Grenze ziehen, wenn man zur Kontaktsperre aufrufe?

Die Frau, die ihren Mann wegen Corona-Gefahr nicht im Heim besuchen darf

Die Nachbarin zur Rechten pflanzt traurig Stiefmütterchen, die vielleicht schon verblüht sind, wenn sie ihren dementen Mann erstmals wieder zu Besuch aus dem Altersheim nach Hause holen kann.

Die Sorge, dass er nicht verstehen kann, warum sie nicht mehr kommt, sich bestimmt verlassen fühle, schlägt ihr auf den Magen. Sie mag nichts mehr essen. Eine Frage der Zeit, wann die 70-Jährige selbst zum Arzt muss.

Die fatalistische Corona-Ignorantin

Sie hat sich ein Kissen ins Fenster gelegt, präsentiert jedem ungefragt ihre Meinung über das Virus, das ihre Freundinnen vom wöchentlichen Kaffeeklatsch abgehalten habe. Für sie unverständlich!

Sie dreht weiterhin ihre Runden im Park – wie viele Senioren, die auch im Supermarkt nicht auf Abstand gehen, Obst anfassen und wieder zurücklegen. Fatal! „Irgendwann sind wir eh alle dran“, so die 80-Jährige. „Wir haben einen Krieg überlebt, dann überleben wir auch Corona.“

Das Coronavirus ist eine unsichtbare Bedrohung

Drei Schicksale, die verdeutlichen, wie schwer es gerade für die Älteren ist, dem Allgemeinwohl Vorrang einzuräumen, wenn ihre kleine Welt, ihre täglichen Rituale und Kontaktmöglichkeiten über den Haufen geworfen werden müssen für etwas, das sie – anders als im Krieg – eben nicht sehen, nicht greifen, schlichtweg nicht verstehen können.

Altersforscher Sven Voelpel weiß, dass diesen Corona-Verweigerern mit Argumenten nicht beizukommen ist. Er rät deshalb Kindern, so häufig wie möglich mit ihren Eltern zu telefonieren und ihnen die neuen Techniken nahezubringen.

„Facetime und Skype sind kein Hexenwerk, haben eine ganz andere Qualität als ein Telefonat.“ Man müsse in diesen Zeiten versuchen, die Alten so gut wie möglich am Leben teilhaben zu lassen, damit sie nicht auf eigene Faust auf die Straße gehen.

Soziale Isolation und Einsamkeit können zu Depressionen führen

Die soziale Interaktion sei das, warum viele Alte trotz diverser Gebrechen noch weiterleben wollen. Sie sei oft das Einzige, was sie noch an Ansprache hätten. Der gestresste Mittvierziger, der auf der Schnellstraße des Lebens pausieren müsse, könne das Mehr an Zeit und Ruhe vielleicht sogar genießen. „Die Alten nicht.“

Die Folgen, belegen viele Studien, seien fatal, so Voelpel. Einsamkeit habe oft Depression zur Folge, die Inaktivität lasse den Blutfluss vom Hirn sinken, was einen emotionalen und körperlichen Verfall begünstigt. Rückenschmerzen, Herzinfarkt, Bluthochdruck – alles Folgen der Einsamkeit.

Einsamkeit erhöht das Sterberisiko

Auch der Neurologe und Psychiater Manfred Spitzer warnt: „Studien zeigen, dass chronische Einsamkeit ein größeres Sterberisiko mit sich bringt als 15 Zigaretten am Tag, Fettleibigkeit oder Bluthochdruck.“

Das alles ist trotzdem kein Argument, die Schutzmaßnahmen zu ignorieren. Es zeigt aber, wie wichtig es jetzt ist, den Mangel an Kontakt auszugleichen, mit Mitteln, die das Virus an der weiteren Ausbreitung hindern, aber die Alten nicht vereinsamen lassen.