C&A, Karstadt, Runners PointWelche Läden sterben noch? Experten mit düsterer Prognose

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Ein Mann läuft im April vor dem geschlossenen Eingang eines Kaufhauses der Sportartikel-Handelskette Runners Point in der Innenstadt von Hamburg entlang. Die Kette schließt alle Filialen in Deutschland.

von Martin Gätke (mg)

Köln – Erst C&A vor dem Corona-Lockdown, dann Galeria Karstadt Kaufhof, als letztes war Runners Point dran (hier lesen Sie mehr): Immer mehr Unternehmen müssen ihre Filialen schließen. Viele von ihnen hatten bereits vor der Krise wirtschaftliche Probleme, doch die Pandemie könnte die Entwicklung jetzt beschleunigen.

Werden unsere Innenstädte immer mehr verwaisen? Eine aktuelle Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH) zeichnet jetzt ein düsteres Zukunftsszenario.

C&A fährt hartes Sparprogramm und schließt Filialen

Die letzten Monate waren hart für viele Unternehmer und Angestellte: Bereits im Februar teilte der Modehändler C&A mit, Filialen schließen zu müssen. 13 Standorte fallen einem Sparprogramm zum Opfer, das Unternehmen plant einen radikalen Umbau. Die Filialen werden bis Ende 2020 dicht gemacht, auch nordrhein-westfälische Läden in Witten und Lemgo sind betroffen. Dann kam Corona, C&A musste 1300 Filialen in Europa zeitweise dicht machen.

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Karstadt und Galeria Kaufhof: Marken und Filialen stehen vor dem Aus

Auch Galeria Karstadt Kaufhof befindet sich in Schieflage. Einst das Flaggschiff des deutschen Einzelhandels sind nun ein Drittel der insgesamt 172 Karstadt-Kaufhof-Filialen nicht mehr zu retten. Das offenbarte der vorläufige Sachwalter der Warenhauskette, Frank Kebekus, der „Wirtschaftswoche“. Das würde die Schließung von mindestens 58 Häusern bedeuten.

Hier lesen Sie mehr: Schock für Mitarbeiter – Karstadt Kaufhof plant drastische Filial-Schließungen

„Wir haben allen Beteiligten klargemacht, dass 80 Häuser «im Feuer» stehen“, sagte Kebekus. Der Grund: „Es gibt Warenhäuser, die sich nicht profitabel betreiben lassen, selbst wenn das Unternehmen keinen Cent Miete zahlen müsste.“ Das Unternehmen geht von einer Milliarde Umsatzverlust in diesem Jahr aus – dank Corona. Bis Ende 2022 könnten die Einbußen gar auf rund 1,4 Mrd. steigen. Überleben gehe nur mit harten Einschnitten.

Runners Point schließt alle Filialen

Die nächste Hiobsbotschaft für Kunden: die Schließung von Runners Point. Insgesamt sind rund 720 Mitarbeiter betroffen. Anfang Februar gab es in Deutschland, Österreich und der Schweiz laut Geschäftsbericht insgesamt 81 Filialen – allein in Deutschland gibt es rund 73 Läden. Allesamt sollen dicht machen. Foot Locker selbst nannte keine genauen Gründe für die Pläne,

Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg vermutet, dass Runners Point wegen starker Online-Konkurrenz nicht profitabel genug gewesen sei und deshalb jetzt von der Konzernmutter Foot Locker aussortiert wurde. „Es gibt die Nachfrage nach Service in den Filialen nicht in dem Maße, als dass sie dazu führte, dass dieser Service den Menschen etwas wert wäre und sie mehr bezahlen.“ Der Wirtschaftswissenschaftler geht davon aus, dass das Geschäft von Runners Point schon weit vor der Corona-Krise gewackelt habe.

Ladensterben in Innenstädten: Bis zu 64.000 stationären Händlern droht das Aus

Das Ladensterben in unseren Innenstädten – wie schlimm wird es noch? Die Prognosen jedenfalls sind düster: Bis zu 64.000 stationären Händler droht nach der aktuellen IFH-Studie in den nächsten zehn Jahren das Aus. Und das Coronavirus könnte dazu führen, dass die Entwicklung im Zeitraffer erfolgt.

Die Zahl der Verkaufsstellen werde sogar um bis zu 80.000 sinken, prognostiziert IFH in „Handelsszenario 2030“.

Das Coronavirus hat zwar eigentlich nichts mit dem Ladensterben zu tun. „Die Coronavirus-Krise könnte dafür sorgen, dass die Entwicklung nun im Zeitraffer abläuft“, so IFH-Geschäftsführer Boris Hedde.

Große Verlierer: Modebranche, Buchhandel und Spielwarenläden

Das Bemerkenswerte dabei: Die Geschwindigkeit des Ladensterbens hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter erhöht. Zu den Verlierern im Markt gehören vor allem die Modebranche, der Buchhandel und die Spielwarenläden, aber auch der Handel mit Wohnaccessoires. Seit 2005 sank die Zahl der Einzelhandelsunternehmen in Deutschland laut IFH bereits um 39.000 auf knapp 226.000.

Bedroht sind nach Einschätzung des IFH längst nicht mehr nur kleine Einzelhändler, sondern auch Filialketten – und zwar selbst dann, wenn sie bereits im Onlinehandel aktiv sind. Das absehbare Ladensterben bedrohe auch die Attraktivität der deutschen Innenstädte, warnte der Handelsexperte. Denn die Schwierigkeiten des Handels hätten auch Auswirkungen auf die Gastronomie und die Freizeitangebote in den Stadtzentren. „Noch immer ist das wichtigste Motiv, in die Innenstadt zu kommen, das Shoppen. Und ausgerechnet dieser Kundenmagnet verliert an Kraft“, warnte er.

Was können die Lösungen sein? Experte: „Lokale Identität stärken“

Hier müssten alle Beteiligten zusammenarbeiten, um die lokale Identität zu stärken und gemeinsam Besucher besser ansprechen. „Wir müssen den Handel neu interpretieren als Teil der Freizeitgestaltung. Wir kämpfen mit Vereinsamung und dem Wunsch nach mehr menschlichen Kontakten. Das muss in moderne Handelskonzepte integriert werden. Es reicht nicht, einfach nur Ware anzubieten“, meint Hedde. (mg/dpa)