„Jede andere Strategie wäre besser“Professorin nimmt Corona-Management auseinander

Cornelia Betsch bei Anne Will

Professorin Cornelia Betsch kritisierte bei Anne Will das Corona-Krisenmanagement der Regierung.

von Sebastian Oldenborg (so)

Köln – Die Corona-Pandemie treibt uns nun schon seit gut einem Jahr um. Am Mittwoch (10. Februar 2021) entscheiden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder über eine Verlängerung des Lockdowns. Merkel selbst sagte jüngst, dass im Großen und Ganzen nichts schiefgelaufen sei. Doch genau das sehen offenbar viele anders. Thema bei „Anne Will“ am Sonntag (21.45 Uhr, Das Erste): „Schwindendes Vertrauen ins Corona-Krisenmanagement – was muss jetzt passieren?“

Die Gäste bei Anne Will am 7. Februar 2021:

  • Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern (SPD)
  • Ralph Brinkhaus, Unionsfraktionsvorsitzender im Bundestag (CDU)
  • Sahra Wagenknecht, Bundestagsabgeordnete (Die Linke)
  • Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung
  • Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation an der Uni Erfurt
  • Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister (CDU)

Anne Will: Professorin nimmt Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung auseinander

Cornelia Betsch untersucht die Zustimmung in der Bevölkerung für die Corona-Politik der Regierung. Diese beobachte man seit März vergangenen Jahres, erklärt Betsch in der Sonntags-Talkrunde. Demnach sei das Vertrauen in die Politik von 60 auf 40 Prozent gesunken.

Alles zum Thema Corona

Prekär: Die Zustimmungswerte würden vor allem bei den Menschen sinken, die die Maßnahmen eigentlich befürworten.

Das knallharte Fazit der Professorin über den aktuellen Umgang mit der Pandemie in Deutschland: „Jede andere Strategie wäre besser – oder überhaupt eine langfristig planbare Strategie.“

Und: Damit die Bürger wieder Vertrauen fassen, wäre es unabdingbar, dass Einigkeit zwischen den Ministerpräsidenten herrsche. Laut Betsch wäre das eine „sehr wichtige Botschaft“.

Anne Will: Sahra Wagenknecht fordert Strategiewechsel in Corona-Pandemie

Wie also weitermachen? Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht spricht sich für zielgenauere Maßnahmen aus. „Die die schützen, die hauptsächlich betroffen sind.“

Wagenknecht: „Ich finde es nicht verantwortbar, dass ohne Datengrundlage ganze Branchen dichtgemacht werden.“ Als Beispiel nennt sie die Restaurants, zu denen sie bis heute keine Studie kenne, die belegt, dass es dort vermehrt zu Infektionen gekommen sei.

Nach einem Jahr Pandemie könne man nicht mehr blind Maßnahmen ergreifen und Millionen Menschen in den Ruin treiben, so Sahra Wagenknecht weiter. Stattdessen müsse insbesondere der Schutz von Pflegeheimen im Fokus stehen.

Corona-Talk bei Anne Will: Wie weitermachen mit dem Lockdown?

Das ist das Stichwort für CDU-Mann Ralph Brinkhaus. Die Zahl der Toten in den Pflegeheimen sei „unwürdig für eine Gesellschaft“, die Ursachen müssten genau analysiert und aus den Fehlern gelernt werden.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig spricht sich für eine schrittweise Lockerung der Maßnahmen aus – wo es möglich sei. Sie betont aber auch, dass wir nichts überstürzen dürften.

Schwesig: „Wir müssen ehrlich sein. Unter uns kommt gerade eine dritte Welle und das ist die Mutation.“ Die sinkenden Zahlen würden mitunter ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln.

Jens Spahn hat Verständnis für schwindendes Vertrauen, mahnt aber auch

Deshalb betont auch Gesundheitsminister Jens Spahn bei Anne Will, dass uns noch „einige harte und schwierige Wochen“ bevorstünden.

Er wirbt für eine Fortsetzung des Lockdowns und ein schrittweises Vorgehen. „Alle wünschen sich einen Sechs-Monats-Plan, aber den kann es halt in dieser Dynamik, in dieser Pandemie nicht geben.“

Auf die Ursachen für das sinkende Vertrauen in die Bundesregierung angesprochen, antwortet Spahn: „Es ist natürlich jetzt auch eine lange Zeit.“ Und weiter: „Dass eine gewisse Müdigkeit eintritt, lässt sich kaum vermeiden. Das Problem: Das Virus ist nicht müde. Es nimmt gerade sogar Anlauf mit den Mutationen.“

Einig ist sich die Runde letztlich, dass das Lockern ohne Sinn und Verstand falsch wäre. Und dass den Impfungen eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie zukommt.

Manuela Schwesig plädiert dann noch dafür, dass der Perspektiv-Plan für die Lockerungen bundesweit einheitlich an Inzidenzwerte gekoppelt sein müsse. Damit unterstreicht sie die Aussage von Cornelia Betsch, dass die Uneinigkeit der Länder Vertrauen der Bürger zerstöre.

Wie es in Deutschland weitergeht, wird sich nun am Mittwoch beim Lockdown-Gipfel zeigen. (so)