Wegen der Corona-PandemieMieter sind in Not − Was die Politik jetzt tun muss

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„Miete frisst Leben“ – in Corona-Zeiten noch viel stärker als zuvor. Viele können durch Kurzarbeit oder Jobverlust immer schlechter die zuvor eigentlich noch stemmbare Miete zahlen. Die Folgen sind verheerend.

von Maternus Hilger (hil)

Köln – Bezahlbarer Wohnraum für Normal- und Geringverdiener ist besonders in Ballungszentren seit langem Mangelware.

  • Vielen geht in der Corona-Krise das Geld aus, auch für die eigene Miete
  • Mieterbund fordert Stopp bei Mieterhöhungen über Jahre
  • Corona ist das Hauptthema in den Beratungsstellen

Corona-Pandemie: Vielen geht das Geld aus

Die Corona-Pandemie hat die Lage nochmal dramatisch verschärft. Wem das Geld ausgeht, der kann schnell mit seiner Miete in Rückstand geraten – und findet selten eine neue Bleibe, die er sich noch leisten kann. Das beobachtet auch Lukas Siebenkotten (63), der Präsident des Deutschen Mieterbundes, der im EXPRESS unter anderem einen Mietenstopp für einige Jahre fordert.

Die Auswirkungen der Corona-Krise

„Immer mehr Menschen verlieren durch Corona ihren Job und ihre Existenz oder müssen durch Kurzarbeit mit weniger Geld im Monat auskommen – mit der Folge, dass sie ihre Miete nicht mehr bezahlen können“, beklagt Lukas Siebenkotten.

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Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, fordert einen Mietenstopp.

Zudem würden die Mieten in vielen Regionen weiter steigen. Schon jetzt drehten sich jährlich rund zehn Prozent der 1,2 Millionen Beratungen in den Filialen des Mieterbundes um rein coronaspezifische Fragen.

Corona-Pandemie: Die Sorgen wachsen

Sowohl bei Singles als auch bei Familien. Betroffen sind Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte, Minijobber und Selbstständige, aber auch Studenten ohne wohlhabende Eltern, die sich im Lockdown nichts mehr beispielsweise in der Gastronomie nebenbei verdienen können.

Wer keine oder nur geringe Rücklagen hat, der schlittert über kurz oder lang in die Schuldenfalle – und das nicht nur bei der Miete. Denn oft sind auch Kredite noch zu bedienen.

Corona-Pandemie: Wie hoch ist die Belastung?

Rund 30 Prozent des verfügbaren Netto-Haushaltseinkommens müssen Mieter für ihre Wohnung aufbringen, so das Statistische Bundesamt. Auf den ersten Blick scheint sich die Belastung im Rahmen zu halten. Anders sieht es aber bei Geringverdienern aus, die keine staatlichen Transferleitungen – wie z. B. Wohngeld – bekommen.

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Demonstranten bei einer Demo gegen steigende Mietpreise in Freiburg noch vor Coronazeiten. 

„Da steigt die Quote schnell auf 40 bis 50 Prozent – besonders in Städten, wo es knallt – mit großer Wohnraumnachfrage und hohen Mieten wie in Köln, Bonn, Düsseldorf oder Aachen“, weiß Siebenkotten.

Wegen Corona-Krise: Bald kein Dach mehr über dem Kopf?

Nach einer Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe lebten 2018 rund 700.000 Menschen auf der Straße. Neuere Zahlen gibt es nicht – aber Siebenkotten ist überzeugt, dass sich durch die Folgen der Pandemie die Situation verschärfen könnte.

Dass jeder Mensch ein Recht auf ein Dach überm Kopf hat, ist für Siebenkotten selbstverständlich. „Gerade in Krisenzeiten muss die eigene Wohnung auch ein sicherer Ort sein.“

Das gelte nicht nur für die, die momentan mit weniger Geld auskommen müssen. „Was hilft es einem, wenn er in Köln einen vernünftigen Job findet, aber nach Hoyerswerda ziehen muss, wo er für sein Geld noch eine erschwingliche Wohnung bekommt?“, so der Mieterbund-Präsident zum EXPRESS.

Er fordert daher ein „vernünftiges Anreizsystem“ wie attraktive Steuererleichterungen und Zuschüsse, damit Privatinvestoren mehr in bezahlbaren, statt wie bisher in hochpreisigen Wohnraum, investieren – vor allem in den Metropolregionen. Städtische Wohnungsbaugesellschaften wie etwa die GAG in Köln könnten das nicht alleine stemmen.

Corona-Krise: Muss sich die Politik bewegen?

Ja, sagt Lukas Siebenkotten. Er fordert neben einer Wiederauflage des inzwischen ausgelaufenen Kündigungsschutzes, der Mieter vor einem Rauswurf wegen coronabedingter Zahlungsausfälle schütze, bundesweit einen Mietenstopp (also keine Mieterhöhungen) bei Bestandswohnungen für mehrere Jahre – dort, wo die Mietpreislage prekär ist.

Später könne man dann schauen, wie sich das entwickelt habe – und entsprechend reagieren. Notwendig wäre aus seiner Sicht auch eine „scharf umrissene Eigenbedarfskündigung“, die nur für Eigentümer oder engste Familienangehörige gelten müsse.

Wenn beispielsweise ein Chefarzt aus Hannover Recht bekommen habe, der seinen Mieter in Berlin rausklagte, um dort hin und wieder seine in der Hauptstadt studierende Tochter mit eigener Wohnung zu treffen, sei das ein Unding und unterstreiche, dass dringend Handlungsbedarf bestehe.